Antikriegstag 2006

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01.09.2006


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Antikriegstag 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede anlässlich der Kranzniederlegung zum Antikriegstag am 01.09.2006 um 11.00 Uhr am Mahnmal Luisental in Mülheim a.d. Ruhr

... die Fähigkeit, vernünftig zu handeln

Dagmar Mühlenfeld (in Mülheim)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

herzlichen Dank, dass Sie sich hier im Luisental, am Mahnmal für die Opfer des Faschismus eingefunden haben - zum gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges und des Nationalsozialismus!

Vielen Dank dem Deutschen Gewerkschaftsbund für die Ausrichtung dieser Veranstaltung und Ihnen, sehr geehrter Herr Dörr/Herr Hillebrand für Ihre wohlgesetzten Worte zur Begrüßung.

Willkommen heißen möchte ich sehr herzlich Herrn Stadtpräsidenten Michail Choronen aus Pskow, der nach mir einige Worte an Sie richten wird, sowie Herrn Dr. Bach von der Initiative Pskow.

Liebe Mitbürger, liebe Mitbürgerinnen,

seit ich das Amt der Oberbürgermeisterin übernommen habe, lege ich hier zum dritten Mal einen Kranz nieder - und es war und ist an keinem dieser Tage ein Vorgang wie jeder andere und schon gar Routine für mich.

In diesem Jahr ist es mir zugleich besonders schwer gefallen wie ganz besonders wichtig heute hier zu sein - schwer fällt es mit den aktuellen Fernsehbildern dieser Tage im Kopf - besonders wichtig ist es, weil gerade diese Bilder die Aktualität dieses Tages, die Aktualität und Bedeutung einer aktiven Erinnerung sichtbar machen.

Der Antikriegstag findet alljährlich am 1. September statt und erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 - einen Krieg, der vom deutschen Boden ausging, mit dem Überfall auf unseren Nachbarn Polen seinen unrühmlichen Anfang nahm und in unendlichem Leid endete.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat diese Erinnerung am 1.9. durch diesen Gedenktag, durch Mahnwachen, Kundgebungen und andere Aktionen manifestiert. Und das zu Recht!

War der zweite Weltkrieg Anlass für dieses Gedenken, so schließt dieser Tag das Gedenken an Kriege vor und leider auch nach diesem Datum ein. So wurde nach und nach aus diesem ersten September ganz bewusst ein Gedenktag für den Frieden und gegen den Krieg.

Der Antikriegstag hatte in jedem Jahr immer auch einen bitteren aktuellen Bezug zum politischen Geschehen auf der Welt.

Allein das Jahr 2005 zählte weltweit sage und schreibe 39! Kriege - davon in Asien allein bereits 15!

Mit 90 % fanden mit Abstand die meisten Kriege in der dritten Welt statt!

Der heutige Tag ist daher nicht nur erforderlich für eine gemeinschaftliche Erinnerung an das was war, sondern aus dieser Erinnerung heraus muss ein aktives Tun für den Frieden, für Gegenwart und Zukunft, erwachsen.

Heute vor genau 67 Jahren begann der größte Krieg in der Menschheitsgeschichte, ein Krieg, der den Menschen Tod und Zerstörung brachte, begleitet von Elend und Armut. Ein Krieg, der die Weltordnung maßgeblich veränderte.

61 Staaten waren betroffen, über 55 Mio. Menschen - Zivilisten und Soldaten - fielen diesem Krieg zum Opfer, 60 Mio. Menschen verloren Obdach und Heimat, 10 Mio. gelten bis heute als vermisst, die Konzentrationslager der Faschisten zählen über 6 Mio. gefolterte und ermordete Opfer - Opfer eines intoleranten Systems, in dem physisch und psychisch behinderte Menschen, in dem Andersdenkende und Andersgläubige keinen Platz hatten.

Der Massenmord an unseren Mitbürgern und Mitbürgerinnen jüdischen Glaubens war das schwerste Verbrechen, das je auf deutschem Boden verübt wurde.

Und die Folgen dieses Krieges trägt seither jede neue Generation noch immer mit sich!

Wenn man eines aus diesem Krieg lernen kann dann, dass der Frieden unsere Bringschuld ist, - unsere Bringschuld an die junge Generation dieser Welt!

Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, verehrte Gäste,

ich verneige mich vor den Opfern, welche die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Deutschland, Europa und weltweit forderte und bitte Sie alle, sich aktiv für Frieden und Freiheit einzusetzen.

Zwei unmittelbar und untrennbar verbundene Begriffe.

Begriffe, die es nicht einfach haben auf dieser Welt und deren Bedeutung durch diktatorische Regimes häufig ins Gegenteil verkehrt wurde und wird.

Rudolf Virchow sagte richtig:

"Die Freiheit ist nicht die Willkür, beliebig zu handeln, sondern die Fähigkeit, vernünftig zu handeln".

Und an diese Vernunft appelliert dieser 1. September!

Die Staaten müssen sich gemeinsam um Völkerverständigung, um politische Lösungen für Konflikte bemühen und auf diese Weise die Menschen, die nationalen, rassischen und religiösen Minderheiten schützen.

Hier ist das Wort der Waffe bei weitem vorzuziehen.

Diesen mühsamen Weg des Wortes müssen die diplomatischen und politischen Bemühungen gehen, um Ausgleich und Versöhnung statt Krieg und Gewalt eine Chance zu geben.

Sehe ich die aktuellen Nachrichten, so gebe ich gerne zu, dass sie mir eine Gänsehaut verursachen.

Der Krieg kommt über die Medien in unsere Wohnzimmer.

Wir können die Geräte abschalten, die Zeitungen weglegen - doch damit hört der Krieg nicht auf.

In Zeiten der Globalisierung, der wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen gibt es keinen Krieg weit weg mehr.

Ob der Nahe Osten mit Israel, Palästina und dem Libanon, ob Irak und Afghanistan, ob das Atomprogramm des Iran, ob Nordkorea - und weite Teile Afrikas, die wir im Moment oft vergessen - der Krieg ist nah - auch wenn wir ihn weder schmecken, riechen noch fühlen können, da uns das Fernsehen dieser Sinne enteignet.

Wir sehen ihn, wir wissen um ihn - und abschalten sollten wir zumindest in unseren Köpfen auf keinen Fall!

Auf welcher Seite wir stehen ist klar ... auf Seite der Opfer ... hierbei ist es gleich, welcher Nationalität sie sind.

Wir wünschen diesen Menschen, diesen Ländern Frieden und Freiheit.

Unser Entsetzen und unsere Trauer muss in eine verantwortungsvolle deutsche Rolle in der Weltpolitik münden.

Bereits jetzt ist die Bundeswehr in den weltweiten Kriegs- und Krisengebieten aktiv und engagiert sich im Rahmen von UN-Mandaten für Frieden und Freiheit in den betroffenen Regionen.

"Den Raum für Freiheit zu schaffen ist Aufgabe der Politik. Die Freiheit selbst zu verwirklichen, ist Sache aller und eines jeden", so Karl Theodor zu Guttenberg.

Es liegt somit an uns allen unser Denken und Handeln auf den Prüfstand zu stellen.

Wir sollten unsere Unterschiede nutzen, statt sie zu bekämpfen - gehen wir in diesem Sinne auf unsere Nachbarn zu, wir werden von der anderen Sicht der Dinge profitieren.

Schritte können voneinander weg oder aufeinander zu führen, wir haben die Wahl, setzen wir unsere Schritte mit Bedacht, setzen wir sie Richtung Frieden.

Herzlichen Dank!



Dagmar Mühlenfeld ist Oberbürgermeisterin der Stadt Mülheim an der Ruhr.

E-Mail: Volker.Wiebels@stadt-mh.de

Website: www.stadt-mh.de
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