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Antikriegs-
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03.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zur Umzingelung des Fliegerhorstes/Atomwaffenlager in Büchel am 5.9. 2004

Liebe Freundinnen und Freunde

Bernd Hahnfeld (Büchel)

Von diesem Ort aus sollen Tod und Leiden für Millionen Menschen, und unvorstellbare Vernichtung über die Welt gebracht werden. Ein großes "befreundetes" Land, mit einer kriegerischen und gewalttätigen Regierung1 die ohne jeden Respekt vor der Selbständigkeit anderer Länder ist, ohne jeden Respekt vor dem internationalen Recht, die nur nach dem eigenen Vorteil handelt, um ihre Macht zu sichern und auszuweiten, dieses Land hat hier die gefährlichsten Waffen stationiert, die es in der Menschheitsgeschichte je gegeben hat. Es bedarf nur eines NATO-Befehls und die von US-Soldaten bewachten Atombomben werden unter deutsche Flugzeuge gehängt. Deutsche Piloten fliegen dann zu den Zielorten und werfen die Bomben ab.

Es hat Gründe, dass dieser Militär-Standort - getarnt in reizvoller Landschaft - auf keiner meiner Landkarten verzeichnet ist. Was hier geschieht, scheut das Licht der Öffentlichkeit. Es ist illegales Regierungshandeln - weitaus gefährlicher als jede organisierte Kriminalität.

Sind wir dem wehrlos ausgeliefert? Was meinen eigentlich unsere verantwortlichen Politiker dazu? Auf ihre Meinung kommt es entscheidend an. Denn seitdem Deutschland mit dem 2+4-Vertrag 1990 souverän geworden ist, ist die Stationierung ausländischer Waffen ohne die Zustimmung unserer Regierungen gar nicht möglich.

Alle us-amerikanischen Atombomben befinden sich mit Wissen und Wollen der deutschen Regierungen hier. Unverändert gilt, was die Bundesregierung 1993 gegenüber dem Bundestag erklärt hat: Sie befürworte die Stationierung der Atomwaffen und sie werde sich weder für ihren Abzug noch für den Verzicht auf den Ersteinsatz einsetzen. Denn das "würde die Kriegsverhütungsstrategie aushöhlen"! Mit deutscher Unterstützung setzt die NATO weiterhin auf den potentiellen Einsatz der hier stationierten Atomwaffen. Das verstört nicht nur gegen jede Ethik und Moral, es ist auch rechtlich verboten.

In einem auf Veranlassung der UN-Vollversammlung eingehalten und völkerrechtlich verbindlichen Rechtsgutachten hat das oberste Gericht der Welt, der Internationale Gerichtshof in Den Haag am 8.7.1996 entschieden, dass die Bedrohung durch und die Anwendung von Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtswidrig ist. Völkerrechtlich erlaubt wären auch im Falle der Notwehr oder Nothilfe allenfalls Waffen,

 die unterscheiden zwischen kämpfender Truppe und Zivilbevölkerung,

 erlaubt wären allenfalls Waffen, die keine unnötigen Grausamkeiten und Leiden verursachen und

 erlaubt wären allenfalls Waffen, die unbeteiligte und neutrale Staaten nicht in Mitleidenschaft ziehen.

All das können die hier stationierten Atombomben nicht. Der Internationale Gerichtshof hat ausdrücklich erklärt, dass keiner der Staaten, die in dem Gerichtsverfahren für den Atomwaffeneinsatz eingetreten sind, dargelegt hat, unter welchen Bedingungen ein so begrenzter Einsatz möglich wäre, dass er eine Anwendung rechtfertigen könnte.

Der Einsatz der hier gelagerten Atombomben kann unter keinerlei Gesichtspunkt völkerrechtlich gerechtfertigt werden. Die Stationierung jeder einzelnen Atombombe hier in Büchel ist illegal. Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten weigern sich, die unmissverständliche und verbindliche Rechtsauslegung des Internationalen Gerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen.

Die Regierungen verstoßen aber nicht nur gegen die zum Völkergewohnheitsrecht gewordenen Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts Auch unter weiteren Gesichtspunkten ist ihr Verhalten rechtswidrig:

Die NATO-Mitgliedsstaaten zeigen keine Bereitschaft, Verhandlungen mit dem Ziel der völligen nuklearen Abrüstung zu führen und abzuschließen. Vielmehr haben sie wiederholt und zuletzt im Dezember 2003 im Nordatlantikrat erklärt, dass die in Europa stationierten Atomwaffen ein essentielles Bindeglied zwischen den NATO-Staaten bleiben. Damit verletzen sie vorsätzlich die Verpflichtung aus dem Nichtverbreitungsvertrag, "in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung (Entwaffnung) in allen Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle" führen.

Ein weiterer Rechtsbruch ist die sogenannte "nukleare Teilhabe" Deutschlands, die bedeutet, dass im Einsatzfall deutsche Piloten die us-amerikanischen Atombomben übernehmen und mit Bundeswehrflugzeugen zu den Ziel orten fliegen.

-Rechtswidrig ist die "nukleare Teilhabe", weil Art. 2 des Nichtverbreitungsvertrages auch Deutschland verpflichtet, "Kernwaffen oder Sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemanden unmittelbar oder mittelbar anzunehmen".

-Rechtswidrig ist die "nukleare Teilhabe" auch, weil Deutschland in Art. 3 des 2+4-Vertrages von 1990 "auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen" verzichtet hat.

Spätestens indem deutsche Soldaten die Waffen transportieren und abwerfen, haben sie die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie und besitzen sie- Ebenso wie der Einsatz selbst sind das einsatzbereite Stationieren der Fliegerstaffel hier vor Ort und das Üben von Atomwaffeneinsätzen gravierende Verstöße gegen das Völkerrecht.

Vielleicht fragt Ihr Euch, ob Politiker und Militärs so etwas folgenlos tun können. Müssen sie nicht vor Gericht gestellt werden?

Der Einsatz der hier stationierten Atombomben wäre wegen der genannten Folgen in keinem Fall zu rechtfertigen und deshalb ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 und ein Kriegsverbrechen nach Art. 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshof. Der Atomwaffeneinsatz wäre auch ein Kriegsverbrechen gemäß § 11 des deutschen Gesetzes zur Ausführung des Völkerstrafgesetzbuchs und er wäre Mord und ein Verstoß gegen zahlreiche weitere Tatbestände des StGB. Auch Beihilfe wäre strafbar.

Juristisch nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ob die von den Regierenden aller NATO-Mitgliedsstaaten wiederholt bekräftigte einsatzbereite Stationierung der Atomwaffen bereits als strafbarer Versuch der genannten Verbrechen zu bewerten ist. Das hängt davon ab, ob die Täter mit der Stationierung bereits einen wesentlichen Schrift hin zur Tatausführung gemacht haben bzw. nach deutschen Strafrecht die Täter nach ihrer Vorstellung zur Verwirklichung der Tatbestände unmittelbar angesetzt haben. Es spricht vieles dafür, die Atomwaffenstationierung nicht nur als straflose Vorbereitungshandlung sondern als strafbaren Versuch anzusehen. Denn es bedarf ledi9lich des Einsatzbefehls, um die von der Stationierung ausgehenden Gefahren für eine Vielzahl von Menschen und für die Umwelt zu konkreten Schäden werden zu lassen. Außerdem lassen sich die Möglichkeiten eines versehentlichen oder "unberechtigten" Einsatzbefehls oder technisches Versagen der Sicherungssysteme nicht völlig ausschließen.

Letztlich müssen das die Staatsanwaltschaften beim Internationalen Strafgerichtshof und den deutschen Gerichten beantworten. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie sich mit diesen Fragen ernsthaft auseinandersetzen. In Deutschland sind Staatsanwälte verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Ein Anfangsverdacht dürfte aufgrund der konkreten Tatsachen

 der politischen Zustimmung zur NATO-Nuklearstrategie,

 der Zustimmung zur Stationierung der Atomwaffen und

 der sog. "nuklearen Teilhabe" nicht zweifelhaft sein.

Festhalten können wir in jedem Fall: Die Stationierung der Atomwaffen ist völkerrechtswidrig und ihr Einsatz wäre ein Verbrechen1 für das alle Verantwortlichen und alle am Einsatz Beteiligten strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen wären. Wir stellen fest, dass unsere Regierung sich in Fragen von Krieg und Frieden nicht an Recht und Gesetz hält. Sie hat nicht nur Deutschland völkerrechtswidrig in die Kosovo- und Afghanistan-Kriege hineingeführt und unter Mißachtung unser Gesetze die Nutzung der US-Militärstandorte als Aufmarsch- und Or9anisationsgrundlage für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der U5A gegen Irak gestattet, unsere Regierung bringt in blinder Vasallen treue darüberhinaus durch die völkerrechtwidrige Atombombenstationierung unser Land in große Gefahr.

Wir demonstrieren hier, um unsere Öffentlichkeit auf den permanenten Rechtsbruch aufmerksam zu machen. Wir fordern, die Atomwaffenstationierung rechtstaatlich zu behandeln, d.h. die Zustimmung zur Stationierung ausdrücklich zurückzunehmen und die USA zum sofortigen Abtransport der Atomwaffen aufzufordern.


Bernd Hahnfeld ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der IALANA und Richter (inzwischen aber im Ruhestand).
Internet: http://www.ialana.de


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