Netzwerk Friedenskooperative



Antikriegstag 2003


vom:
10.09.2003

Antikriegstag 2003:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Antikriegstag 2003

Rede an der Gedenkstätte STALAG VIIA in Oberreit bei Moosburg

Willi Scheib

Anrede

Am 1. September 1957 wurde in der BRD zum ersten Mal der "Antikriegstag" begangen. Das Datum erinnert an den deutschen Überfall auf Polen 1939. Zu diesem 1. Antikriegstag aufgerufen hatte damals die "Antimilitaristische Aktion", ein Bündnis der Sozialistischen Jugend - Die Falken, der Solidaritätsjugend, der Naturfreundejugend und der Verband der Wehrdienstverweigerer.

Krieg als Mittel der Politik,

das lehnen wir, die wir heute hier uns aktiv an der Friedens-Demonstration anlässlich des Antikriegstages 2003 an der Gedenkstätte STALAG VIIA in Oberreit bei Moosburg bereits zum 21. Male versammelt haben, rigoros ab.

Krieg löst keine Probleme!

Kriege werden heute noch mehr denn je in erster Linie aus materiellen Gründen geführt; das Geschäftsinteresse dominiert; der einzelne Mensch spielt dabei überhaupt keine Rolle.

Das Bekenntnis zum Frieden beweist sich in der Praxis leider nur zu oft als reines Lippenbekenntnis; das gilt insbesondere auch bei Auseinandersetzungen zwischen Staaten, wie uns die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart immer wieder beweist.

Deutschland ist aufgrund seiner Vergangenheit und der heutigen Situation ein idealer Standort, um neue Visionen der gewaltlosen Konfliktbewältigung aufzuzeigen. Mit Weltoffenheit, Solidarität und Brüderlichkeit und internationaler Friedensförderung können und müssen wir an Glaubwürdigkeit und Stärke gewinnen. Diese Prinzipien dürfen wir uns von niemandem nehmen lassen.

Krieg ist keine Lösung!

Krieg - auch das beweist die Gegenwart - führt zu keinem dauerhaften Frieden. Im Gegenteil: Das Hasspotential wird geschürt und ein Motivationsschub für Terroraktivitäten wird hervorgerufen.

Die Friedensbündnisse in Moosburg und Freising und der DGB-Kreisverband Freising/Erding sind in den vergangenen Monaten sehr selbstbewusst und offen gegen den Krieg in die Offensive gegangen. Dank der Unterstützung insbesondere durch die Gewerkschaften fanden in Freising, Moosburg und Erding Aktionen gegen den Irakkrieg statt.

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Antikriegstag 2003
Anrede

Hier auf dem sogenannten Russenfriedhof liegt eine unbekannte Zahl Menschen, die qualvoll Opfer des 2. Weltkrieges geworden sind; Menschen, die hier ihr Leben verloren haben; sie mahnen uns, den Frieden zu erhalten.

Der Frieden wird lange vor dem ersten Schuss, lange vor der ersten Bombe tödlich getroffen. Dabei sind nicht nur Terroristen oder Diktaturen die Täter. Auch Demokratien nehmen den Frieden ins Fadenkreuz ihrer hochgerüsteten Interessen. Wir leben - wie viele unserer Verbündeten - in einem Land mit demokratischer Verfassung. Doch stellen wir nüchtern fest, dass Demokratie im Inneren nicht davor bewahrt, sich an einer undemokratischen und gewalttätigen Außenpolitik zu beteiligen.

Weil die westlichen Demokratien in den meisten Fällen zugleich zu den reichsten Staaten gehören, steckt in ihrer rücksichtslosen Wirtschafts- und Interessenpolitik ein ungeheuerliches Gewaltpotential.

Der DGB, die vielen Friedensbündnisse und die Kirchen vertreten seit vielen Jahren ihre Ziele Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung - in dieser Reihenfolge.

Recht und Gerechtigkeit sind die Grundlagen des Friedens und der Sicherheit und nicht eine durch hochgerüstete Sicherheitspolitik und nicht ein durch wirtschaftliche Macht erzwungener Frieden, der die Rechtlosen rechtlos, die Hungrigen hungrig, die Ohnmächtigen unten hält. Es sagt sich leicht - und ist auch richtig - : Freiheit und Demokratie müssen überall durchgesetzt werden.

Die Armen und Schwachen machen aber die Erfahrung, dass der Reichtum der Reichen und ihre Rohstoffquellen mit Militär gesichert und vergrößert werden sollen - z.B. ohne Rücksicht auf Freiheit und Demokratie werden in Afrika - und nicht nur dort - bei den Warlords Diamanten und Öl gegen Waffen gekauft. Sie fragen mit wachsender Wut und Ohnmacht, wie glaubwürdig die guten Ziele von Freiheit und Demokratie von den großen Industrienationen selbst vertreten werden? Sind sie nicht zugleich auch die größten Waffenlieferanten? Sind die internationalen Waffenhändler, - es sind Staaten, Konzerne oder Privatleute -, nicht eine Mafia, der gegenüber die traditionelle Mafia wie kleine Ladendiebe aussehen? Verbünden sich die Industrienationen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht skrupellos mit Staaten, die ihrer eigenen Bevölkerung Freiheit und Gerechtigkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorenthalten, die mit Terror gegen Teile der eigenen Zivilbevölkerung vorgehen?

Unversehens gerät die notwendige Verteidigung gegen den Terror auch zum Kampf gegen elementare Menschenrechte im eigenen Land, vor allem aber gegen die Armen der Welt. Ein fantastischer Erfolg des Terrorismus!

Weil die Verteidigung gegen den Terrorismus das Gesetz des Handelns sich von den Terroristen vorschreiben lässt:

Nämlich Einschränkung der Menschenrechte und eine Bejahung der Gewalt, die darauf verzichtet, zu fragen, warum die Armen jubeln, wenn z.B. zwei Zentren westlicher Macht wie das World Trade Center und das Pentagon getroffen werden. Sie erleben den Tod von Tausenden unschuldiger Menschen täglich. Eine solche Verteidigung geschieht nicht nur mit Waffen, sondern auch mit einer aussperrenden Ausländerpolitik, mit Stacheldraht und Nachtsichtgeräten an den Grenzen des wohlhabenden Europa, Amerika oder Australien.

Eine solche Verteidigung braucht auch eine Ideologie, die die unhaltbare Situation auf unserem Globus mit schönen Floskeln zuzukleistern hilft. Damit man nicht nach den Ursachen von Ungerechtigkeit, von Flüchtlingsströmen, von Bürgerkriegen fragt, hält man sich Augen und Ohren vor der wachsenden Wut der Armen zu. So nur kann man unaufgeklärt auf wirtschaftliche und militärische Gewalt vertrauen.

Die billigste Form einer solchen Ideologie ist die im letzten Kalten Krieg erprobte: Man teilt die Welt in gut und böse ein, fühlt sich auf der Seite der Guten, behält sich vor, zu bestimmen, wer zu den Bösen gehört und wer zu den Guten. Dabei verliert man die Fähigkeit, die Lage unserer einen Welt aus der Perspektive der Habenichtse zu betrachten, einmal sich in die Lage der Millionen zu versetzen, die als Zivilisten täglich Kriegsopfer und Opfer einer zerstörten Umwelt wurden und jeden Augenblick werden. Noch immer gilt, was einmal Martin Niemöller sagte: "Unser Planet ist derartig klein geworden, dass unser Denken und Planen mit den herkömmlichen Vorstellungen nicht mehr auskommen kann. Der Zeitpunkt ist gekommen, wo nicht mehr eine Gruppe von Menschen sich auf Kosten einer anderen Gruppe - es ist die Mehrheit - das eigene Leben sichern kann."

Im selben Atemzug muss aber auch gesagt werden, dass auch extreme Armut und Unrechtserfahrungen ein fruchtbarer Boden für jene Ideologien sind, die Welt in gut und böse einzuteilen. Was bringt denn Menschen dazu, ihre Hoffnung auf Fundamentalisten zu setzen, auf Zeitgenossen, die schwierige Probleme ganz simpel machen, die Kopfnicken verlangen statt Kopfbenutzung, die auf Sprengstoff vertrauen statt auf Völkerrecht und Menschenrecht, die die eigenen Völker und Religionen missbrauchen, um den politischen Gegner zu verteufeln, damit die eigene Kampfmoral gestärkt wird? Dabei hat unsere Welt nichts nötiger als Werte wie Recht und Gerechtigkeit, Befreiung und Frieden in Taten umzusetzen.

Wo die Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit der reichen Nationen sich weigern, das Leiden und die Armut der Mehrheit der Weltbevölkerung ernst zu nehmen, gefährden sie den Frieden. Wo nationale, ökonomische oder religiöse Fundamentalisten die Armen instrumentalisieren und vorgeben, wie Al Kaida und ähnliche Gruppen sowie ihre waffengläubigen Gegner für die Rechte der Entrechteten zu streiten, bringen sie den Frieden in Gefahr und Recht und Gerechtigkeit um.

Beide Seiten benutzen doppelte Standards für sich und die anderen. Aber mit Verlogenheiten wird niemand satt. Eine zwischen arm und reich, zwischen mächtig und ohnmächtig gespaltene Rechtswirklichkeit hilft niemandem zu seinem Recht. Wir werden im Umfeld des 11. September mit patriotischem Pathos wieder hören, dass nichts mehr so ist wie es vor dem 11. September war. Das stimmt nicht. Haben wir nicht eine Neuauflage des alten, kalten Krieges, der in der Zweidrittelwelt immer ein heißer Stellvertreterkrieg war? Werden die Versprechungen von Rio und der Agenda 21 nicht mit Füssen getreten? Wird der internationale Gerichtshof in Den Haag gestärkt und ausgebaut? Verhandelt man beim Geschäft mit Kaffee und Öl, beim Verkauf von Flugzeugen und Traktoren, beim Verkauf von Minen und Handfeuerwaffen, die inzwischen zu Massenvernichtungsmitteln wurden, auch über Menschenrechte? Es geht dabei nicht nur um die individuellen Menschenrechte, sondern auch um die sozialen Menschenrechte. Sie wurden als Menschenrechtspakte mit den Stimmen fast aller Nationen in der UNO 1960 beschlossen und formulieren die Rechte auf Nahrung, Wohnung, Arbeit, körperliche Unversehrtheit, Bildung und Teilnahme am öffentlichen Leben unserer Weltgesellschaft.

Es sind drei Einsichten und Forderungen festzuhalten:

1.Die Arbeit für ein besseres Völkerrecht, die Stärkung der Vereinten Nationen und der internationalen Gerichtsbarkeit stehen auf der Tagesordnung unserer öffentlichen Debatte und Politik. Wie schaffen wir es, dass sie nicht von dort verdrängt wird? Recht ist die einzige Alternative zur Gewalt. Konflikte wird es immer geben. Aber die militärische Gewalt ist unfähig, soziale und politische Konflikte zu lösen. Das zeigt der ganze afrikanische Kontinent, Nahost und auch Afghanistan. Die zehnfache Zahl an Zivilisten im Vergleich zu Soldaten wird getötet.

2.So wie in der Medizin Prävention, Vorbeugen die halbe Arbeit ist, so auch in der Politik. Wer nicht nach den Ursachen des weltweiten Ungerechtigkeit und Konfliktherde fragt, handelt unverantwortlich.

3.Eine Politik, die sich von der Ethik der Gerechtigkeit, des Friedens und des Rechtes abkoppelt, kann zwar wunderbar die wirtschaftlichen Interessen starker Staaten vertreten, aber die sind nicht identisch mit den Interessen der Schwachen und Armen. Der Markt hat keine Moral. Wir können nicht die Macht einer Supermacht beklagen und anklagen und uns selbst für ohnmächtig halten. Was für Energien im Volk stecken, zeigten im letzten Jahr die Tschechen, Deutschen und Österreicher bei der Bekämpfung der Flutkatastrophe. Frieden und Gerechtigkeit brauchen den langen Atem solcher Energien.

Wenn wir heute auseinandergehen, dürfen wir nicht aufhören, den Politikerinnen und Politikern, die dieses Land regieren aber auch unseren Nachbarn und Bekannten zu diesen drei Punkten Fragen zu stellen.

Anrede

Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist tief besorgt über die weltweite Zunahme bewaffneter Auseinandersetzungen. Der Krieg im Irak, der Bürgerkrieg in Liberia, andauernde Spannungen in Afghanistan oder der ungelöste Konflikt im Nahen Osten sind traurige Beispiele dafür, dass wir von einem Weltfrieden noch weit entfernt sind.

Unter kriegerischen Auseinandersetzungen leidet am meisten die zivile Bevölkerung. Frauen und Kinder, alte Menschen, ethnische oder religiöse Minderheiten - sie sind die Hauptleidtragenden von Krieg und Gewalt. Ihnen gehört deshalb unsere Solidarität, ihr Schutz muss bei allen friedensschaffenden Maßnahmen oberste Priorität genießen.

Wir wenden uns mit Abscheu gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen als Kombattanten in Bürgerkriegen und Machtkämpfen vor allem in westafrikanischen Staaten.

Der DGB hat sich in aller Deutlichkeit gegen den Krieg im Irak ausgesprochen. Krieg ist keine Lösung! Darin stimmen wir mit der großen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und vielen anderen Staaten überein.

So lange, wie Armut und Elend, politische Unterdrückung und soziale Ausgrenzung das Alltagsleben der Menschen in vielen Ländern dieser Welt bestimmen, so lange werden Extremismus und Fanatismus ihren Nährboden behalten. Nur eine Politik des Ausgleichs zwischen Arm und Reich und eine weltweite Strategie solidarischer Wirtschafts- und Entwicklungspolitik kann nachhaltig ein friedliches Zusammenleben sichern.

Anrede

Das Motto des Antikriegstages 2003 lautet: "Für Frieden und eine humane und soziale Weltordnung - Gegen soziale Demontage, Aufrüstung und Krieg

Damit auch am heutigen Antikriegstag, die soziale Demontage nicht übersehen wird, möchte ich mit einem Auszug aus einem Text von Kurt Tucholsky aus den zwanziger Jahren schließen:



"Überschrift: Eine Frage

Da stehn die Werkmeister - Mann für Mann.

Der Direktor spricht und sieht sie an:

"Was heißt hier Gewerkschaft! Was heißt hier Beschwerden!

Es muss viel mehr gearbeitet werden!

Produktionssteigerung! Dass die Räder sich drehn!"

Eine einzige kleine Frage;

Für wen?



Ihr sagt die Maschinen müssen laufen.

Wer soll sich eure Waren denn kaufen?

Euere Angestellte? denen habt ihr bis jetzt

das Gehalt, wo ihr konntet, heruntergesetzt.

Und die Waren sind im Süden und Norden

deshalb auch nicht billiger geworden.

Und immer noch sollten die Räder sich drehn...

Für wen?



Das laufende Band, das sich weiterschiebt,

liefert Waren für Kunden, die es nicht gibt.

Ihr habt durch Entlassung und Lohnabzug sacht

euere eigene Kundschaft kaputt gemacht.

Denn Deutschland besteht - Millionäre sind selten -

aus Arbeitern und aus Angestellten!

Und euere Bilanz zeigt mit einem Male

einen Saldo mortale

Während Millionen stempeln gehen.

Die wissen für wen."



Geändert hat sich an dieser Haltung bis heute nichts.

Wir fordern deshalb von den politisch Verantwortlichen einzuhalten mit einer immer weiterer gehenden Demontage der Sozialsysteme und einer daraus resultierenden Gefährdung des inneren Friedens auch in unserem Lande.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei ihnen allen recht herzlich für Ihre aktive persönliche Teilnahme an der heutigen Demonstration. Wir dürfen aber auch für die Zukunft nicht aufgeben, uns tagtäglich gegen Gewalt, Krieg und soziale Demontage einzusetzen.

Denn: Jeder Tag ist Antikriegstag; nicht nur der 1. September!


Willi Scheib ist Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Freising/Erding
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