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Antikriegs-
tag 2004


vom:
08.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede am 1. September 2004 in Stuttgart

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,


Cuno Hägele (Stuttgart)

- Sperrfrist: 1. September 2004, 17 Uhr-



1. September 2004

Gedenktag ?

Vor 90 Jahren im August 1914 begann der I. Weltkrieg

Jahrestag ?

Vor 65 Jahren am 01.September 1939 begann der II. Weltkrieg.

1. September 2004

Gedenktag ?

Vor 59 Jahren am 11. August 1945 wurde die Atombombe über Hiroshima und Nagasaki gezündet

Jahrestag ?

Vor 59 Jahren am 8. Mai 1945 erfolgte die Befreiung vom Faschismus



1. September 2004

Gedenktag ?

seit 1945 wurden unzählige Kriege in der Welt geführt

Jahrestag ?

Kriegseinsätze der Bundeswehr in Jugoslawien und Afghanistan



1. September 2004

Antikriegstag!



Am 1. September 1939 überfiel die hochgerüstete Deutsche Wehrmacht Polen. Mit diesem verbrecherischen Überfall begann der 2 Weltkrieg. Nicht einmal ganze 21 Jahre nach dem Ende des I. Weltkrieges wurde wieder in deutschem Namen und von deutschem Boden Europa und die Welt mit Krieg überzogen.

Das Ergebnis ist bekannt, fast 55 Millionen Menschen ( 54.800 000) verloren in diesem Wahnsinn ihr Leben, allein in der damaligen Sowjetunion sind über 20 Millionen Tote zu beklagen. Millionen Tote in den Konzentrationslagern, sechs Millionen ermordete Juden, der deutsche Faschismus kannte keine Hemmungen. Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und Christen, Sinti und Roma wurden in den Konzentrationslagern hingemordet. Diese grauenhafte Bilanz einer systematischen Menschenvernichtung unvorstellbaren Ausmaßes können und wollen wir nicht vergessen. Wir haben die bitterste Lektion unserer Geschichte gelernt.

"Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg"

"Nie wieder darf von deutschem Boden Krieg aus gehen", so die Überzeugung vieler Menschen damals - nach der sogenannten Stunde Null, nach der Befreiung von Faschismus und Krieg am 8. Mai 1945 . Carlo Schmid (SPD) hat es einmal so formuliert: "Man darf getrost den Satz wagen, der Antimilitarismus ist die eigentliche Weltanschauung der Jugend nach dem Kriege geworden." Und in Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es unmissverständlich: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

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Antikriegs-
tag 2004
Heute erleben wir die verhängnisvolle Abkehr von diesem Grundsatz: "Nie wieder Krieg von deutschem Boden". Die Kriegseinsätze der Bundeswehr in Jugoslawien und Afghanistan bedeuten einen tiefen Einschnitt und einen Wechsel in der Politik der Bundesrepublik. Die alte Vorgehensweise des Militarismus, den Primat der Politik durch eigene Zielsetzungen zu ersetzen, bestimmt auch heute wieder die politischen Strukturen der deutschen Rüstungs- und Sicherheitspolitik. Am 13. Januar diesen Jahres wurde in Spiegel online der Bundesverteidigungsminister Struck mit der Aussage zitiert "Mögliches Einsatzgebiet für die Bundeswehr ist die ganze Welt."

In Ziffer 57 der Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 23.05.03 heißt es dazu: "Künftige Einsätze lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen. Der politische Zweck bestimmt Ziel, Dauer und Art eines Einsatzes."

Die Bundeswehr wird um die sogenannte "außenpolitische Handlungsfähigkeit" zu erlangen zur weltweit einsetzbaren Eingreiftruppe um- und aufgerüstet. Dies dokumentiert die verfassungswidrige Neuausrichtung der Bundeswehr, welche durch die deutschen Militärs vorbereitet und durchgeführt wird.

Während sich die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" noch nicht zum Prinzip "vorbeugender Militäreinsätze" bekennen, fordert die Konrad-Adenauer-Stiftung das "Verständnis von Verteidigung" neu zu definieren. Der Leiter der Abteilung Planung und Grundsatzfragen der Stiftung, Karl-Heinz Kamp, fordert eine Debatte über die "völkerrechtliche Zulässigkeit von Präventivschlägen". "Vorbeugende Militäreinsätze", um größeren Schaden zu verhindern ?

Allein solche Überlegungen widersprechen Artikel 26 Abs.1 des Grundgesetzes. Sie machen aber deutlich, dass mittlerweile die neue Rolle der Bundesrepublik vor allem wirtschaftlich, machtpolitisch und militärisch definiert wird. Sie verfolgt zunehmend auch wieder militärisch selbstbewusst die Durchsetzung eigener bzw. europäischer Interessen.

"Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Emanzipation im Äußeren und den Reformen zur Wiedererlangung der ökonomischen Kraft" konnte man im Spiegel nachlesen als es um den Begründungszusammenhang für die AGENDA 2010 und damit für den massivsten Sozialabbau in der Geschichte der Republik ging. Eine zunehmend militarisierte Aussenpolitik wird durch eine entsprechende Innenpolitik abgestützt. Sozialabbau nach innen und Aufrüstung nach aussen.

Der Zusammenhang zwischen Rüstung und Sozialabbau, er ist offenkundig. Wenn zur Verbesserung der sogenannten Verlegefähigkeit die Anschaffung von

180 Eurofightern,

60 militärischen Großflugzeugen

3800 gepanzerten Militärfahrzeugen

152 Hubschraubern

dazu Fregatten, U-Boote, Satellitensysteme, Raketen und vieles mehr beschlossene Sache ist, wenn also solche Beschaffungen Vorrang habe vor Krankenhäusern, Schulen, Altenheimen und Kindergärten dann hat die Rüstung Vorrang vor der sozialen Sicherheit der Menschen. Wohlgemerkt hier werden rund 60 Milliarden ausgegeben die im wesentlich nichts mit Landesverteidigung und Sicherheit zu tun haben, aber eine Menge mit Auslandseinsätzen und imperialen Interessen.

Und immer noch gilt, was Leonhard Mahlein der ehemalige Vorsitzende der IG Druck und Papier auf dem Gewerkschaftstag 1980 sagte:

" ...jeder Schritt vorwärts in der Rüstung bedeutet einen Schritt rückwärts nicht nur auf dem Felde der politischen, sondern auch der sozialen Sicherheit..."

Angesichts der sozialen Probleme in diesem Land fordern wir als ersten Schritt eine drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben. Rüstungskonversion - Umstellung von Rüstungs- auf zivile Produktion statt Aufrüstung. Frieden schaffen ohne Waffen, das ist noch immer unsere Losung.

Heute operieren deutsche Soldaten im Kriegseinsatz ohne jede völkerrechtliche Legitimation in Afrika, auf der arabischen Halbinsel und in Mittelasien. Unter dem Signum des "Krieg gegen den Terror" haben sich die USA und ihre Verbündeten, darunter auch die deutsche Bundsregierung endgültig das eigenmächtige Recht zum Krieg in allen Teilen der Welt zugesprochen. Aber Krieg ist kein Mittel gegen Terrorismus. Wer versucht den Terrorismus mittels Krieg und Militär einzudämmen, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihm letztendlich nur um geostrategische Machtpolitik und nicht um die Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus geht. Die Bekämpfung des Terrorismus wird damit nur Mittel zum Zweck. Statt friedliche Lösungen zu suchen und zu unterstützen, erleben wir - wie seit dem

11. September 2001 - die US-amerikanische Regierung den Anschlag benützt um die Welt mit Kriegen zu überziehen und ihre Vormachtstellung auszubauen. Auch wenn die Bundesrepublik den Irak-Krieg der USA abgelehnt hat, so bleibt doch festzustellen, dass z.B. ohne die Überflugrechte für die US Luftwaffe deren Einsätze nur schwer möglich gewesen wären. Damit war die Bundesrepublik auch logistische Drehscheibe für den Irak Krieg. Hinzu kommt noch der Einsatz der AWACS Aufklärungsflugzeuge sowie der Bundeswehrsoldaten die während dem Abzug der US Truppen in den Irak-Krieg die US Kasernen schützten.

Auch wenn sich die Politik als Legitimation für diese Kriegsunterstützung hinter internationalen Verträgen sowie dem höchstumstrittenen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 verstecken, so bleibt festzustellen, dass das Grundgesetz davon spricht, dass bereits Handlungen, die geeignet sind das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verfassungswidrig sind. Diese Politik entspricht nicht dem Wollen der Väter und Mütter des Grundgesetzes!

"Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen".

Für den 11. September haben Neonazis einen sogenannten "Großkampftag" in Schwäbisch Hall angekündigt. Dieser neonazistische Aufmarsch verhöhnt die Opfer des Faschismus und des Krieges ebenso wie die unschuldigen Opfer des 11. September 2001.

Am 26 Juni konnten in Bochum mit Billigung des Bundesverfassungsgerichtes Neonazis gegen den Bau der Synagoge aufmarschieren. Erstmals seit 1945 marschierten wieder braune Horden gegen eine Synagoge, und damit gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger auf.

Was bewegte die Richter dazu, die Verbotsverfügung der Stadt Bochum aufzuheben ? Ein neonazistischer, antisemitischer Aufmarsch hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun!

Trotz der eindeutigen Bestimmungen des Grundgesetzes können sich neofaschistische Organisationen in diesem Land ungehindert entfalten. Wir fordern endlich die Auflösung aller neofaschistischen Parteien und Organisationen, wie dies Artikel 139 des Grundgesetzes vorsieht, denn Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinungsäußerungen - sie sind Verbrechen.

Liebe Freundinnen und Freunde,

im Juni habe sich die EU Regierungschefs auf einen geänderten, nun endgültige Verfassungsentwurf geeinigt. Dieser soll voraussichtlich am 27.10.04 in Rom unterzeichnet werden. Anschließend beginnt dann der Ratifizierungsprozess in den EU Ländern. Es gib viel an dem vorgelegten Verfassungsentwurf zu kritisieren, ich möchte mich jedoch auf einige friedenspolitische und soziale Aspekte begrenzen.

Erstens, die in Artikel 1 - 40 Absatz 3 festgeschriebene Aufrüstungsverpflichtung: "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten regelmäßig zu verbessern"(1).

Zweitens, dass das EU-Parlament und der Europäische Gerichtshof explizit aus der Kontrolle der Aussen- und Militärpolitik ausgenommen werden.

Drittens, die in Artikel III - 210 festgeschriebene Ausweitung der sogenannten Petersbergaufgaben mit weiter reichenden militärischen Interventionsmöglichkeiten bis hin zu reinen Kampfeinsätzen.

Von zentraler Bedeutung ist zudem, die in Artikel III - 123 festgeschriebene "ständig strukturierte (militärische) Zusammenarbeit" die mit einem Zusatzprotokoll dann noch genauer definiert wird.

Dieses Militarisierungskonzept wird noch dadurch verfestigt, dass wer Teil dieses militärischen Kerneuropas sein will, sich verpflichten muss, bis "spätestens 2007 über die Fähigkeit zu verfügen bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die ... taktisch als Kampfgruppen konzipiert...und fähig sind, innerhalb von fünf bis 30 Tagen Missionen ... aufzunehmen"

Das Grundgesetz jedoch kennt Bundeswehreinsätze nur zu Verteidigungszwecken und bisher müssen Auslandseinsätze immer noch vom Bundestag beschlossen werden.

Während auf der einen Seite Europa als Militärmacht Verfassungsrang erhält und gleichzeitig das neoliberale Wirtschaftsmodell in der Verfassung (Arikel III - 69) festgeschrieben wird, werden die sozialen Rechte zu bloßen Grundsätze ( Artikel II - 52 Absatz bis 6) herunter definiert, die auch noch weniger justiziabel sein sollen. Dazu kommen noch die Erläuterungen die dann im Ergebnis zu weiteren Einschränkungen der sozialen Rechte führen. So wird z.B. für Artikel 28 "Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen, in den Erläuterungen klargestellt, dass es ein grenzüberschreitendes Streikrecht in der EU nicht geben kann und wird.

Dies soll in Ansätzen deutlich machen warum es notwendig ist, sich gegen diesen EU Verfassungsentwurf zu stellen.

Wir sagen Ja zu Europa, einem Europa auf den Prinzipien der französischen Revolution.

Die Lehren aus der Geschichte zu ziehen heißt einzutreten für ein Europa, das umfassend abrüstet, militärische Interventionen ablehnt, den Krieg ächtet, heißt einzutreten für soziale Gerechtigkeit und die Bekämpfung von Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit, denn die Konflikte dieser Welt und der Menschen lassen sich nicht mit militärischen Mitteln lösen, man sichert das Überleben der Menschen nicht mit Panzern und Bomben.

Helmut Gollwitzer sagte hierzu einmal

"Militärische Rüstung, kalter Krieg und heißer Krieg sind die großen Produktionsverschwendungen unserer Zeit; ohne sie brauchte heute kein Mensch zu hungern, durch sie hungert heute Zweidrittel der Menschheit. Wer über diesen Irrsinn jammert, soll den Ursachen nachgehen; dem Bündnis von blinden Haß-, Rache-und Rechtsgefühlen auf der einen und kalten materiellen Interessen auf der anderen Seite. Dieses Bündnis hindert heute die Rettung vor Hunger und Krieg. Wer erkennt, dass die Abschaffung des Krieges heute auf der Tagesordnung der Menschheitsgeschichte steht, muss diesem Bündnis zu Leibe rücken, und d.h. er muss nach den Interessenten fragen, die dafür sorgen, dass die Gefühle immer wieder hochgepeitscht werden und dass die Ursachen für die Konflikte nicht beseitigt werden. Kampf gegen den Krieg ist also mit nüchterner, unbestechlicher, radikaler und mutiger Gesellschaftskritik identisch."

oder anders gesagt, "es hat nie geheißen Völker aller Länder zerbombt Euch".



E-Mail:   cuno.haegele@verdi.de
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