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15.02.2003: Europa gegen den Krieg


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15.02.2003


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Antikriegsdemo am 15.02.03 am Friedenspfahl in Hückelhoven

Hans Latour

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

die politischen und manche anderen Argumente gegen den Krieg im und gegen den Irak sind hinreichend bekannt; sie müssen hier nicht alle wiederholt werden.

Auch geht es hier nicht so sehr um eine Auflistung der oft komplizierten Zusammenhänge im Umfeld des Irak, sondern an sich und in erster Linie um ein eindeutiges NEIN gegen einen Krieg, der auch ein NEIN gegen das Leben wäre. Lassen Sie mich bitte zu Beginn einiger Gedanken anlässlich dieser Demonstration gegen den drohenden Krieg drei Punkte loswerden, die mich in letzter Zeit zunehmend ärgern:

Erstens: Jeder, der sich mit Argumenten der Vernunft und der Menschlichkeit gegen den systematisch vorbereiteten Krieg gegen den Irak zur Wehr setzt, wird gleich mit der Keule des Antiamerikanismus mundtot gemacht. Ist auch Hollywood-Star Dustin Hoffman Antiamerikaner, wenn er die Politik seiner Administration scharf verurteilt? Sind die vielen Hunderttausend in den USA, einschließlich ihrer Bischöfe und Kirchen, antiamerikanisch, wenn sie gegen die machtpolitischen und abenteuerlichen Fantasien ihrer eigenen Regierung protestieren?

Zweitens: Ist es nicht geradezu pervers, wenn ein deutscher Regierungschef wegen seiner kompromisslosen Haltung gegen den Irak-Krieg sogar im eigenen Land angefeindet wird, wo doch gerade wir Deutschen nun wahrhaftig die Nase voll haben sollten mit Kriegen? Angeblich sind alle gegen den Krieg; dann sollen sie es auch sagen und nicht so herumeiern mit Wenn und Aber.Drittens: Es ist eine Beleidigung der Opfer, wenn im Zusammenhang mit dem NEIN zum Irak-Krieg zu hören ist, Auschwitz sei nicht durch Friedensgebete befreit worden. Die Ermordeten und Gequälten der Vernichtungslagen haben es nicht verdient, als Befürworter eines Krieges instrumentalisiert zu werden.

Und auch die vielen Menschen, die im Gebet für sich eine Möglichkeit zum Protest finden, verdienen es nicht, dass ihr Tun in die Nähe von Sinnlosigkeit gerückt wird.

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15.02.2003: Europa gegen den Krieg
Um es gleich zu Anfang unmissverständlich zu betonen: Wenn die USA den Anspruch erheben, auch präventiv und an der UNO vorbei militärisch gegen den Irak vorgehen zu sollen, weil ihre Sicherheit bedroht sei, dann ist das die Aufgabe der bestehenden Weltordnung und ein Rückfall in die Barbarei, wo nur das Recht des Stärkeren gilt und nicht die Stärke des Rechts. Eine Welt, die nicht gelernt hat, dem Anderen zu erlauben, anders zu sein und zu bleiben, als wir es sind, ist keine lebenswerte Welt mehr. Ein Weltstaat unter der Vorherrschaft der USA mit einer kaum vorstellbaren Ballung militärischer Gewalt ist eine der entsetzlichsten Vorstellungen, die man haben kann. Gewalt wird nicht durch immer mehr Gewalt aus der Welt geschafft, sondern kann nur überwunden werden mit friedlichen und rechtlichen Mitteln und fantasievoller Vorbeugung. "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!" heißt es im Römerbrief. Und: Eine wirksame Strategie zur Lösung von Konflikten schließt auch immer die Position des Anderen in die eigenen Überlegungen mit ein. Gerade weil wir Deutsche den USA viel zu verdanken haben, ist es unsere Pflicht, ihnen nicht in blinder Vasallentreue auf ihrem gefährlichen Weg zu folgen - wie es im Augenblick leider auch acht europäische Regierungen getan haben, deren Bevölkerung allerdings gegen den Krieg ist -, sondern ihnen klarzumachen versuchen, dass dauerhafte Sicherheit immer nur gemeinsame Sicherheit sein kann und Krieg keine Antwort ist, sondern eine Niederlage. Die Welt lässt sich auch nicht einteilen in die Guten und die Schurken. Und Letztere sind dann in vielen Fällen zuerst bei den Guten; Noriega, Hussein, Taliban, mittelasiatische und arabische Despoten...

Und fast nebenbei gesagt: Dass es beim Irak längst nicht mehr um das Thema Terror-Bekämpfung in der Folge des 11. September 2001 geht, liegt inzwischen auf der Hand. Es gibt keine Beweise für Zusammenhänge. Wohl aber kann Wladimir Putin im Windschatten von Terrorismusbekämpfung seinen schmutzigen und menschenverachtenden Krieg gegen das tschetschenische Volk führen. Apropos Terrorismus: Die Brasilianische Bischofkonferenz bringt es auf den Punkt: "Der globale Terrorismus provoziert eine politisch-militärische Reaktion, die besonders auf die ärmsten Länder nachteilig wirkt und sie in einen Kreislauf der Repression und Bedrohung der individuellen und kollektiven Freiheiten hineintreibt. Mit jeder Ausgabe für den militärischen Machtapparat erfährt der weltweite Handel mit Waffen einen Aufschwung - auf Kosten von sozialen Investitionen."

Gegen den Krieg im Irak sein heißt selbstverständlich nicht - und offenbar muss man dies immer wieder betonen -, in irgendeiner Weise die Grausamkeiten und die Menschenverachtung eines Saddam Hussein zu verniedlichen oder gar zu rechtfertigen. Der Diktator in Bagdad muss mit allen möglichen rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Mitteln bekämpft werden; aber dies darf nicht zu Lasten seiner Bevölkerung gehen, die eh schon durch die UN-Sanktionen unverhältnismäßig leidet.-

Das Präsidium der deutschen Sektion von pax christi erklärte zur Eskalation im Irakkonflikt vor wenigen Tagen u.a.: Auch eine zweite UN-Resolution kann keinen Präventivkrieg rechtfertigen.

Ungeachtet der weltweiten Proteste setzt die US-amerikanische Regierung ihre Anstrengungen für einen Präventivkrieg gegen den Irak fort. Um den Krieg führen zu können, diktiert die Bush-Regierung der internationalen Völkergemeinschaft die Bedingungen des Handelns. Sie erklärt die ersten Ergebnisse der UN-Waffeninspektionen für unbefriedigend und duldet keine andere Interpretation, obwohl im Sinne der Resolution 1441 des Weltsicherheitsrates die Inspektionen im Irak Fortschritte machen und die Regierung Saddam Husseins lange nicht mehr so stark kontrolliert wurde wie derzeit.

Der Bitte des UN-Sicherheitsrates nach Beweisen für ein Massenvernichtungsprogramm und für Verbindungen der irakischen Regierung zum Terrornetz Al Kaida kommt die US-Regierung nicht nach. Sie liefert stattdessen eine Reihe von Indizien, deren Beweiskraft vor keinem US-amerikanischen Strafgericht Bestand hätte. Staaten, die an ihrem Nein zum Präventivkrieg gegen den Irak festhalten, werden ins diplomatische Abseits gedrängt.

Staaten, die die Rechte der UNO stärken wollen, werden in die Kriegsstrategie eingebunden, denn von der US-amerikanischen Regierung werden Anstrengungen für eine 2. Resolution des UN-Sicherheitsrates lediglich in die Richtung unternommen, den Weg für den Krieg zu öffnen. Doch weiterhin gilt: Ein solcher Krieg gegen den Irak ist illegal, unmoralisch und nicht zweckdienlich.

Illegal, weil die UN-Charta einen Angriffskrieg, auch einen "präventiven", nicht erlaubt. Unmoralisch, weil die geplante massive Bombardierung Tod und Elend über die Zivilbevölkerung bringt und weil die möglichen Alternativen bei weitem nicht ausgeschöpft sind.

Nicht zweckdienlich, weil ein Krieg weder zur Abrüstung in der Region beitragen noch die Terrorgefahr verringern noch die Demokratisierung des Irak befördern würde.

Während die christlichen Kirchen diesen Präventivkrieg verurteilen, erhalten die Kriegspläne durch Präsident Bush eine religiöse Verbrämung, die blasphemische Züge annimmt. Papst Johannes Paul II hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Krieg niemals ein unabwendbares Schicksal ist. "Er ist immer eine Niederlage der Menschheit."

Eine zweite Sicherheitsrats-Resolution kann militärische Zwangsmaßnahmen nach Art. 7 der UN-Charta legalisieren, sie kann den Krieg aber weder ethisch rechtfertigen, noch sachlich begründen. Es gibt Alternativen für eine Konfliktlösung. Sie heißen: Fortsetzung der Waffeninspektionen und damit verbunden weitere Abrüstung, gezielte Sanktionen, die nicht die Bevölkerung treffen, sondern das Regime, und abgestimmtes diplomatisches Handeln der Staatengemeinschaft gegenüber dem Irak.

Die Abrüstung eines Staates mit Krieg zu erreichen, den Frieden durch Angriffskriege zu wahren - dies sind Widersprüche in sich. Wenn es ernsthaft um Abrüstung geht, kann der Weg nur sein, internationale Abrüstungskonventionen zu entwickeln, in die sich alle Staaten, auch die USA, einbinden. Die Vereinigten Staaten betreiben hingegen eine massive Aufrüstung, indem sie den Militäretat 2003 auf fast 400 Milliarden Dollar erhöhen, den Einsatz von Nuklearwaffen nicht ausschließen und ihr Biowaffenprogramm aufstocken. Die Mittel für Entwicklungshilfe hingegen betragen 40x weniger.

pax christi fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, die Inspektoren so lange arbeiten zu lassen, wie sie es für nötig halten, und ihnen alle erforderlichen Instrumente zu geben, um eine Abrüstung des Irak ohne Krieg zu erreichen.

pax christi fordert den Irak zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit den UN-Waffeninspektoren auf. Gleichzeitig bekräftigt pax christi die Forderung an die irakische Regierung, die Unterdrückung und Verfolgung kurdischer und schiitischer Minderheiten sowie von Regimekritikern zu beenden und das staatliche Handeln auf die Grundlage der UN-Menschenrechtskonvention zu stellen.

pax christi bestärkt die Bundesregierung in ihrem Nein zum Krieg und appelliert an sie, sich nicht durch Diffamierungen unter Druck setzen zu lassen. Ebenso sollte sie sich den Versuchen widersetzen, das NATO-Bündnis in eine Kriegsstrategie gegen den Irak verwickeln zu lassen.

Demonstrationen wie diese tragen ebenso wie Aktionen zivilen Ungehorsams dazu bei, unübersehbare Zeichen des Widerspruchs zu setzen und der Vision einer friedlichen und gerechten Welt Ausdruck zu verleihen. -

Es kann und darf nicht darum gehen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen und Letzteres vor allem militärisch zu bekämpfen ohne Rücksicht darauf, dass diese falsche Alternative einer bipolaren Welt wiederum Terror und Gegenterror hervorbringt. Worauf es ankommt und weswegen wir uns auch hier versammelt haben, ist, unsere Verantwortung wahrzunehmen

- für eine Kultur des gegenseitigen Respekts,

- für eine Kultur der Gewaltfreiheit und der Ehrfurcht vor dem Leben:

- für eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung,

- für eine Kultur der Toleranz und ein Leben der Wahrhaftigkeit,

- für eine Kultur der Gleichberechtigung und Partnerschaft von Mann und Frau. -

Der große Königsberger Immanuel Kant, dem wir in seinen Gedanken und Forderungen zur Aufklärung u.a. die Einsicht verdanken, dass wir den Mut haben sollen, uns ohne Leitung eines anderen des eigenen Verstandes zu bedienen, hat vor gut 200 Jahren in seinem philosophischen Entwurf "Zum ewigen Frieden" Grundsätze für einen dauerhaften Friedenszustand aufgestellt, die auch heute noch gelten - aber nach wie vor von den Mächtigen dieser Welt ignoriert werden. Da heißt es zum Beispiel:

"Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören, denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen."

"Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden."

"Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen."

"Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem anderen solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen..." -

In einem hat Präsident Bush Recht: Es gibt ein Reich des Bösen - und das ist der Krieg an sich. Was immer an Gemeinheit, Grausamkeit, Hinterlist, Lüge und Bosheit Menschen einander zufügen können, - im Krieg wird es geplant, organisiert, perfektioniert, verherrlicht, ja belohnt. Wenn es irgend etwas auf dieser Welt zu hassen und zu bekämpfen gibt, so ist es der Krieg.

Danke fürs geduldige Zuhören!



E-Mail:   friekoop@bonn.comlink.org
Internet: http://www.friedenskooperative.de
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