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vom:
08.09.2004


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Rede zur Umrundung des Fliegerhorsts Büchel am 5. September 2004

Liebe Freundinnen und Freunde,

Lothar Liebsch (Büchel)

Mit großem militärischen Aufwand und unter Missachtung des Völkerrechts sind die Armeen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten in den Irak einmarschiert um dort nach versteckten Massenvernichtungswaffen zu suchen. Sie haben bis heute nichts gefunden. Bush hätte sich den Einmarsch in den Irak sparen können. Tatsächlich gibt es anderswo noch genug "vergessene" Massenvernichtungswaffen, zum Beispiel aus der Zeit des Kalten Krieges. Man muss nur an der richtigen Stelle suchen, etwa hier auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel. Hier lagern seit vielen Jahren atomare Fliegerbomben vom Typ B-61 Modell 10, deren Sprengkraft die Wirkung der Hiroshimabombe um ein Mehrfaches übersteigt.

Wie kann das sein? Während auf der einen Seite kein Bundeswehrsoldat ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages in einen Auslandseinsatz geschickt werden kann, darf auf der anderen Seite die NATO Massenvernichtungswaffen in einem deutschen Fliegerhorst einlagern, ohne dass der Deutsche Bundestag darauf Einfluss nimmt. Das ist doch mehr als seltsam.

Die für diesen Zustand verantwortlichen deutschen Politiker und Parlamentarier äußern sich gar nicht oder nur ungern zu diesem Thema. Und wenn, dann berufen sie sich auf Vereinbarungen innerhalb der NATO, worauf sie angeblich keinen direkten Einfluss nehmen können. Es ist also die NATO, die für die Lagerung von US-amerikanischen Atombomben auf deutschem Boden verantwortlich ist und die deutsche Politik hat darauf leider keinen Einfluss. Wer will uns das Glauben machen? Wer führt uns hier an der Nase herum?

Das für den Fliegerhorst Büchel zuständige Verteidigungsministerium hüllt sich nach wie vor in Schweigen. Es versucht sogar weiterhin den Eindruck zu erwecken, es gäbe gar keine Atomwaffen mehr in Büchel, zumindest ist man nicht bereit, die Existenz der Bomben offiziell zu bestätigen. Dabei kann es sich nicht nur um Sicherheitsfragen handeln, zumal alle interessierten Kreise längst wissen, was das Militär hinter diesen Zäunen hier verborgen hält.

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Antikriegs-
tag 2004
Die militärische Bedeutung von Nuklearwaffen leitet sich von ihren Einsatzszenarien her: Während des Kalten Krieges war die herausragende Funktion von Kernwaffen, andere Kernwaffenbesitzer von einem nuklearen Einsatz abzuschrecken (Die Stichworte dafür lauten: nukleares Patt oder Gleichgewicht des Schreckens).

Diese Funktion ist mit dem Ende des Ost-West-Konflikts entfallen. Kernwaffen sollen aber auch die Besitzer biologischer und chemischer Waffen von dem Einsatz dieser Mittel abhalten. In der Regel wird aber ein nuklearer Präventiv- oder Vergeltungsschlag gegen den Einsatz von biologischen oder chemischen Waffen das Gebot der Verhältnismäßigkeit übersteigen und somit automatisch zu einem Kriegsverbrechen. Noch komplizierter werden die Verhältnisse, wenn die Bedrohung nicht von einem Staat sondern von terroristischen Organisationen ausgeht. In einem solchen Fall käme die Anwendung der atomaren Vergeltung einem Kriegsverbrechen gleich. In den letzten Jahren werden Kernwaffen aber auch zunehmend als Drohung gegen in allen Belangen unterlegene sogenannte Schurkenstaaten ins Spiel gebracht.

Die von mir beschriebenen Einsatzszenarien treffen für die Bundesrepublik Deutschland alle nicht zu. Wenn unsere politischen Führer dennoch Interesse an den Atomwaffen haben, müssen dafür andere Gründe relevant sein. Welches sind also die politischen Motive der Volksvertreter und Militärexperten in unserem Land, Ihren vermeintlichen atomaren "Schatz" so sorgfältig zu wahren und vor den neugierigen Augen einer kritischen Öffentlichkeit möglichst zu verbergen?

1.Da ist zunächst die atomare Teilhabe. Hinter dieser Strategie verbergen sich noch immer Politiker und Militärs, die die Hoffnung nicht aufgeben wollen, Deutschland könne sich doch noch zu einer eigenständigen Atommacht entwickeln. Dabei werden sie seit Jahren von amerikanischen Neo-Liberalisten wie John J. Mearsheimer unterstützt, der ganz offen die Weitergabe von Atomwaffen an Deutschland fordert. Bis dieser Fall eintritt, sollen durch die atomare Teilhabe alle Optionen offengehalten werden.

2
.Ferner gilt es, die Mitwirkung in der Nuklearen Planungsgruppe aufrecht zu erhalten. Diese Instrument erlaubt Deutschland den Zugang zu Informationen über die Atomwaffenstrategien der NATO-Partner, ohne selbst Atomwaffenstaat zu sein. Ob Deutschland durch die Stationierung von Atombomben auf seinem Territorium tatsächlich auch Einfluss auf die Nuklearstrategie der NATO nehmen kann ist ungewiss.

3.Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik geht weiter davon aus, dass die beiden genannten Optionen: atomare Teilhabe und Mitwirkung in der Nuklearen Planungsgruppe wichtige Elemente zur Erlangung eines ständigen Sitzes im Weltsicherheitsrat sind. Aus der Sicht derer, die diesen Sitz mit allen Mitteln anstreben, ist diese Einschätzung nur konsequent. Sind doch bisher alle ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates zugleich auch Atomwaffenstaaten.

Offensichtlich versetzt die Verfügungsgewalt über Massenvernichtungswaffen ihre Besitzer in den Glauben, damit über außergewöhnliche existenzielle Machtmittel für zukünftige gewaltsame Auseinandersetzungen auf internationale Ebene zu verfügen. Die Atombombe als ultima ratio, wahrlich eine beängstigend Vorstellung. Es ist aber gerade diese außerordentliche machtpolitische und psychologische Bedeutung des Besitzes von Massenvernichtungswaffen, die ihre Abschaffung so schwierig macht.

Während die Besitzer von Massenvernichtungswaffen mit Argusaugen darüber wachen, dass möglichst keine weiteren Staaten in den Vorzug dieses mörderischen Privilegs kommen, zeigen sie wenig Neigung, ihre eigenen Bestände zu verringern. An eine Beseitigung aller existieren Atomwaffen denkt von den Besitzerstaaten ernsthaft niemand. Von diesen Überlegungen sind meines Erachtens auch deutsche Politiker nicht frei.

Hier müssen wir mit unseren Aktionen und Argumenten ansetzen. Es kann nicht hingenommen werden, dass unsere Politiker das Bekenntnis zur Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen auf Nachfrage geradezu gebetsmühlenartig wiederholen, aber wenn es darum geht, eine Konvention gegen die Atomwaffen zu beschließen, dann verweisen dieselben Politiker darauf, dass dies eine Aufgabe der Völkergemeinschaft sei, wohl wissend dass die Besitzerstaaten daran kein Interesse haben.

In Wahrheit ist die Zahl der Atomwaffenbefürworter unter den deutschen Politikern wohl viel größer, als wir wahrhaben wollen. Hier muss unbedingt Klarheit geschaffen werden. Vor allem unsere Parlamentarier müssen gezwungen werden, ihre Position in dieser existenziellen Frage offen zu legen. Fakt ist, dass das in Büchel stationierte Jagdbombergeschwader weiterhin Bundeswehrpiloten dazu ausbildet, die in Büchel lagernden Atombomben falls erforderlich einzusetzen. Dieser Auftrag ist mit unserem Grundgesetz unvereinbar. Nach Artikel 26 ist bereits "die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten" verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen. Es ist schwer vorstellbar, dass die NATO auch 15 Jahre nach Ende des Kalten Krieges allen Ernstes weiterhin davon ausgeht, die Bomben in Büchel seien ausschließlich zur Verteidigung bestimmt.

Obwohl die überwältigende Mehrheit der Deutschen keine Massenvernichtungswaffen in Deutschland haben will, ist es bisher nicht gelungen, unser Land von diesen Relikten des Kalten Krieges entgültig zu befreien. Um die Wahrheit zu sagen, die Bemühungen zur Beseitigung der Atomwaffen aus Deutschland sind seit vielen Jahren nicht sonderlich erfolgreich gewesen, sie sind sogar ausgesprochen erfolglos. Der Cochemer Appell von 1999 (siehe Kasten) verhallte ungehört. Die Versuche der Atomwaffengegner vor Ort, durch Lagerinspektionen, Fliegerhorstumrundungen und Mahnwachen, das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu erreichen, blieben weitgehend ohne Wirkung.

Während in den Medien schon jetzt über die wirtschaftlichen Folgen eines möglichen Teilabzuges der US-Truppen aus Deutschland spekuliert wird, sind die hier lagernden Massenvernichtungswaffen leider kein Thema. Das muss sich ändern. Mein Wunsch ist, dass die US-Truppen bei ihrem Abzug aus Deutschland auch diese paar überflüssigen hier in Büchel vergessenen Fliegerbomben endlich mit sich zurück nach Amerika nehmen.

Dafür sollten wir in der Öffentlichkeit unsere Stimme erheben und auch nicht davor zurückschrecken, unsere Politiker in Berlin öffentlich unter Druck zu setzen. Dabei muss uns die Sorge Hannah Arendts Verpflichtung sein. Sie fürchtete: (dass) unsere persönliche Schuld viel größer ist, als wir glauben, weil wir nicht rechtzeitig und (nicht) entschieden (genug) gegen Entwicklungen vorgehen, die wir als falsch und gefährlich erkannt haben.

Wir sind es uns selbst und unseren Kindern schuldig, unermüdlich für die Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen auf dieser Welt zu kämpfen, besonders aber für den Abzug dieser Waffen aus unserm Land., getreu unserem Leitspruch: Atomwaffen abschaffen, bei uns anfangen!



- Anlage -



Cochemer Appell

Nicht länger Atomwaffen auf deutschem Boden.

Zehn Jahre nach Ende des Kalten Krieges lagern noch immer Atomwaffen auf deutschem Boden. Gegen wen sind sie gerichtet?

Atomare Massenvernichtungswaffen bedrohen die Menschheit. Sie müssen unverzüglich abgeschafft werden. Die Bundesrepublik Deutschland soll mit gutem Beispiel vorangehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, von den Verbündeten zu verlangen, die Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden zu beenden, die nukleare Teilhabe in Büchel aufzukündigen und sich international für die Abschaffung aller Atomwaffen einzusetzen.

Eine Welt ohne Atomwaffen ist ein visionäres aber politisch erreichbares Ziel.

(Resolution anlässlich des Jahreskongresses "Atomwaffen abschaffen-bei uns anfangen" "Cochem 17.10.1999)



E-Mail:   lolieb@t-online.de
Internet: http://www.darmstaedter-signal.de
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