25 Jahre Tschernobyl

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28.04.2011


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25 Jahre Tschernobyl

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Rede auf der Kundgebung zum Anti-Atom-Aktionstag am AKW Krümmel, Ostermontag, 25. April 2011

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am heutigen Aktionstag, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

Helga Schwitzer (in Krümmel)



- Es gilt das gesprochene Wort -



2008 und 2009 hatten wir die Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir hatten sie zuweilen als Erdbeben, Tsunami oder Katastrophe für die globale Ökonomie beschrieben.

Wer konnte da ahnen, dass Japan gut ein Jahr später von einem realen Erdbeben, einem realen Tsunami und einer realen atomaren Katastrophe heimgesucht wird? Mit all dem Leid, das diese für die Menschen gebracht haben und noch bringen werden. Nach all dem Leid, das die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gebracht haben.

Die vielen Toten, die leidenden Menschen, die Angehörigen, wir sollten sie nicht vergessen. Sie mahnen zur Umkehr. Sie mahnen zum Ausstieg und zur Vernichtung aller Atomwaffen.

Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir heute hier vor dem AKW Krümmel und an vielen anderen AKWs demonstrieren. Dass wir uns mit noch mehr Kraft dafür einsetzen, dass so schnell wie irgend möglich Schluss ist mit Atomkraft. Dass Krümmel abgeschaltet bleibt, dass auch alle anderen abgeschalteten AKWs abgeschaltet bleiben und dass alle AKWs schnellstmöglich vom Netz genommen werden.

Die Laufzeitverlängerungen müssen vom Tisch! Ein Moratorium und neue Nachdenklichkeit reichen uns nicht. Wir wollen Taten und nicht nur Worte. Wir brauchen ein Abschaltgesetz und ein Gesetz zur massiven Verkürzung der Laufzeiten.

Wir erinnern heute auch an Tschernobyl. Diesen Supergau vor 25 Jahren wollten uns die Atomkonzerne und die Eliten der westlichen Welt als Ergebnis von Pfusch beim Reaktorbau verkaufen, wie er vermeintlich in realsozialistischen Ländern üblich war.

Ihr erinnert Euch noch an den Begriff Schrottreaktor. Jetzt hat sich gezeigt: Auch die angeblich technologisch überlegenen Atomreaktoren im Westen sind Schrott. Diese Technik ist nicht beherrschbar - sie war es nicht im Realsozialismus, und sie ist es nicht im Kapitalismus.

Daraus muss die Politik Schlüsse ziehen. Und die können nur heißen: Ausstieg, Umstieg, Einsteig. Ausstieg aus der Atomenergie. Umstieg auf erneuerbare Energien. Einstieg in energiesparende Technologien in Industrie, Verkehrswesen und Privathaushalten.

Diese Ziele haben großen Rückhalt in der Bevölkerung. Das haben die jüngsten Landtagswahlen gezeigt. Aber das Thema Atomenergie ist damit nicht erledigt.

Nach einer kurzen Phase wagen sich die großen Stromkonzerne bereits wieder aus ihren Schneckenhäusern, in die sie sich angesichts der weltweiten Atomängste und Proteste nach Fukushima kurzzeitig verkrochen hatten.

Erst kündigte der RWE-Vorstandsvorsitzende Großmann an, der Konzern werde gegen die einstweilige Stilllegung des AKW Biblis klagen. Dann beschlossen die vier Stromgiganten gemeinsam, die aktuell für den Ökofonds fälligen 300 Millionen nicht zu überweisen. Sie wollen nicht mehr den Preis für eine Laufzeitverlängerung zahlen, die plötzlich in Frage gestellt ist.

Die Konzerne sehen keinen Grund mehr, sich für die Klientelpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung zu bedanken. Das hat die Bundesregierung sich allerdings selbst zuzuschreiben: Wer der Atomlobby in den Hintern kriecht, darf sich nicht wundern, wenn hinten so was rauskommt.

Die Stromkonzerne haben ihre Schamfrist beendet. Sie wollen den Ausstieg wenn nicht verhindern so doch verlangsamen. Und auch die Politik setzt auf verblassende Erinnerung und verblassendes Interesse.

Unmittelbar nach dem Fukushima-Desaster überboten sich Vertreter der Regierungsparteien gegenseitig mit Forderungen nach Abschalten und Ausstieg. Jetzt werden wieder Stimmen aus demselben Lager lauter, die immens steigende Strompreise und gar Stromausfälle bei einer Energiewende an die Wand malen. Die Atomlobby lässt grüßen.

Ich sage: Damit dürfen Atomlobby und Regierung nicht durchkommen. Wie aus der Wirtschaftskrise müssen wir endlich auch aus Tschernobyl und Fukushima die richtigen Lehren ziehen. Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der für Mensch und Natur zerstörerischen Atomenergie.

Das kostet Geld, ja. Das ist nicht umsonst zu haben. Aber umsonst ist nicht mal der Tod. Er kostet bekanntlich das Leben. Und das wollen wir, das müssen wir bewahren.

Wer hunderte Milliarden mobilisieren kann, um Banken zu retten, der muss auch die Mittel aufbringen können, um unseren Planeten zu retten. Wir brauchen die Energiewende. Wir brauchen erstens eine massive Steigerung der Energieeffizienz. Wir brauchen zweitens mehr erneuerbare Technologien.

Wir zapfen ja jetzt schon Wind und Sonne an. Da ist noch mehr zu holen. Das schafft Arbeitsplätze. Mehr als bei einem Ausstieg verloren gehen. Im Übrigen werden auch für einen Ausstieg, für Rückbau und sichere Entsorgung Beschäftigte gebraucht. Dafür sind doch die am besten qualifiziert, die jetzt in den Atomanlagen arbeiten.

Ich weiß: Beschäftigte in den Energiekonzernen, viele von ihnen Mitglieder der IG Metall, fürchten den Ausstieg. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Das kann ich verstehen. Und wir wären eine schlechte Gewerkschaft, wenn uns das Schicksal der Beschäftigten kalt ließe.

Nein, das lässt uns nicht kalt. Wir brauchen bei einem Ausstieg das Know-how der hochqualifizierten Beschäftigten für den Rückbau der Kernkraftwerke und für die Entsorgung des nuklearen Abfalls. Wir werden uns für alternative Arbeitsplätze einsetzen und für sozialverträgliche Lösungen bei der Sicherung von Beschäftigung und Tarifbedingungen streiten.

So wie wir den Umstieg auf saubere Energie wollen, so wollen wir aber auch endlich saubere Verhältnisse in den Unternehmen der Wind- und Solarenergie.

Hier steht es leider nicht zum Besten. Gewerkschaftliche Betätigung wird von vielen Unternehmen unterbunden. Betriebsratswahlen werden verhindert. Beschäftigte werden weit unter Tarif bezahlt.

Das kann doch nicht sein. Zukunftstechnologie mit frühkapitalistischen Methoden und zu Billiglöhnen - das geht nicht zusammen. Wer technologischen Fortschritt will, kann dies nicht mit rückschrittlicher und unsozialer Unternehmenspolitik erreichen.

Saubere Technologien erhalten wir auf Dauer nur mit sauberen Arbeitsbedingungen und sauberer Bezahlung. Umweltverträglich muss auch sozialverträglich sein. Sonst ist der Umstieg auf erneuerbare Energien gefährdet, bevor er überhaupt begonnen hat. Das kann niemand wollen.

Deshalb, Freundinnen und Freunde: Setzt Euch mit uns für saubere Energie zu sauberen Arbeitsbedingungen ein! Unser Bündnis aus Anti-Atomkraft-Bewegung und Gewerkschaften funktioniert. Und es muss auch in dieser Beziehung funktionieren. Wir - Gewerkschaften und Anti-Atomkraft-Bewegung - stehen gemeinsam für eine menschliche, ökologische und soziale Gesellschaft in Deutschland.

Zum Schluss noch ein Wort als Atomgegnerin aus Niedersachsen: Wir brauchen Endlager, ja, das hat uns die Atompolitik eingebrockt. Aber wir brauchen Endlager, die weniger Risiken ausstrahlen als Gorleben, Asse oder Schacht Konrad.

Gorleben ist als Endlager ungeeignet und brandgefährlich. In Asse zeigt sich: Salzstöcke sind nicht dicht. Die Fässer sind nicht dicht. Wer nach den politischen Lügen um Asse, Schacht Konrad und Gorleben die Entsorgungsfrage als gelöst ansieht, der ist selber Asse! Der ist selber nicht ganz dicht!

Sicher ist nur: Wenn wir schnell aussteigen, verringern wir auch dieses Risiko. Und wenn RWE-Chef Großmann gegen einen schnellen Ausstieg ist, sollte man ihm vorschlagen, ein Endlager im Vorgarten seiner Residenz an der Hamburger Elbchaussee anzulegen. Ich bin sicher: Wir hätten einen Atomkraftgegner mehr.

Glückauf, liebe Freundinnen und Freunde. Unser gemeinsamer Protest geht weiter!



Helga Schwitzer ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

E-Mail: helga (Punkt) schwitzer (at) igmetall (Punkt) de

Website: www.igmetall.de
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