25 Jahre Tschernobyl

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24.04.2011


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25 Jahre Tschernobyl

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Redebeitrag für die Demonstration vor den AKW Neckarwestheim am 25. April 2011

Liebe Anwesende,

Michael Wilk (in Neckarwestheim)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 25. April, Redebeginn: ca 13 Uhr -



-Vor 25 Jahren erschütterte die Reaktorexplosion von Tschernobyl den Glauben an den sauberen Atomstrom und strafte all diejenigen Lügen, die von vernachlässigbarem Restrisiko gesprochen hatten.

Doch die Gegenpropaganda der Energiekonzerne und der Atomgläubigen Politiker setzte fast zeitgleich ein. Tschernobyl wurde als sowjetische Katastrophe definiert, westliche AKW als technisch überlegen und sicher dargestellt.

Drei Jahre nach Tschernobyl ging der jüngste deutsche Reaktor ans Netz : Neckarwestheim 2

-In den Tagen nach Fukushima wurde ich mehrfach von Seiten der Medien gefragt wie es denn sei "Recht behalten zu haben?". Ich stellte die Gegenfrage, ob es nicht gruselig sei, dass es erst wieder einer Katastrophe bedarf, damit viele die herrschende Politik als verlogen und verbrecherisch erkennen. Es reicht- wir wollen so etwas nie wieder erleben!

-Wann wird Technikgläubigkeit zur Körperverletzung- ab wann ist Profitstreben mörderisch? Die Atomkatastrophe von Fukushima mit nicht absehbaren Folgen und menschlichem Leid, hat diese Frage in grauenhafter Weise beantwortet.

Wir wissen, Atomanlagen sind nicht sicher, der Betrieb ist unverantwortlich! Wir sagen deshalb eindeutig und klar: Alle AKW
s abschalten, sofort und überall!

-Gerade einmal 6 Wochen nach der Atomkatastrophe von Fukushima setzen Atomkonzerne und PolitikerInnen auf ihre alten Lügen und aufgefrischte Propaganda. Wie schon vor 25 Jahren, als das Desaster von Tschernobyl als Ostblock eigen definiert wurde (und westliche AKW als sicher und technisch überlegen), verweisen sie nun zynisch auf die Unwahrscheinlichkeit von Tsunamis in der BRD. Die realen Gefahren (Störfälle, Beinahe GAUS, strahlender Abfall für tausende von Jahren, Flugzeugabstürze) werden kleingeredet oder ganz verleugnet. Die vier großen Energiekonzerne(E.ON, RWE, Vattenfall, EnBW) bauen eine Angstkulisse von Stromknappheit, Verlust von Arbeitsplätzen und sinkendem Lebensstandard auf.

Unterdessen faseln ihre Claqueure aus der Politik erneut von "Brückentechnologie", die für eine Übergangszeit nötig sei. Beleg dafür, dass weder in den Vorstandsetagen, noch in den Parlamenten ein Umdenken stattgefunden hat. Warum auch? Bestimmend ist die Maxime des Geldes: Sicherer Profit geht vor Sicherheit für Mensch und Umwelt.

-Die AKW-Betreiber sind fein raus:

Das das atomare Unfallrisiko ihrer Anlagen nicht versicherbar ist? Egal ! Die jahrzehntelang gewachsene Kumpanei zur Regierungen aller Couleur sichert Ihnen im Katastrophenfall eine Haftungsbegrenzung zu.

Dass bei Ihrem Geschäft für 10.000 de Jahre hochradioaktiver Müll anfällt, der nicht sicher entsorgt werden kann- Egal! Die Kumpanei zur Regierungen aller Couleur sicherten ihnen den Weiterbetrieb bei fehlendem "Entsorgungsnachweis" zu.

Diese Listeliese sich noch lange fortsetzen.

-Nun gehören zu Lügen und Propaganda jedoch immer zwei- diejenigen die sie erfinden und aussprechen und diejenigen die sie glauben.

Und so muss gefragt werden (und diese Kritik ist an uns selbst gerichtet) warum hat erst der Laufzeitverlängerungsbeschluss der momentanen Regierung zu den verstärkten Protesten im letzten Jahr geführt? War es vorher wirklich entscheidend besser? Wie stark ist das Bedürfnis vieler nach einem ungestörten ruhigen Leben und Konsum, wie hoch ist der Grad der Akzeptanz des Wahnsinns?

Warum wurde nicht auch der sogenannte Atomkonsens der damaligen Rot-Grünen Regierung, (von all denen die heute überall auf die Straße gehen), als oberfauler Kompromiss wahrgenommen, sicherte er doch den AKW Betreibern jahrzehntelangen Weiterbetrieb ihrer Anlagen zu und das noch unter Verzicht auf sicherheitstechnische Nachrüstungen?

Die Fähigkeit Tschernobyl zu verdrängen und den Politikern wieder Glauben zu schenken, war bestimmend und verschleierte den Blick vieler auf die Realität. Eine politische selektive Wahrnehmung, unter Ausblendung unangenehmer Tatsachen, führt zur Passivität, und ist genau das, was Herrschaft erst möglich macht.

Die Fähigkeit zu Verdrängen ist seit Fukushima unterbrochen (aber eben nur unterbrochen) Die Menschen sind sensibilisiert und stellen Fragen, werden aktiv.Das macht die Politik nervös.

Deshalb die politischen Salti rückwärts und die wüste verlogene Propaganda. Die von dieser Seite gehandelten Zeitpunkte des Abschaltens sind wie Lottozahlen- 16, 17, 22.

-Wir stehen hier vor einem der ältesten und vor dem jüngsten Reaktor der Republik. Das Neckarwestheim 1 abgeschaltet ist, ist gut, aber es reicht uns nicht. Die Unterteilung in Alt- und Neumeiler ist in ihrer Absicht offensichtlich.

Wir sagen jedoch: Auch jüngere Meiler sind nicht sicher. Jeder laufende Reaktor ist eine Gefahr, produziert tonnenweise hochgiftigen Atommüll, und gehört abgeschaltet. Sofort!

-Jetzt gilt es die Produktion von weiterem, Jahrtausende strahlenden, Atommüll zu verhindern.

Es gilt einer dezentralen, demokratischen, auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgung den Weg zu ebnen. Es gilt die Macht der Konzerne zu brechen und die Strommonopole aufzulösen.

Es liegt jetzt an uns, den Druck aufrecht zu erhalten. Nur der Druck der Straße ändert etwas an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Und nur wir werden die richtigen und konsequenten Forderungen stellen.

Wir werden den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke keinesfalls akzeptieren - ganz egal mit welchen Lügen er uns von welcher Regierung auch immer schmackhaft gemacht werden soll.

Wir sind nicht bereit dem profitgesteuerten Gedankengang eines verheerenden "Restrisikos" zu folgen.

Wenn sie uns ein Restrisiko zumuten, werden wir zum Risiko für ihre Politik.

Viele von uns haben bereits im November letzten Jahres die Castoren auf ihrem Weg nach Gorleben blockiert. Bauern auf ihren Traktoren, Sitzblockierer und Schotterer leisteten aktiven Widerstand.

Sie wurden als Gewalttäter und Kriminelle diffamiert. Wir hingegen wissen, Körperverletzer und Kriminelle sind die Betreiber und Verfechter von Atomanlagen.

Spätestens nach Fukushima ist noch viel mehr Menschen klar, dass es nicht ausreicht massenweise auf die Straße zu gehen, sondern das wir noch viel weiter gehen müssen.

Angefangen mit der Verweigerung als Konsumenten und dem Wechsel des Stromanbieters, über die vielfältigsten Formen des Protestes, dem Blockieren der Castoren- bis hin zur Blockade von AKW
s.

Abschalten bleibt Handarbeit!

-Liebe Anwesende, für uns alle kommt es in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren darauf an zu fragen- wie weit wollen wir gehen?

Wenn wir der Meinung sind, dass die Verhältnisse geändert werden müssen, tragen wir auch die Verantwortung für diesen Prozess. Oder wir überlassen die Politik und die Gesellschaft wieder den etablierten Institutionen, den Parteien, Wirtschaftsverbänden, den Gewerkschaften- dann wird sich nichts oder nur wenig ändern.

Maßstab unseres Handelns darf auch nicht nur eine deutsche oder europäische Befindlichkeit sein. Es geht eben nicht nur um Ökologie. Es nützt nichts, wenn unsere Waren das Biosiegel tragen, aber sich nichts an den Ausbeutungs- und Lebensbedingungen der Menschen weltweit geändert hat. Wir müssen und werden die Zusammenhänge sehen und wir begreifen uns deshalb auch als eine soziale Bewegung, die Nein sagt zu Entmündigung und Ausbeutung.

Ich muss sagen, diese Fragen in Baden-Württemberg zu stellen hat seinen besonderen Reiz.

Wer glaubt wirklich, dass es eine Grün-Rote Landesregierung schon richtet, oder wer stellt sich schon innerlich auf die Maxime des Machbaren und des Zweckpragmatismus ein?

Je bequemer wir sind, desto mehr werden wir fremdbestimmt.

Aber da wir das nicht wollen, werden wir dranbleiben, voneinander lernen, mutig sein und Widerstand leisten.

Es liegt an uns. wir sehen uns, Abschaltblockaden rund um Neckarwestheim vom 13.-21. August 2011.

Ich danke euch.



Dr. Michael Wilk ist aktiv beim AKU Wiesbaden. Vita hier

E-Mail: dr (Punkt) m (Punkt) wilk (at) gmx (Punkt) de

Website: www.aku-wiesbaden.de
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