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Antikriegs-
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vom:
08.09.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag am 1. September 2004 in Pforzheim

Liebe Friedensfreunde

Martin Spreng (Pforzheim)

als mich gestern ein Radiosender anrief und der Redakteur fragte warum wir diese Veranstaltung denn machen habe ich ihm mit dem Satz von Hermann Hesse geantwortet:

"Wie jeder totgeschossene Soldat die ewige Wiederholung eines Irrtums ist, so wird auch die Wahrheit in tausend Formen ewig und immer wiederholt werden müssen."

Ja es ist notwendig immer und immer wieder daran zu erinnern. So vieles verblasst in der Erinnerung, so vieles geht verloren wenn die Zeitzeugen nicht mehr sind. So vieles ist plötzlich interpretierbar. So vieles wird verharmlost.

Aber es ist grausame Wahrheit, dass vor 65 Jahren am 1. September Nazi-Deutschland den 2. Weltkrieg durch den Überfall der Wehrmacht auf Polen begann. Er brach nicht aus. Er kam nicht aus dem blauen Himmel herab, er musste gleich jeder anderen menschlichen Unternehmung vorbereitet werden, er bedurfte der Pflege und Mitwirkung vieler, um möglich und wirklich zu werden, wie Hermann Hesse schrieb.

Und die Wirklichkeit bedeutet, dass über 50 Mio Menschen ihr Leben verloren, davon 20 Mio Sowjetbürger, 11 Mio politisch und rassistisch Verfolgte wurden ermordet - darunter 6 Mio Juden.

An diesem 1. September vor 65 Jahren begannen auch die Euthanasie-Morde. Menschen machten sich zum Herr über Leben und Tod. Aus kleinen feigen Mitläufern wurden Herrenmenschen die die Macht hatten ganze Orte auszulöschen.

Am 10. Juni 1944 besetzte die SS Division "Das Reich" die kleine Ortschaft Oradour in Südfrankreich. Ihr grausames Ziel war eine sogenannte Vergeltungsmaßnahme. Zuvor war der SS-Führer verschwunden und man unterstellte den Bewohnern sie würden Waffenlager für die Resistance unterhalten. An diesem sonnigen Nachmittag am 10. Juni vor 60 Jahren werden 190 Männer sofort erschossen. Mehr als 500 Frauen und Kinder werden in die Kirche gesperrt und dann das ganze Dorf niedergebrannt. Nur 36 Menschen entkamen dem Masaker.

Haben wir daraus gelernt? Als im Mai 1945 der Hitler Faschismus von der Alliirten besiegt war, schworen die Überlebenden "Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus!"

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Antikriegs-
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Aber schon mit der Gründung der Bundesrepublik als noch, besonders Pforzheim, die Zerstörungen überall sichtbar waren, wurde die Wiedersaufrüstung und der Aufbau der Rüstungsindustrie vorbereitet.

Wir wollen heute am 1. September daran erinnern, das weltweit immer noch und immer wieder unschuldige Menschen durch Kriege getötet, verstümmelt, vertrieben, vergewaltigt und traumatisiert werden. Zivilisten und Soldaten.

Zur Zeit sind etwa 800 Bundeswehrsoldaten im Auslandeinsatz. Haben wir uns schon einmal überlegt was für Menschen wieder zurückkommen die in panischer Angst gelebt haben von einem Heckenschützen erwischt zu werden. Die niemand mehr trauen weil jeder ein Attentäter sein könnte. Die lange Zeit von ihren Familien getrennt waren und in dieser Zeit nie wussten ob sie sie jemals wiedersehen würden? Menschen die zerfetzte Leiber, verstümmelte Kinder gesehen haben und vielleicht keine Möglichkeit hatten zu helfen.

Ich kenn viele Menschen die heute noch Alpträume haben von ihren Erlebnissen im 2. Weltkrieg. Wollen wir eine neue Generation von Kriegsbeschädigten? Die Chancen stehen gut. Für Verteidigungsminister Struck ist das mögliche Einsatzgebiet der Bundeswehr die ganze Welt. Die Bundeswehrsoldaten beteiligen sich nicht nur an sogenannten Friedensstiftenden Maßnahmen sondern weltweit an Kriegseinsätzen. Ich erinnere an den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Jugoslawien.

Liebe Friedensfreunde,

wir haben große Hoffnungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gehabt.

"Wir waren von Freunden umzingelt" und dachten nun ist eine langandauernde Friedenszeit angebrochen, die Armeen werden abgebaut. Das Gegenteil ist eingetreten. Und ich möchte noch einmal Hesse zitieren: Sie und ihre Freunde sind der uralten Meinung, Vernunft und Menschlichkeit seien zwar prächtige Dinge, angesichts politisch bedrohter Situationen aber sei es doch besser, diese prächtigen Dinge beiseite zu legen und sich auf die Generäle, die Rüstung und die Bomben zu verlassen.

Mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien von Mai 2003 die die Rauchsregierung die Aufgaben der Bundeswehr neu definiert, weg von der Landesverteidigung, hin zu einer in aller Welt einsetzbaren Interventionsarmee.

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir sehen uns angesichts zweier Weltkriege, die von Deutschland ausgingen, in der Verantwortung. Deshalb fordern wir den Abzug der Besetzer aus dem Irak. Sie haben mittlerweile schon selbst erkannt, dass die militärische Intervention die mit einem Lügengebäude begründet wurde, ein schwerer Fehler war. Sie sind hilflos angesichts der eskalierenden Gewalt, der immer mehr Zivilpersonen zum Opfer fallen. Eine Entwicklung zu einer demokratischen Gesellschaft kann nur durch das iranische Volk selbst ..

Wir fordern alle Anstrengungen zu unternehmen den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen, denn ohne diese Lösung wird es keinen Frieden in Nahen Osten geben. Wir verurteilen den Bau von Mauern durch die 200.000 Menschen von ihrem Land, aus ihren Dörfern und Städten vertrieben werden. 45 % der Nahrungsmittelproduktion geht verloren. Dörfer werden durchtrennt. Der Zugang zur Arbeit, zur Schule, zum Krankenhaus wird verhindert. Ein Mauerbau ist kein Mittel um den Terrorismus zu bekämpfen, er schafft neues Unrecht.

Wir fordern eine Veränderung des EU Verfassungsentwurfes der praktisch einen Zwang zur Aufrüstung beinhaltet, hin zu einer Friedenspolitik die auf zivile Konfliktlösung setzt. Wir wollen ein Atomwaffenfreies Europa das einsteht für die Bekämpfung von Hunger und Armut, sozialer Ungerechtigkeit, politischer, kultureller, religiöser und sexueller Diskriminierung. Das ist die Grundlage für eine weltweit erfolgreiche Friedenspolitik.

Liebe Friedensfreunde,

wir stehen am Mahnmal der Opfer des Faschismus. Es dient uns als Mahnung alles zu tun um uns dafür einzusetzen.

In diesem Sinn lege ich diesen Kranz nieder. In Achtung vor ihrem Opfer.


Martin Spreng ist Regionsvorsitzender DGB-Region Nordschwarzwald.

E-Mail:   pforzheim@dgb.de
Internet: http://www.nordschwarzwald.dgb-bw.de
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