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Antikriegs-
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vom:
01.09.2004


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Antikriegstag 2004:

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Rede für die Gedenkfeier der DGB-Region Stuttgart

Antikriegstag 2004 Stuttgart

Bärbel Illi

- Sperrfrist: 1.9.04, 17 Uhr! -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Ohne Antisemitismus hätten die Nazis vor 65 Jahren den zweiten Weltkrieg nicht beginnen können. Die deutsche Volksgemeinschaft wurde mit Hilfe der Ideologie des Antisemitismus geschmiedet, in den antisemitischen Pogromen der dreißiger Jahre erprobt und mit Arisierungsschnäppchen materiell unterfüttert. Der Nationalsozialismus holte sich seine Massenbasis mit Hilfe des Jahrhunderte alten europäischen Antisemitismus, der den Juden die Schuld an allen bedrohlichen Aspekten der modernen kapitalistischen Welt zuweist. An dem erfolgreichen Zusammenschluss aller Klassen und Schichten durch den Ausschluss der Juden scheiterten letztlich auch die Widerstandsbemühungen antinazistischer Kräfte.

Heute sehen 65 % der Deutschen Israel als größte Bedrohung des Weltfriedens. Die meisten Deutschen sehen die Bedrohung also nicht etwa in dem Staat, der vor 65 Jahren zum zweiten Mal einen Weltkrieg begann, und der mit der Ermordung von 6 Millionen Juden das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit beging. Sie sehen die Bedrohung nicht in dem Land, das in den letzten 5 Jahrzehnten wieder mächtig aufrüsten konnte und gleichzeitig die Losung "Nie wieder Krieg" vor sich hertrug, bis diese sich spätestens 1999 als bloße Attitüde entpuppte, als Deutschland an der Seite der islamistisch durchsetzten UCK wieder in den Krieg zog.

Warum also soll ausgerechnet Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden sein? Weil Israel das Hassobjekt derer ist, die heute tatsächlich den Weltfrieden bedrohen. Es ist der militante Islamismus. Bei den meisten kriegerischen Konflikten, die es heute gibt, ist mindestens eine der Parteien vom Islamismus inspiriert. Das ist so beim Kaschmir-Konflikt, bei dem sich zwei atomar gerüstete Länder gegenüber stehen. Es ist so bei den Kriegen im Sudan, in Tschetschenien, in Afghanistan, im Kosovo und im Irak. Es sei der Hass auf die Kreuzfahrer und die Juden, der sie antreibe, sagen die Täter und Organisatoren des Terrors. Bei genauerem Hinsehen ist der Nahostkonflikt jedoch nicht Ursache, sondern Gelegenheit. Es ist die Gelegenheit, den Westen und die Moderne als solche zu attackieren. In Wirklichkeit geht es ihnen um die Abschaffung von Aufklärung, individueller Freiheit und Vernunft zugunsten einer Scharia-Diktatur.

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Antikriegs-
tag 2004
Hieß es früher in Deutschland "Die Juden sind unser Unglück", so heißt es heute, Israel bedrohe den Weltfrieden. Ich kann da keinen großen Unterschied mehr erkennen. Denn was macht man mit der größten Bedrohung des Weltfriedens? Man eliminiert sie. Man versucht den angeblichen Störenfried aus der Welt zu schaffen oder seine Existenz zu delegitimieren. Und tatsächlich ist es heute auch so, dass die Existenz keines anderen Staates als Israels in Frage gestellt wird, - offen wie von den Mullahs im Iran oder versteckt und indirekt wie von der Bundesregierung. Auf den Landkarten in den palästinensischen Schulbüchern ist Israel bereits abgeschafft. Der ehemalige französische Premierminister Rocard sagt, die Gründung Israels sei ein historischer Fehler gewesen. In zwei, drei Jahren so wird eingeschätzt, könnten die iranischen Mullahs in der Lage sein, ihre Drohungen wahr zu machen mit Atombomben und Trägerraketen, die bis nach Tel Aviv reichen.

Bei der letzten UN-Vollversammlung wurde der Sicherheitszaun verurteilt. Von Israel wird also verlangt, dass es sich kampflos dem palästinensischen Terror ergeben soll. Obwohl die Bundesrepublik sich in ähnlichen Fällen bisher der Stimme enthalten hat, hat sie diesmal mit Nein, also gegen den Zaun gestimmt, wie alle anderen europäischen Staaten auch. Die Bundesregierung beteiligt sich somit daran, Israel zu delegitimieren.

Also ausgerechnet Europa stimmt gegen eine defensive Einrichtung wie den israelischen Sicherheitszaun. Europa, das um seine Schengen-Grenzen meterhohe dicke Mauern zieht. Nicht etwa um Selbstmörder daran zu hindern, sich vor Einkaufszentren oder Cafes in die Luft zu sprengen, sondern Flüchtlinge daran zu hindern Asyl beantragen zu können. An diesen Grenzen des Schengener Abkommens sind in den letzten Jahren mehr als tausend Menschen gestorben, nicht mitgerechnet all die unbekannten Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind. Für viele Palästinenser wird der Alltag durch den Sicherheitszaun beschwerlicher werden. Durch den Zaun als solchen wird allerdings niemand getötet werden, dafür wird er viele Terroristen abhalten, so wie es der Zaun entlang des Gazastreifens bereits jetzt leistet.

Israel bedroht kein anderes Land. Es wurde von den umliegenden arabischen Ländern mehrmals angegriffen. Dass Israel Teile von Jordanien und Ägypten, nämlich die Westbank und den Gazastreifen, besetzt hat, war das Ergebnis des 6-Tage-Krieges 1967, bei dem sich Israel gegen seine Nachbarn zur Wehr setzen musste. Einen palästinensischen Staat hat Israel noch nie überfallen, weil es noch nie in der Geschichte einen solchen gab. Die Palästinenser hatten in der Zeit von 1937 bis ins Jahr 2000 mindestens vier- oder fünfmal die Gelegenheit, ihren Staat zu gründen, dies aber jedes Mal abgelehnt, weil sie heute wie damals ein Palästina vom Meer bis zum Jordan wollen oder gar nichts. Übrigens hat Israel noch im Dezember 1967 angeboten, die besetzten Gebiete wieder zurückzugeben. Verhandlungen dazu wurden von den arabischen kriegsbeteiligten Staaten strikt zurückgewiesen.

Wieder zurück zu Deutschland. Neben dem Antizionismus nimmt hierzulande auch der althergebrachte Antisemitismus zu, der die hiesigen Juden direkt bedroht. Hohmann erklärt die Juden zum Tätervolk. Allein in diesem Jahr wurden bisher schon mehr als ein Dutzend jüdische Touristen überfallen, die sich durch ihr Äußeres als solche zu erkennen gaben. Im Juni demonstrierte die NPD in Bochum gegen den Bau einer Synagoge. Das Bundesverfassungsgericht kämpfte den Nazis den Weg frei und entschied, dass Aufmärsche gegen Synagogen zum Recht auf freie Meinungsäußerung gehörten.

Die meisten Deutschen sehen sich heute am liebsten in der Rolle des Opfers, als Nachkommen der Opfer der Bombennächte vor 60 Jahren. Die Stuttgarter Zeitung weiß, was ihre LeserInnen lesen wollen und erspart ihren Zeitzeugen unangenehme Fragen, z.B. was sie denn vor 33 gewählt haben oder warum ihren Männern und Vätern nicht schon in Russland eingefallen ist, warum es keinen Krieg mehr geben darf. Über Wochen hinweg wurde den Stuttgarter Bombennächten in jeder Ausgabe mindestens ein Artikel gewidmet. Aus Anlass von Antikriegstag oder Holocaust-Gedenktag gab es Entsprechendes noch nie.

Solche Haltungen und auch die Unfähigkeit, den Antisemitismus als Schlüsselelement im Islamismus wahrzunehmen, sind Indizien dafür, dass der Antisemitismus in diesem Land noch nicht wirklich bearbeitet ist und immer noch Geschichte schreibt. Solange dies so ist, solange Antisemitismus wirken kann, gibt es keine Sicherheit vor neuem Krieg.

Wenn Juden bedroht sind, so braucht es vor allem Solidarität mit den Juden und Kampf gegen den Antisemitismus. Wir als Stuttgarter Friedensinitiative sehen deshalb unsere Aufgabe heute darin, mit Israel solidarisch zu sein. Wie hältst du es mit Israel, ist heute zur Kernfrage in Sachen Krieg und Frieden geworden.



E-Mail:   Baerbel.Illi@t-online.de
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