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Antikriegs-
tag 2004


vom:
01.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede auf der Demonstration am Antikriegstag 1. September 2004, Heinrich-Heine-Platz, Düsseldorf

Vom "Freiwilligen Arbeitsdienst" (FAD) zu Hartz IV

Frank Laubenburg (Düsseldorf)

- Sperrfrist: 1. September, 17.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

als heute vor 65 Jahren der deutsche Überfall auf Polen und damit der 2.Weltkrieg begann, waren von den Nationalsozialisten, Militärs und Wirtschaftsbossen die Grundlagen dafür gelegt, dass es aus der Bevölkerung kaum noch Widerstand gegen die Kriegspolitik gab. Die Zerschlagung der Arbeiterbewegung, ihrer Parteien und Gewerkschaften war vollzogen, die Verfolgung der Juden hatte mit der Reichspogromnacht einen ersten Höhepunkt erreicht, mit dem "Vier-Jahres-Plan" wurde 1936 das Ziel definiert, die deutsche Wirtschaft und die Wehrmacht in vier Jahren kriegsfähig zu machen. Gleichzeitig wurden die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, das öffentliche Leben militarisiert und zentrale Konzentrationslager, wie z.B. Buchenwald, errichtet.

Außenpolitisch war der Spielraum durch die Übertretung der Abmachungen des Versailler Vertrages längst erweitert toleriert durch die französische und britische Politik.

"Hitler bedeutet Krieg", das hatten bereits im Januar 1932 unsere Kameradinnen und Kameraden wenige Meter von hier entfernt vor dem Industrieclub deutlich gesagt, als Hitler dort seine berühmte Rede zum Schulterschluss zwischen Industrie und NSDAP hielt.

Dieser Schulterschluß war auch die logische Folge einer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von der SPD unter Kanzler Müller, den konservative Parteien und der Wirtschaft in den letzten Jahren der Weimarer Republik umgesetzt wurde und zu deren Durchsetzung die Schwächung der Arbeiterbewegung absolut notwendig war. Was kam da gelegener als die NSDAP?

Am 5. Juni 1931, die Arbeitslosenstatistik erfasste fünf Millionen Erwerbslose, erließen Kanzler Brüning und Präsident Hindenburg ihre "Zweite Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen". Kernpunkte der Arbeitsmarktreform waren damals

 der Abbau der Tariffreiheit

 die Herabsetzung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

 Steuervergünstigungen für Unternehmer

und die "Förderung" des sogenannten "Freiwilligen Arbeitsdienstes". Die Rechtsparteien, darunter die NSDAP, hatten vor allem seit Beginn der Wirtschaftskrise eine Arbeitsdienstpflicht gefordert.

Das FAD-Programm richtete sich in erster Linie an arbeitslose jugendliche Männer, zugelassen waren aber alle vom Staat unterstützten arbeitslosen Männer. Es sollten der Allgemeinheit dienende Arbeiten wie Verkehrsprojekte ausgeführt werden. Die Teilnahme am Arbeitsdienst war "freiwillig", im November 1932 erreichte der FAD nach seiner "Öffnung" für Frauen - mit 285.000 Personen einen Höhepunkt.

Bereits kurz nach der Machtübergabe an die NSDAP wurde der "Freiwillige Arbeitsdienst" zum Reichsarbeitsdienst umgewandelt, der für Männer bis 25 Jahre obligatorisch wurde und für Frauen freiwillig blieb. Mit "Spaten und Ähre" zogen Hunderttausende für eine kaum über dem Arbeitslosengeld liegende Bezahlung auf, die deutschen Reichsautobahnen und den Westwall zu bauen, ein "Ehrendienst am deutschen Volke".

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland gleicht heute denen in der Endphase der Weimarer Republik. Auch HARTZ IV als Programm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterscheidet sich kaum von den Brüningschen Notverordnungen.

 Abbau der Tariffreiheit

 Herabsetzung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

 Steuervergünstigungen für Unternehmer und die massenhafte Schaffung sogenannter "Arbeitsgelegenheiten", die dem entsprechen, was der Freiwillige Arbeitsdienst dereinst war.

Was hat das mit dem Antikriegstag zu tun, was mit der VVN-BdA?

Sehr viel. Wir wissen, Kriege brechen nicht aus. Sie werden vorbereitet und geführt. Und zu ihrer Vorbereitung gehört zwangsläufig die Ausschaltung der oppositionellen Strömungen, gehört zwangsläufig die vorherige Einschüchterung und Verängstigung der jeweils eigenen Bevölkerung, auf dass sie den vermeintlichen Autoritäten folgt. Nur dann kann es gelingen, den Widerstand gegen den Krieg klein zu halten.

Der Sozialabbau und die weitere Verarmung hunderttausender in unserem Land, der damit verbundene Ausschluss Langzeitarbeitsloser vom gesellschaftlichen Leben soll auch die sozialen Bewegungen treffen, soll auch politische Einmischung und Gegenwehr schwächen. Für unsere Organisation, der neben den überlebenden Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen den Faschismus zahlreiche Antifaschistinnen und Antifaschisten der jüngeren Generationen angehören, ist vollkommen klar: Faschismus und Krieg bedürfen zu ihrer Durchsetzung der ungleichen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

Und deshalb darf man gerade heute, am 65. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, auch nicht schweigen zu den aktuellen sozialen Fragen in der Bundesrepublik.

Wir, Antifaschistinnen und Antifaschisten, Friedensaktivistinnen und -aktivisten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Christinnen und Christen und in den sozialen Bewegungen Engagierten, müssen enger zusammenrücken und gemeinsam Krieg, Faschismus und Sozialabbau bekämpfen.

Danke für Ihre und Eure Aufmerksamkeit.


Frank Laubenburg ist aktiv bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in Düsseldorf.

E-Mail:   frank@laubenburg.de


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