25 Jahre Tschernobyl

update:
22.04.2011


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25 Jahre Tschernobyl

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Redebeitrag für die Demonstration "Sonne, Strand und See - Atomkraft? Nee!" am 25. April 2011 in Lubmin und Ostermarsch 2011 in Berlin, 23.04.

Primat der Politik oder Primat der Atomkraft

Michael Müller (in Berlin und Lubmin)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 12 Uhr -



Liebe Freundinen und Freunde,

Beim Anblick der zertrümmerten Atomzentrale von Fukushima sei Angela Merkel klar geworden, dass die Atomkraft doch nicht so ungefährlich ist, wie sie jahrelang behauptet hat. "Sicherheit hat absoluten Vorrang, dem muss sich alles unterordnen. So werden wir auch handeln", lautet die späte Einsicht der Kanzlerin. Die Zäsur in der Geschichte der technisierten Welt" war bereits die Beinahkatastrophe von Harrisburg 1978, auf jeden Fall die Explosion von Tschernobyl 1986.

Seitdem ist der größte denkbare Unfall kein hypothetisches, sondern ein reales Risiko. Die Sicherheitsbewertung hat zwei Dimensionen, die Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schadensumfang, der bei einer Atomkatastrophe durch die zeitliche und räumliche Dimension der radioaktiven Verstrahlung nicht zu verantworten ist. Deshalb muss aus dieser Technologie ausgestiegen werden. Sofort, wenn der Grundsatz - Sicherheit hat absoluten Vorrang - ernst genommen wird. Denn kein AKW ist zum Beispiel gegen den gezielten Absturz eines großen Passagierflugzeuges geschützt.

Dass es bisher nicht zu einem Ausstieg gekommen ist, liegt nicht nur an dem politischen Widerstand, der bis Fukushima von den heutigen Regierungsparteien ausgegangen ist. Die Atomenergie ist eine Sonderwirtschaftszone. Sie hat eine starke Machtstellung und ihre Betreiber wissen sie zu nutzen. Zusammen mit großen Kohlekraftwerken sind die AKWs das Rückgrat der Verbundwirtschaft, deren energiewirtschaftliche Logik ein möglichst hoher Stromverbrauch ist. Würden die Gesetze des Marktes gelten, wäre es nie zu den gigantischen Fehlinvestitionen in die Atomenergie gekommen.

Dieser Sonderwirtschaftszone ist es mit ihrer Macht bis heute gelungen, einen Ausstieg aus der Atomkraft zu verhindern. Zum einen drohen die Atomkonzerne bei einem Abschalten mit hohen Entschädigungen, wie es RWE selbst nach Fukushima tut. Zum anderen stellen sie ihre Grundlastversorgung der Industrie als alternativlos für die Sicherung des Standorts Deutschland hin, so dass ein schneller Ausstieg angeblich nicht machbar sei.

Deshalb wählte die rot-grüne Regierung den Konsensweg mit den vier Atomkraftbetreibern, genannt "geordneter Ausstieg". Sie scheuten das Risiko milliardenschwerer Abfindungen und glaubten wahrscheinlich auch, dass durch die starke Stellung der Atomenergie bei der Bereitstellung der Regelenergie ein schneller Ausstieg nicht möglich sei. Erklärt wurde der bis zum Jahr 2022 gestreckte Ausstieg mit Versorgungssicherheit, Klimaschutz und bezahlbaren Kosten. Alles das ist widerlegt.

Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätten nach dem Ausstiegsgesetz bis Februar 2012 zehn Atomkraftwerke endgültig stillgelegt werden müssen. Doch die vier Atomkraftbetreiber fuhren die Leistungen älterer AKWs runter und warteten auf neue politische Mehrheiten, um zu längeren Laufzeiten zu kommen, die mit der schwarz-gelben Bundesregierung auch kamen. Deshalb wollen wir keinen Konsens mehr mit den Betreibern, sondern gesetzlich ein schnelles Ende aller Atommailer.

weil es selbst nach 40 Jahren Atomenergie keinen gesicherten Einschluss des nuklearen Abbrands gibt, obwohl der Entsorgungsnachweis eine Genehmigungsgrundlage für den AKW-Betrieb ist. Vielen Juristen rechtfertigt dieser Tatbestand den Widerruf der Genehmigung.

Wir wollen die Beendigung der noch immer weitgehend steuerfreien Rückstellungen oder eine volle Versicherungspflicht aller Atomkraftrisiken.

Wir wollen die Verschärfung der Sicherheitsvorschriften nicht nur für den Neubau, sondern für alle Anlagen. 1994 hatten die CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und Angela Merkel das Atomgesetz so geändert, dass neue Atomkraftwerke nachweisen müssen, dass die Folgen eines Unfalls auf die Anlage begrenzt blieben. Diese Norm für alle Anlagen heißt, alle AKWs stillgelegen, denn sie wird nirgendwo erfüllt, auch nicht von den neuen Reaktorlinien in Finnland und Frankreich.

Die Bundeskanzlerin will schneller aus der Atomkraft aussteigen und sucht dafür einen Konsens, der zwar in der Gesellschaft seit 25 Jahren da ist, aber nicht mit den Betreibern, die weiter viel Geld mit abgeschriebenen Atomkraftwerken verdienen wollen, rund 1 Million Euro pro Tag mit jedem AKW.

Von den Erzeugungskapazitäten her ist sogar ein kurzfristiger Ausstieg aus der Atomkraft möglich, denn die Jahreshöchstlast, also der Tag, an dem in Deutschland am meisten Strom nachgefragt wird, liegt deutlich darunter. Dieser Weg brächte allerdings, weil alte Kraftwerke hochgefahren werden müssten, zumindest für eine Übergangszeit zusätzliche Belastungen für den Klimaschutz. Und er wäre auch mit regionalen Engpässen in den süddeutschen Atomländern verbunden, weil dort zu wenig in Alternativen, regionale Vernetzung und Verbesserung der Infrastruktur investiert wurde.

An dem grundlegenden Umbau kommen wir nicht vorbei, wollen wir Ernst machen mit 100 % erneuerbaren Energien in einer hocheffizienten 2.000-Watt Gesellschaft. Zuletzt hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen aufgezeigt: Wenn ihr Anteil über 30 Prozent ausmacht, dann fällt das Grundlastargument in sich zusammen. Nachhaltig sind weder die Atomkraftwerke noch große Kohlekraftwerke. Sie sind die Blockade für erneuerbare Energien.

Die Sonderwirtschaftszone Atomenergie hat keine Zukunft, sie darf auch keine Macht mehr haben, die Zukunft zu blockieren.



Michael Müller ist Vorsitzender des Umweltverbandes "Naturfreunde Deutschlands"

E-Mail: michael-hans-mueller (at) web (Punkt) de

Website: www.naturfreunde.de
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