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Antikriegstag 2003


vom:
30.08.2003

Antikriegstag 2003:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag 2003 in Schweinfurt

"Die Entwicklungen der Konflikte weltweit kritisch betrachten"

Frank Firsching

Liebe Friedensfreunde, liebe Bürgerinnen und Bürger,

ich freue mich sehr, dass es dem Friedensratschlag gelungen ist zum Antikriegstag diese Kundgebung in Schweinfurt zu organisieren.

Der Antikriegstag, der 1. September, gehört seit Jahrzehnten zum festen Bestandteil des Friedenskalenders. Er erinnert an den Beginn des zweiten Weltkriegs, den die faschistische deutsche Wehrmacht mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 eröffnet hat.

Dieser historische Hintergrund verpflichtet uns die Entwicklungen der politischen, wirtschaftlichen und territorialen Konflikte weltweit kritisch zu betrachten. Ich möchte meine Rede deshalb auf die globale Entwicklung der Krisenbewältigungsstrategien konzentrieren. Dabei werde ich auch auf die terroristische Bedrohung, deren Hintergründe und die neue Ausrichtung der Bundeswehr eingehen.

Terrorismus, liebe Freunde, ist keine Erfindung von Osama bin Laden, die Bedrohung durch Terroristen keine von Georg W. Bush. Im Duden wird "Terror" definiert mit "Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen". Demnach sind alle kriegerischen Auseinandersetzung "Terror" gegen die jeweilige Bevölkerung- und zwar egal von wem dieser Terror ausgeht. "Terrorismus" wird beschrieben mit "Schreckensherrschaft" und "das verbreiten von Terror durch Anschläge und Gewaltmassnahmen zur Erreichung eines bestimmten Ziels".

Nach diesen Definitionen gibt es Terror und den Terrorismus seit es Menschen gibt. Nicht erst seit dem 11.September 2001. Wobei dieses schreckliche Ereignis ohne Zweifel der widerwärtigste Anschlag der jüngsten Geschichte bleibt.

Woher kommt aber der Hass, der letztlich zum Terrorismus führt? Woher kommen die Sympathien, auf die gewissenlose Terroristen teilweise bauen können? Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Wurzel des Übels in der unfairen und ungerechten Verteilung der Chancen- und Lebensverhältnissen in dieser Welt besteht!

Dass das so ist und sich die Lage im letzten Jahrzehnt noch verschlechtert hat zeigt ein UN- Bericht, der am 08. Juli 2003 veröffentlicht wurde. In diesem umfassenden Bericht wurden 175 Länder auf ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den letzten 10 Jahren untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend. Von den untersuchten Ländern sind 54 heute viel ärmer als 10 Jahre zuvor. Der Großteil der Länder befindet sich in Afrika. Dabei räumt der Bericht auch mit der Legende auf "der heilbringende Neo-Liberalismus könne die Probleme der Entwicklungsländer lösen". Genau dieser Wirtschaftsideologie, die den Ländern von IWF und Weltbank aufgezwungen wurde um an Kredite zu kommen, sei für die Misere mit verantwortlich. Übrigens weist der Bericht nicht nur nach, dass arme Länder immer ärmer werden und reiche immer Reicher, NEIN, er weist auch nach, dass in den westlichen Industriestaaten die Reichen Bürger immer reicher werden und die Armen immer ärmer und zahlreicher. Um die Situation in den Entwicklungsländern zu entspannen, fordert der Bericht die Erhöhung der Entwicklungshilfe von weltweit etwa 50 Mrd. Dollar auf 100 Mrd. jährlich. Außerdem müssten z.B. Agrar- Subventionen abgebaut werden um den Entwicklungsländern zumindest die Chance zu geben ihre Produkte auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Jede europäische Kuh wird derzeit mit durchschnittlich 3 Dollar pro Tag subventioniert, während 40% der in Afrika lebenden Menschen über weiniger als einen Dollar verfügen. In den USA erhalten die Baumwollfarmer Subventionen von 10,7 Millionen Dollar am Tag, drei mal mehr als die Region südlich der SRST\dngshilfe bRST\dV^f" ALT="R WIDTH=""" ALT="S" BORDER="0" WIDTH=">"T" BORDER="0>\ WIDTH=eichbehandlung führt zu weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen. Am «V W _ g lässt sich die Entwicklung gut veranschaulichen. Die hohen Subventionen für die amerikanischen Baumwollfarmer führen dort zur Überproduktion, dieses erzeugte Überangebot ist dafür verantwortlich dass der Weltmarktpreis für Baumwolle in 7 Jahren um über 50% gesunken ist. Das hat dramatische Auswirkungen auf baumwollproduzierende Kleinbauern, z.B. in Afrika, die durch den Preisverfall um ihre Existenz gebracht werden. Damit steigt die Arbeitslosigkeit, wächst der Hunger und entmutigt die Menschen. Dabei würde sich eine Preiserhöhung der Baumwolle praktisch nicht auf die Endpreise der Textilerzeugnisse auswirken. Mein Hemd beispielsweise kostete etwa 25 Euro. Die dafür nötige Baumwolle, etwa 200 Gramm brachte den Produzenten, etwa 25 Cent, ohne Subventionen wären es vielleicht 35 Cent. Für die Baumwollbauern in Afrika überlebensnotwendig.

Anstatt aber den Menschen in den armen Ländern dieser Erde merklich zu helfen, verfolgen die Reichen Nationen eine andere Strategie der Terrorbekämpfung. Die Zeichen stehen auf Aufrüstung. Und zwar nicht erst seit dem 11. September 2001. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des Jahrbuch 2002 des internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC). Während der US- Präsident seine Partner aufforderte "Kapazitäten und Budgets den neuen Bedrohungen anzupassen" ist die weltweite Aufrüstung bereits in vollem Gange. Unter Herausrechung der Inflation haben wir im Jahre 2002 bei den weltweiten Militärausgaben wieder das Niveau von 1992 erreicht. Wird dieser Aufwärtstrend fortgeschrieben, wird im Jahre 2010 der bisherige historische Höchstwert des kalten Krieges von 1987 überschritten. Für 2002 lagen die globalen Militärausgaben bei ca. 900 Milliarden US- Dollar. Dabei bleiben die USA mit Abstand weltweiter Spitzenreiter bei den Militärausgaben. Wobei die Anschläge am 11. September den Trend drastisch verstärkt haben. So soll der Militärhaushalt der USA bis zum Jahre 2007 auf 469 Mrd. Dollar steigen.

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Antikriegstag 2003
Diese Entwicklung ist das Ergebnis der weltweiten Machtpolitik der USA und ihrer Verbündeter. So trifft der Vorwurf des amerikanischen Imperialismus mancherorts nicht nur auf fruchtbaren




  
&"/7sich auch anhand konkreter Zahlen und Beispielen veranschaulichen.

Inzwischen - und das ist leider ein Faktum - nimmt die USA     m)gD)g)K)äîöhe Instanz für sich in Anspruch. Notfalls wird diese mit militärischer Gewalt - mit Terror - gegen alle Widerstände durchgesetzt. Das Beispiel Irak-Krieg belegt diesen Anspruch eindeutig: Die Vereinten Nationen als übergeordnete Institution wird missachtet und der Lächerlichkeit preis gegeben. Meiner Meinung nach fördert diese Haltung nicht nur den Anti-Amerikanismus, sie liefert fanatischen Gruppierungen auch noch Argumente. Gewalt erzeugt Gegengewalt - ob in Israel, in Afghanistan oder im Irak - diese alte Weisheit wird von den Sicherheitsstrategen im Pentagon, in der NATO und in Berlin augenscheinlich nicht wahrgenommen.




War die Bundeswehr Jahrzehnte lang eine Armee mit der Aufgabe Landesverteidigung, so wurde und wird sie zu einer "Interventionsarmee" umgebaut. Anders ausgedrückt wurde und wird aus einer Verteidigungsarmee eine Angriffsarmee. Die Umbaupläne sind längst gereift und teilweise schon umgesetzt. 1998 bestand die Bundeswehr aus 340 000 Soldaten, von denen etwa 53000 (also 16%) als sogenannte Krisenreaktionskräfte bereit standen. Nach jetzigen Plänen, die noch aus der Feder Rudolph Scharpings stammten, soll die Bundeswehr auf ca. 250000 Soldaten verkleinert werden. Die zukünftige Größe der "Einsatzkräfte" soll allerdings 150000 (60%) Soldaten betragen. Eine Verdreifachung von vor dem Jugoslawienkrieg, als sich Deutschland erstmals wieder an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligte.

Augenblicklich befinden sich etwa 10.000 Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz. Klar ist auch, dass dieser Umbau nicht nur ins internationale Konzept passt, sondern auch eine Menge Geld kostet. So hat der Finanzrahmen der Bundeswehr im Jahre 2002 erstmals seit 10 Jahren wieder die 50 Mrd. DM - Grenze überschritten. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Deutschland wird - wie viele andere Länder auch - die Militärausgaben erhöhen und gleichzeitig die Ausgaben für Soziales kürzen.

Man könnte also sagen, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose und andere Gruppen finanzieren unfreiwillig die bundesdeutsche Aufrüstung. So hat der Bundesrechnungshof ermittelt, dass der Betrag für die Beschaffung neuer Waffen inklusive der Kosten für Forschung, Entwicklung und Erprobung von 4,4 Mrd. Euro 2002 auf über 7,8 Mrd. Euro im Jahre 2010 wachsen wird - immerhin + 78%!. - Ein tolles Geschäft für die Rüstungsindustrie in Zeiten allgemeiner Sparzwänge. So fordert Verteidigungsminister Struck schon jetzt: Nach 2006 muss der Haushalt der Bundeswehr weiter wachsen. Der Grund: der neue Daseinszweck der Bundeswehr: weltweite Einsätze- und zwar bei weitem nicht nur humanitäre. Nicht von ungefähr kam deshalb die Aussage des amtierenden Verteidigungsministers "wir werden Deutschland am Hindukusch verteidigen müssen". Was werden wir dort verteidigen müssen? Deutschen Boden? Abendländische Kultur? Christliche Nächstenliebe? NEIN! Es geht um Politik- und Geschäftsinteressen der Industriestaaten. Es geht um das Interesse des Großkapitals, von Konzernen, Banken und der Rüstungsindustrie. Darum geht es auch dem amerikanischen Präsidenten. Darum geht es den Damen und Herren von Weltbank, IWF und anderen Gaunern.

Wir müssen - frei von naiver Gläubigkeit - feststellen, dass die Regierung - unter heftigem Beifall der Opposition - in den letzten Jahren den Krieg als Mittel der Politik akzeptierte - spätestens seit dem Jugoslawienkrieg, dem 1. Kriegseinsatz Deutschlands nach dem 2.Weltkrieg.

Ich sage das auch, obwohl und weil ich unseren Bundeskanzler noch am 1.Mai diesen Jahres zu seiner eindeutigen Ablehnung des Irak-Krieges gratuliert und beglückwünscht habe. Dazu stehe ich heute noch. Dennoch wurde die Kehrtwende in der Sicherheitspolitik von einstigen Unterstützern der Friedensbewegung vollzogen. Das ist so - auch wenn eindeutig ist, dass die Union dies noch schneller, radikaler und konsequenter umsetzen würde.

Und genau das gilt es am Antikriegstag zu sagen:

 Krieg darf eben kein Mittel der Politik sein!

 Wir sollten unser Geld nicht für neue Waffen sondern zum Wohle der Menschen ausgeben.

 Wir sollten unseren Einfluss in der Welt für eine gerechte Weltwirtschaftordnung nutzen.

 Wir sollten dafür sorgen, dass deutsche Soldaten notfalls unser Land verteidigen, aber nicht für weltweite Kriegsoperationen zur Verfügung stehen.

 Wir sollten für den Verbot aller Waffenexporte eintreten.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Die Umsetzung dieser Forderungen wäre außerdem ein wirksames ANTI-TERROR-PROGRAMM


Frank Firsching ist DGB-Vorsitzende der Region Main-Rhön/Schweinfurt

E-Mail:   schweinfurt@dgb.de
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