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20.03.2004
Aktionstag
gegen
Krieg


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20.03.2004


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20. März 2004 Kundgebung in Berlin

Rede zum Internationaler Aktionstag gegen Krieg und Besatzung in Berlin

Winfried Wolf (Berlin)

Vor fünf Jahren demonstrierten wir gegen einen Tabubruch: Deutschland führte erstmals wieder Krieg - einen Angriffskrieg, mit der Nato, gegen Jugoslawien.

Was Kohl und Rühe nicht schafften, bewerkstelligten Schröder und Fischer.

Vor knapp zwei Jahren demonstrierten wir gegen George W. Bush, als dieser im Bundestag den kommenden Krieg gegen den Irak ankündigen konnte - damals noch hofier und geehrt von Rot-Grün. Herr Wowereit legte damals fest, dass kein Senator und keine Senatorin auf der Strasse gegen Bush demonstrieren dürfe. Wir wissen: Sie hielten sich alle daran. Auf den Straßen demonstrierten dann dennoch an zwei Tagen hintereinander knapp 100.000 Menschen.

Vor einem Jahr und einem Monat demonstrierten wir - zusammen mit Millionen anderer in der ganzen Welt - mit mehreren Hunderttausend gegen den vor uns stehenden neuen Irak-Krieg. Wir begrüßten, dass der Herr Papst und der Herr Kanzler dieses Mal auch etwas gegen den Krieg sagten. Doch wir wussten, dass der erstere in anderen Kriegen Waffen segnen ließ und dass der letztere es gestattete, dass US-Truppen deutsches Gebiet für den Angriffskrieg nutzten.

Lasst uns vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen drei Lehren ziehen.

Die erste Lehre lautet.

Krieg erzeugt Krieg. Krieg gegen "Terrorismus" erzeugt terroristischen Krieg..

US-Präsident Bush sagte gestern in seiner Rede zum Jahrestag des Irak-Kriegs: "Alle von uns können heute zustimmen, dass der Sturz des irakischen Diktators eine Quelle der Gewalt, Aggression und Instabilität beseitigt hat."

Wir sagen: Das Gegenteil ist der Fall, Mr. President!

Mit dem Krieg und nach dem Krieg erlebten und erleben wir Aggression, Gewalt und Instabilität. Und dies weltweit - in Casablanca, Djerba, Riad, Istanbul, Madrid - und immer wieder in Bagdad, Kirkuk, Kerbala.

Die Massenvernichtungswaffen wurden dort, wo sie laut Kriegslügen liegen sollten, nicht gefunden. Doch die Massenvernichtungswaffen liegen weiter in den USA, in Russland, in China, in europäischen Staaten, in Pakistan, in Indien, in Israel. Und sie werden an diesen unbestreitbaren Fundstellen nicht reduziert, sondern optimiert. Siehe die Entwicklung der US-Atombomben zu sogenannten MiniNukes, mit denen ein Atomkrieg näher rückt.

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20.03.2004
Aktionstag
gegen
Krieg
Vor sieben Tagen, in der Nacht vor der Wahl, demonstrierten Tausende Spanier vor der Parteizentrale des Lügen-Ministerpräsidenten Aznar. Ihre Losung lautete: "Unsere Toten - Euer Krieg!"

Ihre Forderung lautete: Sofortiger Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak. Tags darauf wurde so abgestimmt. Es ist schrecklich, dass dies auch Ergebnis eines verabscheuungswürdigen Terrorakts ist.

Unbestreitbar ist jedoch auch: Die Forderung der spanischen Bevölkerung ist die unsere: Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland. Das Nein zum Krieg setzt als erstes voraus das Nein zu allen Auslandseinsätzen.

Die zweite Lehre lautet:

Dem Krieg nach außen entspricht der Krieg nach innen. Oder auch: Die militärische Frage und die soziale Frage sind eng verknüpft.

Die Reaktionen nach dem Terroranschlag in Madrid waren verräterisch. Drei Tage lang wurden die Medien europaweit manipuliert. Nach Angaben des spanischen Regisseurs Pedro Almodovar gab es sogar den Versuch, den Ausnahmezustand auszurufen und die Wahl zu verschieben.

Otto Schily und seine Controletti-Kollegen in der EU trafen sich umgehend. Sie verlangen "neue Vollmachten", das heißt den Abbau demokratischer Rechte und die verstärkte Diskriminierung von Millionen Mitbürgern. U.a. soll die Armee im Inneren eingesetzt werden.

Rolf Hochhuth stellte in seinem Stück "McKinsey kommt" richtig fest: Der gegenwärtig größte Skandal besteht darin, dass es in Europa so viele Arbeitslose gibt, wie ganz Spanien an Bevölkerung zählt.

Dabei gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Krieg. Wenn nächste Woche die Leipziger Buchmesse beginnt, dann hat dort, auf dem Messegelände, den größten Stand - die Bundeswehr. Das war bereits im letzten Jahr so.

Und was bietet die Bundeswehr den vielen Schulklassen und Lehrern, die zum Besuch an den Stand kommen? Ein Spiel zur "Sicherung des Weltfriedens". Da können Kids "Eindämmung", "Auslandseinsätze" und "Präventivkriege" üben - bis hin zu dem Einsatz der Atombombe.

Wohlgemerkt: als Spiel. Der Ernst folgt, wenn diese Jugendlichen keine zivilen Jobs finden, wenn ihnen bei der Bundeswehr gut bezahlte Jobs zur Erlernung und Ausübung des Kriegshandwerks geboten werden.

Die Bundeswehr hatte übrigens Vergleichbares bereits auf der Frankfurter Buchmesse versucht. Dort hatte sie - bisher - keinen Erfolg und musste das Experiment aufgeben. Dass so etwas im Westen nicht, wohl aber im Osten gut funktioniert, hat vor allem auch mit einer Arbeitslosenquote zu tun, die in Ostdeutschland bei mehr als dem Zweifachen der westdeutschen liegt.

Lasst uns - auch mit Blick auf die Agenda 2010 und auf unsere Demo am 2. April - die Relationen deutlich machen:

 Die Kosten für den Militärtransporter A400M entsprechen den "Einsparungen" von fünf Jahren Rentenkürzungen.

 Die Kosten für die Serienfertigung des Eurofighters entsprechen den "Einsparungen" von fünf Jahren Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung.

 Auf Basis der Pisa-Studie lässt sich schließlich errechnen: Wenn wir nur die Klassenstärken erreichen wollen, die es Anfang der siebziger Jahre in Westdeutschland gab und die es bis zum Ende in der DDR gab, und die es heute in Finnland oder in Kuba weiter gibt -, dann müssten hierzulande 240.000 Lehrkräfte und Sozialarbeiter eingestellt werden.

Das entspricht ziemlich genau der Mannschaftsstärke der Bundeswehr.

Das entspräche auch einem höchst anspruchsvollen Programm zu Konversion und Umerziehung.

Die dritte Lehre lautet:

Seit 1989/90 erleben wir nicht das Ende der Geschichte. Wir erleben den Wiedereintritt in eine abstoßende Wirtschaftsgeschichte, in der Kapitalismus, Konkurrenz und Kriege eng verbunden sind.

Dieser Zusammenhang wird heute verhüllt mit dem Begriff "Globalisierung", der heute wie eine Monstranz dem Zug des Kapitals durch die Welt vorangetragen wird, wenn Jobs in Ammendorf vernichtet, Sportschuhe in Asien in Kinderarbeit erstellt, Gen-Raps in Sachsen-Anhalt angebaut oder die Berliner Bewag nach Schweden, an Vattenfall, verkauft wird.

Auch die letzten drei Kriege sind integraler Bestandteil von neuer Globalisierung und altem Kolonialismus.

Der erste, der Balkankrieg, war der TINA-Krieg: Mit ihm wurden die Worte in den serbischen Boden gebombt: "There Is No Alternative!" - es gibt keine Alternative. Es darf keine Vision von Völkerverständigung und Zusammenleben geben, wie es dies in der Bundesrepublik Jugoslawien zwischen 1945 und 1989 gab.

Der zweite Krieg, der Afghanistankrieg, war bereits ein Krieg auf dem Weg zum Öl - zum Kaspischen Meer.

Der dritte Krieg, der Irak-Krieg vor einem Jahr, war dann ein offener Krieg um Öl - zur Kontrolle von zehn Prozent der Welterdölvorräte und zur Kontrolle der Ölpreisentwicklung. Es war und ist schlicht ein Krieg für kolonialen Profit.

Selbst das spanische Engagement im Irak findet letzten Endes diese einfache Erklärung: Dem spanischen Ölkonzern Repsol wurde eine Öl-Konzession im Irak versprochen. Anfang 2004 erhielt er sie als Dankeschön. Das ist übrigens der Grund, weshalb Bush und seine Jungs aus dem Ölgeschäft die Enscheidung in Spanien ganz und gar nicht verstehen und undankbar finden. Doch entschieden haben eben nicht die Repsol-Aktionäre, sondern die spanischen Wähler.

Alle, die in den heutigen Kriegen die führende Rolle der US-Regierung betonen, haben recht.

Unrecht haben aber diejenigen, die einen Ausweg sehen wie Herr Zapatero ihn auch sehen. Der hat nämlich nicht nur gesagt, dass die spanischen Truppen - vielleicht - aus dem Irak abgezogen werden. Das ist gut so - und das wird auch so geschehen, wenn die spanischen Massen dem Nachdruck verleihen. Zapatero erklärte jedoch auch, dass Spanien nun die EU-Verfassung umgehend unterzeichnen werde.

Bei dieser Verfassung geht es nicht primär um Stimmrechte. Es geht in ihr im wesentlichen darum, dass alle EU-Staaten zur Aufrüstung verpflichtet werden, dass die EU sich als eigenständige Militärmacht entwickeln und eigene Kriege - auch ohne Nato und USA - führen will.

Wir sagen dazu:

Eine Welt, die von einem Weltpolizisten beherrscht wird, ist abstoßend. Sie wird von uns bekämpft. Doch eine Welt, in der zwei Gangsterbanden dominieren und ein Wettrüsten veranstalten, ist um keinen Deut sicherer.

Daher ist unsere Antwort auf alle drei Lehren keine immanente und keine geographische.

Vielmehr wurden vor einem Jahr, bei der wohl größten Demonstration in der Menschheitsgeschichte, die entscheidende Grenzziehungen deutlich. Am 15. Februar 2003 standen nicht die USA, England, Spanien, Polen und Israel gegen das "alte Europa" und die "islamische Welt". Es standen vielmehr die Menschen, die in Washington, New York, Tokio, London, Paris, Rom, Madrid, Berlin, Kairo und nicht zuletzt in Tel Avis auf die Strassen für den Frieden gingen gegen die Kriegstreiber in denselben Hauptstädten und anderswo.

Wir sagen:

Diese Macht von unten muss gestärkt und immer wieder neu aufgebaut werden. Sie allein wird entscheidend sein, wenn wir Frieden, Entwicklung und Solidarität erreichen wollen.

Wir sagen:

Ja, eine andere Welt ist möglich.

Und wir ergänzen:

Eine andere Ökonomie ist nötig!

Jetzt. Hier. Überall.



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