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vom:
02.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede-Beitrag zum Antikriegstag 2004 in Tübingen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Gerlinde Strasdeit (Tübingen)

- Frage: - Was hat der Irakkrieg mit Hartz IV zu tun?

Eine Antwort finden wir in der Zeitschrift Markt und Chance, Ausgabe vom 19. August, herausgegeben von der Bundesagentur für Arbeit.

Unter der Rubrik "Arbeitsplätze und Praktika im Ausland" werden sogenannte Sicherheits-dienstleistungs-kräfte gesucht. Einsatzort ist der Flughafen Mosul im Nordirak. Aufgabe: Objektüberwachung, Personenkontrolle, Patrouillendienste.

Voraussetzungen: IHK-Prüfung, Waffenkenntnis, Englischsprachkenntnisse, jünger als 45.

Das Angebot des Arbeitgebers lautet: deutscher Arbeitsvertrag, überdurchschnittliches Gehalt, zuzüglich Auslöse, Freiflüge, freie Unterkunft und - Lebensversicherung.

Arbeitsantritt ist der 1. September, also heute ! Zuständig ist die zentrale Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Bonn. Ich sage: das ist Werbung für deutsche Kriegsbeteiligung in versteckter Form.

Die Vermittlung paramilitärischer Kräfte in den Irak geschieht in offiziellem Auftrag. Damit übernimmt die Bundesregierung - nach der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte - weitere hoheitliche Aufgaben im Irak.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Arbeitsstellen mit übertariflichem Gehalt, dazu Auslöse und obendrauf noch eine Lebens-versicherung gratis - das wird vom Arbeitsamt in diesen Tagen wahrlich nicht sehr oft angeboten. Das bietet man sonst nur Söldnern. Zweck der Übung ist, deutsche Firmen an der Kriegsbeute im Irak zu beteiligen.

Ansonsten ist die herrschende Politik weniger großzügig bei Arbeitsangeboten. Arbeitszeitverlängerung für abhängig Beschäftigte, Ausbau des Niedriglohnsektors und Ein-Euro-Jobs für die zukünftigen Bezieher von Arbeitslosengeld II.

Am Tübinger Klinikum erleben wir gerade den Ausstieg aus dem Tarifvertrag. Das bedeutet: weniger Lohn, längere Arbeitszeit, Streichung von Urlaubsgeld und weniger Weihnachtsgeld.

Mit der Agenda 2010 erleben wir den schärfsten Angriff auf das Sozialstaatsprinzip und die Gewerkschaften seit Gründung der Bundesrepublik. Das Prinzip der paritätischen Finanzierung in der Sozialversicherung für abhängig Beschäftigte wird zugunsten der Arbeitgeber weiter ausgehölt. Stichwort 10 Euro Praxisgebühr. - Elemantare Grundleistungen werden gestrichen: Stichwort Zahnersatz. - Erwerbslose und Sozialhilfeberechtigte werden entrechtet und in die Armut gedrückt. Stichwort: Hartz IV -

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Antikriegs-
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Das alles bedeutet soziale Ausgrenzung von oben. Schaut in die Altenpflegeheime: Dort leben Menschen, die nach Jahrzehnten Erwerbstätigkeit auf ein Taschengeld von 89 Euro gesetzt werden und sich Fußpflege und Friseur nicht mehr leisten können. Schaut in die Schulen und Kindergärten, wo steigende Kinderarmut immer deutlicher sichtbar wird.

Das nenne ich Krieg nach innen.

Sozialabbau hier - und deutsche Großmachtpolitik auf internationalem Parkett. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

Neue Rüstungsprojekte florieren - unter Schröder und Fischer: Ist das sozial ? - Ist das ökologisch? Nein!

Und weltweit sind Rüstungsexport und Krieg die brutalsten Produzenten von Armut und Hunger.

Die reiche Bundesrepublik erfüllt nicht ihre international eingegangene Minimalverpflichtung zur Entwicklungshilfe. Aber sie leistet sich Panzertruppen in Afghanistan, Bundesmarine am Horn von Afrika, militärische Dauerpräsenz auf dem Balkan - das ist Deutsche Interventionsfähigkeit - zu Land - zu Luft und zu Wasser, möglichst in aller Welt - das kostet Milliarden.

Wir wollen keine neuen High-tech-Panzer, keine neuen Bomber, Großraum-Transportflugzeuge, Kriegsschiffe, Militärsateliten und keine Nato-Pipeline von Bodelshausen bis ans schwarze Meer - wir wollen keine neue Aufrüstungswelle in Europa. Das kostspielige MEADS-Luftverteidigungssystem kostet 4 Milliarden Euro allein an Entwicklungskosten. (MEADS = Medium Extended Air Defense System " nach Einschätzung von Experten ist das neben dem Eurofigther das kostspieligste Rüstungsprojekt)

Der EU-Verfassungsentwurf legt alle europäischen Staaten fest auf die Pflicht zur militärischen Aufrüstung. Dieser Passus muss gestrichen werden! Wir wollen eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Frieden und zur Abrüstung, nicht zum Krieg, nicht zur europäischen Militarisierung!

Wir fordern Abrüstung statt Sozialabbau - Verzicht auf die großen Rüstungsprojekte - und wir fordern Stopp des Rüstungsexports, so wie uns das SPD und Grüne im letzten Jahrzehnt mal versprochen haben.

Wir fordern Schuldenerlass und gerechtere Handelsbedingungen für die armen Länder - insbesondere von Seiten der Europäischen Union.

Wir fordern die Beendigung der Bundeswehreinsätze in aller Welt.

Wir wollen eine andere Gangart in der Sozialpolitik und eine gerechtere Verteilung des Reichtums im Land. Dazu gehört eine solidarische Finanzierung der Sozialversicherungen und dazu gehört die Besteuerung der großen Vermögen statt die Ausplünderung der Schwächsten.

Abschliessend fordre ich dazu auf, die Tübinger Montagsdemonstrationen zu unterstützen, nächste Gelegenheit, kommender Montag 18 Uhr, Europaplatz.


Gerlinde Strasdeit ist Personalrätin in der Uniklinikum Tübingen.

E-Mail:   strasdeit@t-online.de
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