Netzwerk Friedenskooperative



Antikriegstag 2003


vom:
09.09.2003

Antikriegstag 2003:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede bei der Antikriegsdemonstration am 1. September 2003 in Mainz

Rudi Friedrich

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vor wenigen Tagen erreichte uns ein Brief eines israelischen Kriegsdienstverweigerers. Er schreibt: "Sie besetzen ein fremdes Land und unterdrücken andere Menschen im Namen der Terrorbekämpfung. Menschen wie du und ich wissen, dass dies nur ein Vorwand ist, um ökonomische und politische Interessen der Herrschenden voranzutreiben."

Das schreibt Matan Kaminer an Stephen Funk. Matan Kaminer ist einer von etwa 1.500 Verweigerern in Israel. Er ist derzeit mit vier anderen vor einem israelischen Militärgericht angeklagt, da sie die Einberufung zur israelischen Armee verweigern, den Einsatz in Palästina und die Unterdrückung der Palästinenser ablehnen. Er muss damit rechnen, mit bis zu drei Jahren Haft verurteilt zu werden.

Stephen Funk ist Marinesoldat in den USA. Er hatte zu Beginn diesen Jahres eigenmächtig die Armee verlassen, weil er keine andere Möglichkeit sah, dem Angriffskrieg gegen den Irak zu entgehen. Im Frühjahr diesen Jahres erklärte er seine Kriegsdienstverweigerung und stellte sich den Militärbehörden. In seiner Erklärung schrieb er: "Ich verweigere den Krieg, weil ich nicht glaube, dass sich Frieden durch Gewalt erreichen lässt." Nun drohen auch ihm mehrere Jahre Haft wegen Desertion.

Ihnen ist klar geworden, was der Einsatz von Militär, was Krieg bedeutet. Er ist immer mit tausendfachem Tod von Menschenleben und Zerstörung von Infrastruktur, Natur und Umwelt verbunden. Krieg und die Besatzung eines anderen Landes schürt die Spannungen, erhöht die Gewaltbereitschaft zur sogenannten Lösung von Konflikten, stützt all die Kräfte, die auf militärische Mittel oder auf Terroranschläge setzen. Krieg bedeutet immer eine Militarisierung nach außen und nach innen. Der Sieg endet in einer Militärherrschaft und nicht in einer Demokratie.

"Weltweit herrschen heute 29 Kriege und 18 bewaffnete Konflikte", steht im Aufruf für die heutige Kundgebung. Das bedeutet vielfachen Tod und Zerstörung. Das bedeutet aber auch, dass für all diese Kriege und Konflikte zwangsweise rekrutiert wird, sowohl über die Wehrpflicht, mit falschen Versprechungen, wie über Razzien, Aushebungen, wilde Rekrutierungen. In vielen Ländern sind es dabei nicht nur die erwachsenen Männer, die für die Zwecke militärischer Einheiten eingefangen werden, es sind ebenso junge Frauen und Kinder.

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Antikriegstag 2003
Aber es gibt auch Tausende, die sich in den verschiedenen Kriegen der Zwangsrekrutierung widersetzen, wie Matan Kaminer in Israel, oder desertieren und verweigern, wie Stephen Funk in den USA. Sie leben in der Türkei, in Armenien und Aserbaidschan, in Russland, in Sri Lanka, im Sudan, in Kolumbien und vielen anderen Ländern. Sie alle widersetzen sich dem Ansinnen der Herrschenden, sich für ihre Zwecke missbrauchen zu lassen. Es ist eine Entscheidung, die oft höchsten Mut erfordert, angesichts der drohenden Repressionen, die von Haft über Folter bis zum Tod reicht.

Die Kriegsdienstverweigerung und Desertion ist aber noch mehr: Sie ist ein kleiner, aber bedeutender Teil des Widerstandes gegen Krieg, weil sie ins Herz des Militärs trifft, weil sich Kriegsdienstverweigerer und Deserteure der geforderten unumschränkten Verfügungsbereitschaft, dem Befehls- und Gehorsamsprinzip entziehen. Dies braucht Unterstützung. Wir fordern deshalb gemeinsam mit vielen anderen Gruppen: Verweigerer und Deserteure brauchen Asyl!

In diesem Frühjahr schien sich die Bundesregierung auf den ersten Blick gegen einen Krieg gegen den Irak zu wenden. Sie lehnte den direkten Einsatz deutschen Militärs im Irak ab. Aber es hinderte sie nicht, in erheblichem Umfang indirekte Unterstützung zu gewährleisten. In Kuwait stationierte Soldaten und Soldatinnen, AWACS-Flüge,

Überflugrechte, Sicherung von US-Kasernen sind nur einige Beispiele dafür.

Die Bundeswehr ist aber schon längst weltweit im Einsatz. Deutschland wird inzwischen ebenso am Hindukusch verteidigt, wie in den Gewässern vor Somalia. Im Verbund mit NATO und Europäischer Union werden weltweite Interessenssphären abgesteckt. Die Auseinandersetzung um den Irakkrieg hatte da das Ziel, sich auf lange Sicht hin besser positionieren zu können und die eigene Macht zu dokumentieren. Klar ist: Selbstverständlich wird das Recht in Anspruch genommen, die eigene Politik und die eigenen Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Um dies zu erkennen, reicht schon ein Blick in die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr.

Am heutigen Antikriegstag, 64 Jahre nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, fordern wir ein Ende dieser militärischen Logik. Die Wehrpflicht muss abgeschafft werden. Die Bundeswehr ist sofort aus allen Einsatzgebieten zurückzuziehen. Alle Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr sind zu stoppen. Wir brauchen keine Bundeswehr - Wir brauchen eine Entmilitarisierung der Gesellschaft!

Das wäre ein Signal: Sich bewusst der militärischen Logik, die Krieg immer als Möglichkeit der Politik sieht, zu entziehen. Erst dies schafft Raum, um all die vielen Ansätze, Menschen und Gruppen zu unterstützen, die sich in den Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt gegen die Herrschaft der Gewalt wenden. Dies schafft Raum, sich mit denen zu solidarisieren, die den mutigen Schritt gegangen sind und sich dem Kriegseinsatz verweigern. Dafür müssen wir uns einsetzen.



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