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Antikriegs-
tag 2004


vom:
14.10.2004


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Antikriegstag 2004:

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Rede zum Antikriegstag 2004 in Erfurt

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Proepstin Begrich (Erfurt)

Deutschland hat viele schwarze Tage, aber keinen der von solchem langanhaltenden Schwarz durchtränkt ist wie der 1. September 1939. 60 Millionen Ermordete - eine Zahl jenseits aller Vorstellung. Zeitzeugen wüssten uns von Krieg und Frieden, von Armut und Gerechtigkeit zu sprechen. Denn das Leben wird nach vorwärts gelebt, aber nach rückwärts verstanden. So begrüße ich es, dass wir uns heute an diesem 65. Gedenktag des Ausbruchs des zweiten Weltkriegs hier versammeln, die Vergangenheit erinnernd, um die Entscheidungen der Gegenwart zu prüfen, und die Zukunft zu gestalten. Der 1. September ist aber auch ein Tag großer Hoffnung, denn eine Welt, die gerade an diesen Tag wie ein großes weltpolitisches Dennoch zum Weltfriedenstag erklärt, gibt viel Hoffnung und gute Absicht kund. Das Thema dieses Tages ist auf der schwarzen Folie der lichthelle strahl der Friedenshoffnung. Einst hat Deutschland - das ganze Deutschland - die Welt mit Krieg überzogen, jetzt muss das gleiche Land alle Energie, politische Vernunft und Bürgerengagement einsetzen, die wackeligen Beine, auf denen der Frieden steht, zu stärken. Wir haben dies demonstriert auch hier in Erfurt, während des Irakkrieges, der zu einem der größten Verbrechen der Gegenwart gezählt hat und immer noch zählt.

Wenn hier und heute vom Frieden die Rede ist, dann wird angesichts der aktuellen Situation deutlich, dass das alte Begriffspaar von Frieden und Gerechtigkeit neue Aktualität hat. Die Bibel sagt: Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Frieden hat eine privat-persönliche, eine politisch-gesellschaftliche und eine soziale Dimension, die gerade in diesen Tagen landesweit zur Debatte steht. Diese Demonstrationen sind ein legales und demokratisches Mittel unserer Gesellschaft, in denen Ohmmacht, Angst, Diskriminierung und Perspektivlosigkeit zum Ausdruck kommen, mit der Stimme, die das gehört werden muss, wo die Entscheidungen getroffen werden. Ich wünsche, dass diese Demonstrationen dazu führen, dass Verantwortung füreinander wächst, Solidarität mit den kommenden Generationen in diesen Reformdebatten endlich mehr zur Sprache kommt und die unsägliche und unwürdige Kluft zwischen der immer kleinern Zahl, die viel und allzu viel hat und der immer größer werdenden Zahl der, die nötig, oftmals alles nötig haben, endlich geschlossen oder wenigstens geringer wird. Es ist ein unhaltbarer Zustand und ein unwürdiges Verhalten, wenn die einen nicht wissen, wie sie ihr Geld am günstigsten anlegen und die anderen nicht wissen, woher sie am ehesten etwas davon bekommen.

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Antikriegs-
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Aber ich möchte auch denen, die ohne ihr verschulden in die Arbeitslosigkeit und zu Sozialhilfeempfängern degradiert werden, sagen: Eure Würde und die Würde eines jeden Menschen und sein Wert hängt nicht an der Leistungsfähigkeit, nicht an seiner Vermittelbarkeit, schon gar nicht an seinem Wohlstand. Die Würde eines Menschen liegt einzig darin, dass jeder das Ebenbild Gottes ist und bleibt..

Das gilt über den Blick unseres Landes heraus für Europa, ein Europa in guter Verfassung. Der Gottesbezug in Europas Verfassung hätte klar gemacht, dass alles menschliche Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit seinen Grund hat in einer Kraft außerhalb unseres Könnens und Vermögens . Nun wenn Frieden und Gerechtigkeit die gute Verfassung für Europa sein werden, dann wird uns das die Augen dafür öffnen, dass zu Europa die in der Kraft jahrzehntelangens Friedens lebende Schweiz und das im Krieg zerschossene Grosny gehören, die glitzernde Königsstraße von Düsseldorf und die verlassene Kaufhaushütte in Anern. Wir hier im Ostteil dieses Deutschlands tragen Verantwortung dafür, dass wir vor der Kluft, die wir im eigenen Land sehen auch im geeinten Europa nicht die Augen verschließen. Frieden und Gerechtigkeit beginnen im Kopf und im Herzen und manchmal auch mit dem Blick auf die Landkarte: der Mittelpunkt der EU ist nicht etwa Paris, sondern Golzow, ein kleiner Ort in Brandenburg, mit einer himmelschreienden neuen Kinder- und Jugendarmut.

Erinnernd an den Weltfriedenstag:

Das geeinte und gemeinsame Haus Europa darf keine feste Burg, sondern muss ein offenes Haus werden, mit einer gemeinsam verantworteten Hausordnung, deren erster § heißt: Frieden und Gerechtigkeit sind hier untrennbar miteinander verbunden.

Dann wird eintreffen, was seit 1000 Jahren vom Propheten verheißen ist: Wenn du in deiner Mitte niemanden unterjochst, den Hungrigen dein Herz finden lässt, den Elenden sättigst, und den Obdachlosen ins Haus führst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen und dein Dunkel sein wie der Mittag. Dann wird der 1. September alles Schwarze verloren haben und man wird von Deutschland sagen: sieh da, ein Volk, das die Vision von Frieden und Gerechtigkeit kennt und dafür streitet.


Frau Begrich, evangelische Proepstin zu Erfurt und Nordhausen

E-Mail:   proepstind@augustinerkloster.de
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