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vom:
01.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Fellbach, 1. September 2004

Rede Antikriegstag 2004

Dieter Keller (Fellbach)

Mit der Lüge ab 5.45 Uhr wird zurück geschossen entfesselte der deutsche Faschismus heute vor 65 Jahren den 2. Weltkrieg. Im August vor 90 Jahren begann der 1. Weltkrieg. Aus Anlass dieser beiden Kriege wurden wir in den letzten Wochen geradezu überschüttet mit Filmen, und Dokumentationen zu diesen Ereignissen.

Die teilweise sensationellen Vorankündigungen der Fernsehfilme und Dokumentationen hielten nicht was sie versprachen.

Im Gegenteil: Sie verschleierten die Wahrheit und die Ursachen die zu diesen Kriegen führten. Vielfach wurden diese Kriege und die Verbrechen der deutschen Wehrmacht gerechtfertigt und verherrlicht. Manchem der alten Kameraden und Wehrmachtsoffiziere die interviewt wurden, standen dabei Tränen im Gesicht. Nicht wegen den Verbrechen und den millionenfachen Toten sondern wegen ihrer angeblichen "Heldentaten" die sie in Polen und Russland, in Westeuropa, auf dem Balkan und Afrika vollbrachten und wegen des Sieges über den Faschismus.

Weder der Mord von Sarajewo war die Ursache des 1. Weltkrieges, noch war Hitler ein Wahnsinniger. Beide Kriege sind auch nicht ausgebrochen oder fielen gar vom Himmel. Kriege werden gemacht. Beide wurden und waren langfristig vorbereitet. Hinter beiden Kriegen standen ökonomische und politische Machtinteressen des deutschen Groß - und Rüstungskapitals. Faschismus und Kriege waren die Ausgeburt des Kapitalismus. In Kaiser Wilhelm dem II. und in Adolf Hitler fanden sie willfährige Helfer, die ihren Kriegskurs und Herrschaftsanspruch mit Krieg umsetzten.

Sie belogen und betrogen mit ihrer Propagandamaschinerie und massiver finanzieller Unterstützung der Banken, des Groß- und Rüstungskapitals das Volk und die Jugend. So wurden deren Hirne kriegstauglich geschossen. Keine Lüge war diesen Verbrechern dabei zuwider. Es ist die Wahrheit, die als erstes bei einem Krieg und dessen Vorbereitung auf der Strecke bleibt. Danach verfuhren auch der amerikanische Präsident Bush und das Pentagon bei ihren Begründungen für den Krieg im Irak. Diese sind zusammengebrochen wie ein Kartenhaus.

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Antikriegs-
tag 2004
Der kürzlich verstorbene Sir Peter Ustinov Schauspieler und Botschafter der UNO sagte zu den Kriegsbegründungen und diesem Krieg u.a. folgendes:

"Bush schmeichelt Saddam, wenn er behauptet, dieser sei eine Gefahr für die Welt gewesen. Er kann die USA nicht angreifen. ... Ich bedaure, dass die UNO Waffeninspekteure im Irak soviel Lebenszeit verloren haben. Sie haben keine schlimmen Waffen gefunden - und darum werden die USA welche hineintragen. Es war ein Trick der Amerikaner, das Vertrauen der UNO-Staaten zu erschleichen. Neue Weltordnung, Achse des Bösen. Das alles habe ich schon einmal gehört. Aber gegen die Informationspolitik der USA sind manche Zauberer aus dem Reichssicherheitsministerium Babys gewesen."

Mit der Ausnahme, dass Babys keine Verbrecher sind und keine Kriegspropaganda betreiben kann ich dem nur zustimmen.

Unter dem weltweiten Druck der Friedensbewegung musste dieser Krieg offiziell beendet werden. Daran hat die Arbeiter - und Friedensbewegung ihren Anteil.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kampfhandlungen der Besatzer gegen das Volk unvermindert weiter gehen. Allein in den letzten 3 Wochen wurden weit über 1000 unschuldige Menschen getötet. Was die Welt von diesem Krieg und der Kriegspolitik der USA hält zeigen die Proteste während den olympischen Spielen in Griechenland. Sie führten dazu dass Powell als Vertreter der kriegstreibenden USA seine Beteiligung an der Abschlussfeier zurückziehen musste. Und in den USA selbst fanden in den letzten Tagen die größten Massenproteste gegen Bush und den Irak Krieg statt.

Wir fordern:

 Den Abzug der Besatzer aus dem Irak. Nur so kann der Frieden hergestellt werden. Die Zukunft des Iraks muss ohne ausländische Einmischung in den Händen der Iraker liegen.

 Rücksichtslose Aufklärung darüber dass dieser Krieg auf Lügen aufgebaut war und verbrecherisch ist.

 Rücksichtslose Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen an den Foltern der Gefangenen

 Die Schäden sind von jenen zu beseitigen und zu finanzieren, die sie verursacht haben. Von der amerikanischen Öl und Rüstungsmaffia.

 Ebenso fordern wir den vollständigen Rückzug Israels aus allen besetzten palästinensischen Gebieten. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für einen Frieden im Nahen Osten.

Wie sieht die Rolle der Bundesrepublik im Irak Krieg und bei weltweiten Kriegseinsätzen aus?

Deutschland war die logistische Drehscheibe für den Irak Krieg. Ohne die Überflugrechte für die US-Luftwaffe wären deren Einsätze nur schwer möglich gewesen. Die deutschen US-Militärstützpunkte waren ganz wesentlicher Bestandteil der militärischen Infrastruktur. Abertausende in Deutschland stationierten US Soldaten setzten sich von hier in Marsch. Ramstein in der Pfalz ist der größte Umschlagplatz für die Luftwaffe der USA in Europa.

Die Bundeswehr selbst war mit AWACS-,Aufklärungsflugzeuge", in Wahrheit fliegende Gefechtsstände beteiligt. Die Bundesmarine gab am Horn von Afrika den US-amerikanischen Seetransportern Geleitschutz auf dem Weg zum persischen Golf.

3.700 Soldaten der Bundeswehr schützten US Kasernen. Damit wurde der Abzug von amerikanischen Soldaten für die Kriegführung im Irak erst ermöglicht.

Dies zeigt eine tatsächliche Antikriegsposition der Bundesregierung hat es nicht gegeben, ebenso wenig in Frankreich und Russland. Die offizielle Politik richtete sich in erster Linie gegen den Alleingang der USA. Dies wurde uns als Antikriegspolitik verkauft und jetzt versucht man uns weiszumachen, dass die Lehre aus dem Krieg ein militärisch starkes Europa sein müsse.

Zur Zeit sind etwa 7.500 Bundeswehrsoldaten weltweit im Einsatz. Doch die Kriege in Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak zeigen: Die Gewalt von Waffen löst keine Probleme. Sie vertieft sie nur und löst neue Spannungen aus.

Wenn heute vom deutschen Weg und von Deutschlands größerer Verantwortung in der Welt gesprochen wird, dann sollten deutsche Mütter und Väter anfangen sich um ihre Söhne und Töchter ernsthaft Sorge machen. Sie sollen unüberhörbar Nein sagen wenn in nahen und fernen Ländern "Deutsche Interessen" verteidigt werden sollen. Diese Interessen sind Kapitalinteressen und nicht die unsrigen. Nein wir müssen die Zeche für diese Grossmannsucht und Rüstungswahn bezahlen.

Die Kernfrage ist nicht ein "deutscher Weg" oder ein europäischer, auch dieser kann ins Verderben führen. Die Kernfrage ist, ob deutsche Außenpolitik auf Aufrüstung und eine kriegstarke, interventionsfähige Armee setzt oder auf Abrüstung und auf das friedliche Zusammenleben aller Völker.

Die Kernfrage ist den Krieg als Mittel der Politik zu ächten.

"Frieden braucht Bewegung" so lautet unser Aufruf zum diesjährigen Antikriegstag. Das gilt in doppelter Hinsicht.

Einmal für den Frieden in der Welt. gegen Kriege und Kriegsvorbereitungen.Zum anderen im Kampf gegen die Vernichtung der sozialen Sicherungssysteme und die Erhaltung der in der Vergangenheit von der Arbeiterbewegung erkämpften sozialen und demokratischen Errungenschaften. Aggressivität nach außen und Reaktion nach Inneren bilden eine Einheit. Der Zusammenhang von Hochrüstung, Kriegführung und Sozialabbau wird immer deutlicher.

Darauf hat schon Karl Liebknecht vor 90 Jahren im Zusammenhang mit der Vorbereitung des 1. Weltkrieges und der Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD hingewiesen. Er hat diesen Kurs bekämpft und Recht behalten. Zwei verheerende Weltkriege legen davon Zeugnis ab

Und was macht Bundeskanzler Schröder?

Er sieht diesen Zusammenhang auch. Doch er bekämpft ihn nicht sondern forciert ihn im Interesse des Groß - und Rüstungskapitals. Die Agenda 2010 und die Vernichtung der sozialen Sicherungssysteme stellt er explizit in Zusammenhang mit der Militarisierung Europas. In seiner Regierungserklärung vom 14. März 2003 vor dem Bundestag, bei der er erstmals die Agenda 2010 verkündete, sagte er:

"Europa muss seine militärischen Fähigkeiten weiter entwickeln. ... Um unserer deutschen Verantwortung in und für Europa gerecht werden zu können, müssen wir zum Wandel im Inneren bereit sein. Ohne die europäische Integration (hätte Deutschland) weit weniger Chancen im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das gilt ökonomisch, das gilt aber auch politisch. Es gilt übrigens auch für unser Sozialmodell und der sozialen Marktwirtschaft."

Im Klartext heißt das: Das seitherige Sozialsystem wird auf dem Altar der Militarisierung Europas und der Globalisierung geopfert. Das ist der wahre Hintergrund der eingeleiteten Vernichtung der seit mehr als 100 Jahren bestehenden sozialen Sicherungssysteme. Dies hat mit Reformen nichts aber auch gar nichts zu tun sondern damit wird das Rad der Geschichte zurückgedreht.

Agenda 2010 und ihr übelster Auswuchs Hartz IV ist eine Spirale nach unten in den sozialen Abstieg. Sie müssen weg. Belangt werden müssen die Verursacher der Arbeitslosigkeit und nicht die Arbeitslosen. Das Geld muss dort geholt werden wo es im Überfluss ist. Bei den Millionären, Multimillionären und Milliardären. Bei den Banken, Versicherungen und Konzernen.

Die sich im Gange befindende Vernichtung des Sozialstaates ist eingebettet in eine europaweite Strategie des Kapitals zur eigenen Militärmacht mit der Gefahr neuer Kriege. In der Herausbildung der Militärmacht Europas und der Vernichtung des Sozialstaates, in diesem grundsätzlichen Ziel sind sich das Großkapital und die Fraktionen im Bundestag trotz unterschiedlicher Nuancen, Namen, und Herangehensweise die einig.

Wenngleich sich Geschichte nicht wiederholt gibt es Parallelen zur Brüningschen Notverordnungspolitik. Wohin das führte ist zumindest den Älteren unter uns bekannt. Angst, Unsicherheit, Verarmung waren schon in der Vergangenheit Nährboden für nationalistische, ausländerfeindliche und rassistische Ideologie.

Auch jetzt versuchen Rechtsradikale wieder demagogisch diese Unzufriedenheit für sich zu nutzen. Dagegen distanzieren wir uns mit aller Entschiedenheit. Agenda 2010 und Hartz IV sind also nicht nur sozial sondern auch politisch ein brandgefährliches Spiel mit dem Feuer.

Es wäre notwendig den Kampf gegen diese Politik national und auf europäischer Ebene zu forcieren und zu vernetzen. Noch hat sich der DGB Bundesvorstand nicht durchringen können, zu den Montagsdemonstrationen aufzurufen und die geplanten Herbstaktionen zu unterstützen. Da solle Verständnis dafür haben wer will. Wir vom DGB Ortsverband haben dies nicht.

Dabei ist es völlig gleichgültig an welchem Wochentag demonstriert wird. Alles andere ist Ablenkungsmanöver. Soll einen Keil reintreiben in die einheitliche Front derer die Hartz IV ablehnen um leichteres Spiel haben diese asssozialen Pläne durchzupeitschen.

Deshalb fordere ich auf Beteiligt euch an den Demonstrationen und den geplanten Herbstaktionen. Übt Druck auf die DGB Spitze aus. Mit Druck von unten gelangen am 3. April europaweite Aktionen. In Deutschland beteiligten sich daran 500.000 Menschen. Warum soll das nicht zu steigern sein?

Was wir brauchen ist keine weitere Militärisierung in unserem Lande, keine Militärmacht Europa sondern deren Entmilitarisierung.

Was wir brauchen sind Arbeitsplätze statt weltweite Kriegseinsätze.

Was wir brauchen sind Abrüstung statt Sozialabbau

Was wir brauchen sind Bildung statt Bomben

Was wir brauchen ist eine drastische Senkung des Rüstungsetats und keine Umrüstung der Bundeswehr zur Interventionsarmee.

Verbot aller Waffenexporte. Keine deutschen Truppen im Ausland!

Wir müssen unser soziales Sicherungssystem gemeinsam mit allen Betroffenen hier verteidigen und nicht die Kapitalinteressen am Hindukusch wie es Herr Struck fordert.

Was wir brauchen ist die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion.

Die Spirale von Hochrüstung und Krieg, damit verbunden Ausbeutung und Unterdrückung, Hunger, Gewalt und Terror in der Welt lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab. Sie muss beendet werden. Jetzt und sofort. Beendet werden bevor sie noch mehr Hunger, Not, Elend und Zerstörung der natürlichen Umwelt und neue Kriege bringt.

Frieden schaffen ohne Waffen. Nie wieder Krieg. Das sind traditionelle Anliegen und zugleich elementare Bestandteile der Arbeiter- und Friedensbewegung.

Wir wollen keine Politik die mit Waffen bestimmt, egal ob deutsch, europäisch oder amerikanisch, wie eine neue Weltwirtschaftsordnung auszusehen hat oder wie die alte aus Armut, Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt basierende, aufrecht erhalten werden kann. Nein dagegen sind wir mit aller Entschiedenheit.

Unsere Vision ist: Eine friedliche, solidarische also eine völlig andere Welt. Sie ist möglich wenn wir den Kriegstreibern in die Hände fallen. Sie ist möglich wenn im Mittelpunkt alles Denken und Handelns nicht der Profit sondern der Mensch steht. Egal welcher Hautfarbe, Egal von welchem Kontinent, egal ob Christ, Atheist oder Moslem. Dafür kämpfen wir. Dafür steht auch unsere alte Losung "Proletarier aller Länder vereinigt euch."

Lasst mich schließen mit einem Zitat von Albert Einstein. Es stammt aus einem Briefwechsel mit Sigmund Freund veröffentlicht unter dem Titel: "Warum Krieg?"

"Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt für den Aufbau einsetzten! Ein Zehntel der Energien, die die Krieg führenden Nationen im Krieg verbrauchen, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend " um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genügend zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftssysteme oder Traditionen zu machen."

Wir gedenken nun den Toten der Kriege um die Lebenden zu mahnen, alles zu tun damit die Ursachen von Kriegen, Nationalismus, Hass, Gewalt und Unterdrückung beseitigt werden.


Dieter Keller ist Ortsverbandsvorsitzender DGB-Fellbach.

E-Mail:   keller_fellbach@t-online.de
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