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Antikriegs-
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vom:
02.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag 2004 in Düsseldorf

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Friedensfreunde,


Hermann Kopp

ich begrüße Euch im Namen des Düsseldorfer Friedensforums und des Friedensnetzes Düsseldorfer Christen zu unserer Kundgebung anlässlich des heutigen Antikriegstags.

Der Antikriegstag wird seit 8 Jahrzehnten begangen. In den 20er Jahren war das am 1. August, in Erinnerung an die Massenschlächterei des 1. Weltkriegs, der am 1. August 1914 begonnen hatte; 1947 entschieden sich die Friedenskräfte für das Datum 1. September, den Tag, an dem 1939 Hitler sein "Ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen" durch den Äther schnarrte und damit den Überfall auf Polen bekannt gab. Es war bekanntlich eine doppelte Lüge. Der erste Schuss auf polnisches Territorium fiel bereits um 4.45 h, und von "Zurückschießen" konnte keine Rede sein: der angebliche polnische Angriff auf den Sender Gleiwitz war von den Nazis selber inszeniert; er war genauso eine Erfindung wie in den 60er Jahren die angeblichen vietnamesischen Schüsse auf US-Kriegsschiffe im Golf von Tonking, mit dem die USA die Ausweitung des Vietnamkriegs rechtfertigten, wie 1999 das "Massaker von Racak", das der NATO als Vorwand für ihren Angriff auf Jugoslawien diente, wie Saddams Massenvernichtungswaffen, mit denen Bush und Blair letztes Jahr die Notwendigkeit des Überfalls auf den Irak begründeten.

Die Invasion in Polen wurde von der NS-Regierung und der deutschen Wehrmacht systematisch vorbereitet. Und, wohlgemerkt, nicht nur von den Politikern und den Militärs; ihre Auftraggeber saßen in den Konzernetagen - vielfach der selben Konzerne, die hierzulande auch heute noch tonangebend sind.

Nur wenige Schritte von unserem Kundgebungsort entfernt, im heutigen Steigenberger-Hotel, tagte Anfang 1932 (und tagt noch heute!) der Industrieclub, vor dem Hitler sein Programm der Aufrüstung, der Kriegsvorbereitung und des Terrors gegen die Arbeiterbewegung darlegte. Er bekam dafür den ungeteilten Beifall der versammelten creme de la creme der deutschen Großindustrie - und er bekam von ihr zig Millionen Reichsmark, samt der "moralischen" und politischen Unterstützung, die ihm 1 Jahr später an die Macht verhalf.

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Antikriegs-
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Das Ergebnis ist bekannt. Mit dem Überfall auf Polen begann der 2. Weltkrieg. Er kostete 55 Millionen Menschen das Leben und verwandelte große Teile Europas, nicht zuletzt Deutschland selbst, in ein Trümmermeer.

Beteiligt an den Kriegsplanungen waren übrigens auch nicht wenige der Offiziere, die vor kurzem anlässlich des 60.Jahrestages des 20. Juli 1944 als "Helden des Widerstandes" geehrt wurden. Das sollte, bei aller Achtung für ihren Mut, nicht vergessen werden.

Und erst recht nicht vergessen werden sollte, dass es auch in Deutschland Kriegsgegner gab, vorwiegend aus der Arbeiterbewegung, die nicht erst gegen den Krieg kämpften, als er bereits verloren war. Sie warnten schon vor 1933: "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg", sie versuchten auch unter der faschistischen Diktatur, die Bevölkerung über die Kriegspolitik aufzuklären, sie warnten vor den Folgen der Aufrüstungspolitik und militärischer Abenteuer.

Diese konsequenten Kriegsgegner sind Teil einer Tradition, die zu den besten Teilen unserer Geschichte gehört.

Sie waren es, die 1945 im befreiten KZ Buchenwald schworen "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg" - und damit einer Überzeugung Ausdruck verliehen, die allen Opfern der hitlerfaschistischen Aggression zunächst gemeinsam war.

Eine Konsequenz dieser Überzeugung war die Gründung der UNO und eine Stärkung des Völkerrechts durch die Ächtung von Angriffskriegen. Eine andere ist das ausdrückliche Verbot von Angriffskriegen und ihrer Vorbereitung im 1949 verabschiedeten Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Doch die UNO-Charta wird von den USA, deren Weltherrschaftsambitionen hinter denen des faschistischen Deutschlands nicht zurückstehen, seit langem missachtet. Das Friedensgebot des Grundgesetzes wird von der Regierung der Bundesrepublik offen verletzt: Vor 5 Jahren war die Bundeswehr an dem Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien beteiligt, und heute betont "Verteidigungs"minister Struck sogar, das "mögliche Einsatzgebiet der Bundeswehr (sei) die ganze Welt".

Zur Zeit sind über 7.000 Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz. Das soll erst der Anfang sein: Die Bundeswehr wird fit gemacht für den Einsatz im Rahmen der schnellen Eingreiftruppen von NATO und EU. Entsprechend muss neues Kriegsgerät angeschafft werden. Neue Eurofighter, Airbus, Kampf- und Transporthubschrauber, Schützenpanzer, lasergelenkte Bomben, Fregatten, Korvetten und U-Boote werden den Militärhaushalt stetig wachsen lassen, während gleichzeitig mit der Agenda 2010 der Sozialabbau betrieben wird.

Das ist Teil einer EU-weiten Politik. Die Europäische Sicherheitsdoktrin übernimmt eine "Präventiv"kriegsstrategie, die der der USA gleichkommt, und verletzt damit ebenfalls die Charta der Vereinten Nationen. Und der EU-Verfassungsentwurf verpflichtet die Mitgliedstaaten, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Einen solchen Zwang zur Aufrüstung hat bisher noch keine Verfassung vorgeschrieben.

Dagegen heißt es, sich heute zur Wehr zu setzen. Wenn die Kriegsgegner in den 1930er Jahren trotz faschistischer Propaganda, trotz Gestapo und Drohung mit dem KZ sich nicht davon abhalten ließen, ihre Haltung gegen den Krieg öffentlich zu machen, sollte es für uns " sollte friedensbewegte Menschen unter den heutigen Bedingungen ein vielfach Leichteres sein, gegen die Kriegspolitik die Stimme zu erheben.

Dabei Gehör zu finden - das ist, wir wissen es, auch heute nicht einfach. Denn, um abschließend Bert Brecht zu zitieren, der schon 1952 in einer Adresse an den Völkerkongress für den Frieden schrieb:

"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer... Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele.

Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeigen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohe Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."



E-Mail:   GBlomberg@t-online.de
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