Antikriegstag 2006


 voriger

 nächster

Antikriegstag 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag am 1. Septemper 2006 in Fellbach

Von Kabul über Bagdad und Beirut nach Teheran

Dieter Keller (in Fellbach)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Friedensfreunde,

im August nächsten Jahres jährt sich zum 100.sten male der Internationale Sozialistenkongress. Er fand wenige Kilometer von hier in Stuttgart/Cannstatt statt. Einer der Kernfragen dieses Kongresses war. Der Aufruf an die Arbeiterparteien und ihre Parlamentarier. Sie wurden darin "aufgefordert mit allen Mitteln den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Falls er doch ausbrechen sollte sind sie verpflichtet für seine rasche Beendigung einzutreten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassengesellschaft auszunutzen."

1982 zum 75. Jahrestag schrieb das Amtsblatt der Stadt Stuttgart folgendes:

"Im Haus Clara Zetkins, die damals in Stgt. - Sillenbuch lebte, legte Lenin mit den Repräsentanten des linken Flügels der deutschen Sozialdemokratie die Marschroute für den Kongress fest."

Was hat das mit dem Antikriegstag heute zu tun? Vieles.

Denn hätte sich diese Marschroute weltweit durchgesetzt, wäre Deutschland und der Welt vieles erspart geblieben. Darunter die mehr als 70 Millionen Tote der beiden Weltkriege. Deutschland und die Welt sähen heute anders aus. Kriege und Kriegsgefahr gehörten der Vergangenheit an.

Doch dem ist nicht so. Deshalb stehen wir hier.

Im Jahr 2006 sind wir weit von einer friedlichen Welt entfernt. Gefährliche Kriegsschauplätze sind z. B. der Nahe-Osten, Irak, Afghanistan, Sudan, Kongo. Mit dem Antikriegstag erinnern wir nicht nur an den Beginn des zweiten Weltkrieges am 1. September 1939. Wir erheben lautstark unsere Stimme gegen die Beteiligung der Bundeswehr bei weltweiten Kriegseinsätzen.

Mir läuft es eiskalt über den Rücken bei dem Gedanken, dass deutsche Soldaten wieder im Kongo marschieren, in wenigen Tagen in den Libanon entsandt werden um dem deutschen Groß - und Rüstungskapital wieder einmal den Platz an der Sonne zu sichern. Dies im Zusammenspiel und in Arbeitsteilung mit dem amerikanischen Kriegsverbrecher Bush, den Herrschenden in Europa und dem Aggressor Israel.

Wir alle haben noch die schrecklichen Bilder aus dem Libanon Krieg vor Augen.

"Israel hat seine verheerenden Militärschläge gegen den Libanon bereits lange vor der Entführung der israelischen Soldaten durch die Hizbollah - geplant mit Zustimmung und Unterstützung der US-Regierung. In Washington gelte der Libanonkrieg als Teilstück in einem viel größeren Plan, als Testlauf für den Krieg gegen den Iran".

Zu diesem Schluss kommt der US-Enthüllungsjournalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh. (Massaker von My Lai1969, Folterskandal von Abu Ghraib 2004, und andere Skandale und Kriegspläne aufgedeckt.) Es ist der blutige Weg von Kabul über Bagdad nach Teheran.

Sollte er erneut recht haben, dann ist die israelische Erklärung: Ursache des Angriffs auf den Libanon sei die Festnahme von 2 israelischen Soldaten eine dreiste Lüge.

Auf jeden Fall aber kann und darf die Entführung zweier Soldaten, nie und niemals ein Grund sein für die Entfesselung eines Krieges und die Bombardierung eines Landes. Schon gar nicht für ein Land bei dem die Gefangennahme palästinensischer Soldaten auf der Tagesordnung steht und Israel mittlerweile (laut Sonntag aktuell vom 20.08.06) vier Minister der palästinensischen Hamas-Regierung und 28 Abgeordnete gekidnappt und inhaftiert hat.

Wenn Israels Ministerpräsident Olmert und sein Kriegsminister Perez behaupten Israel hätte nur gezielte Angriffe geführt, dann haben sie also gezielt die Infrastruktur und lebenswichtige Einrichtungen des Libanon, ganze Städte und Dörfer bombardiert und zerstört. Dann haben sie gezielt Streubomben eingesetzt.

Dann haben sie gezielt die Öltanks vernichtet mit der Folge der größten Umweltkatastrophe im Mittelmeer. Dann haben sie gezielt die Bevölkerung beschossen. Folge über 1300 Tote, im Libanon und Israel davon ein Drittel Kinder. Mit ihrem Angriffskrieg haben sie gezielt das Völkerrecht und die Menscherechte verletzt. Das war und ist Völkermord.

Ich spreche Israel nicht sein Existenz und Selbstbestimmungsrecht ab. Aber auch die Palästinenser haben ein Existenz und Selbstbestimmungsrecht das anerkannt und respektiert werden muss. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Frieden im Nahen Osten.

Ein Platz an der Sonne, Weltmacht als Ziel, die Flotte als Instrument, war einst Kaiser Wilhelms Programm. Beim ersten Nah-Ost Einsatz der Bundeswehr nach Rommels Afrika-Feldzug soll die Marine als Instrument deutscher Außen und Eroberungspolitik dienen.

Auch dies ist langfristig geplant. Bereits im Wehtechnischen Report Zukunft der Bundeswehr aus dem Jahre 2000 sind die militärischen Einsatzräume der Bundeswehr genannt. Es sind dies:

Der Balkan, die Randzonen und Nachbarn Russlands, der Kaukasus, die Osttürkei, der Nahe Osten, die Golfregion und der afrikanische Gürtel.

Im Kongo sollen angeblich Spezialeinheiten der Bundeswehr demokratische Wahlen sichern und dem Lande Demokratie bringen. Ausgerechnet eine Instrument das nur auf Befehl und Gehorsam funktioniert, jede demokratische Regung unterdrückt soll Demokratie herstellen? Wie blöd halten denn die Politiker unser Volk? Ganz zu schweigen dass damit das Grundgesetz außer Kraft gesetzt wird, das Auslandseinsätze der BUWE verbietet.

Nicht namentlich genannt indem Bundeswehrreport ist der Irak. Das hat die USA nachdem ihr Zögling Saddam Hussein nicht mehr spurte wie sie wollten, selbst übernommen. Dazu Oliver Stone amerikanischer Filmregisseur im Stern. Der "Irak Krieg war eine Verschwörung von Cheney, Busch und einer Bande im Pentagon. Die wollten Krieg auf Teufel komm raus und ignorierten alle anderen Einschätzungen."

Nachdem wochenlang der Bundeswehreinsatz klein geredet, und von einer "Friedensmission"

geschwafelt wurde, spricht Minister für Hochrüstung, Kriegsvorbereitung und Krieg, Jung (CDU)jetzt offen von einem "Kampfeinsatz der Bundeswehr mit einer dominanten Rolle." Die Bundesmarine will das Kommando über alle schwimmenden Einheiten vor Libanons Küste. Offiziell ist von einem Einsatzzeitraum bis zum 31. August 2007 die Rede aber Jung erklärt schon mal vorbeugend: "Ob es bei diesem Zeitraum bleibt, werden wir sehen." Die Bundeswehreinsätze auf dem Balkan und in Afghanistan haben gezeigt, dass aus einem Jahr rasch fünf und zehn werden.

Seit der Kapitalismus in Europa alleine regiert werden Schritt für Schritt die Auslandseinsätze der BUWE ausgeweitet. Mittlerweile sind 7 700 Deutsche Soldaten in aller Welt. Dazu die (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 27.08.06)

"Wenn Bundeswehrsoldaten in den israelisch-libanesischen Konflikt eingreifen, wird es danach keinen Ort der Welt mehr geben, an den zu gehen eine Bundesregierung mit Hinweis auf die deutsche Vergangenheit ablehnen könnte." Mit dem Nahen Osten wird also das letzte Tabu fallen.

Der Krieg um Öl, Weltmacht und die Unterordnung des Nahen Osten nach dem Willen der USA, der EU und Israels ist in eine neue Brand gefährliche Phase geraten. Ihre Drohungen werden immer lauter und ihre Argumente immer fadenscheiniger und verlogener.

Die USA schließt dabei nicht einmal mehr Ersteinsatzes von Atomwaffen aus. (Mininukes)

Ich wehre mich mit aller Entschiedenheit gegen Antisemitismus und die Leugnung des Holocaust. Damit grenze ich mich ab gegen alle die Rassismus und Faschismus bejahen.

Mit der gleichen Entschiedenheit sage ich: Auch wenn im Iran ein Antisemit und Leugner des Holocaust regiert - Krieg ist keine Lösung. Krieg ist Staatsterror

Deshalb fordern wir:



Stopp der weiteren Kriegsvorbereitungen gegen den Iran



Keine deutschen Soldaten in den Nahen Osten. Zivile Aufbauhilfen statt militärische Interventionstruppen. Stopp aller Waffenlieferungen an die israelische Armee und in den gesamten Nahen Osten!



Beendigung der Besetzung des Iraks


Notwendig ist eine Strategie der Deeskalation. Atomare Abrüstung ist das Gebot der Stunde für alle. Nicht die Drohung Atomwaffen einzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Aggression nach außen, Reaktion und rigoroser Sozialabbau im Innern sind eine Einheit.

So hat sich der Minister Jung CDU) mit Finanzminister Steinbrück (SPD) bereits über eine "überplanmäßige" Aufstockung des Rüstungsetats verständigt.

Jung "beschafft sich für sechs Milliarden Euro neue Rüstungsgüter. Für das Geld sollen neue Fregatten, U-Boote und eine neue Generation geschützter Transportfahrzeuge für Auslandseinsätze beschafft werden." Die Kosten dafür werden teilweise erst 2007 haushaltswirksam. (STN 26.08.06)

Also Mehrwertsteuererhöhung und Sozialabbau für Hochrüstung. Heute werden bereits 30 Mrd. Euro unserer Steuergelder für Rüstung und Kriegswaffen verschwendet. Dem müssen wir entgegensteuern. Wir brauchen Abrüstung statt Sozialabbau

Albert Einstein formulierte 1933 in einem Brief an Siegmund Freund folgendes:

"Was für eine Welt könnten wir bauen " wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten.".Ein Zehntel der Energien, die die Krieg führenden Nationen im Krieg verbrauchen, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern."

Einstein spricht mir als human denkender und handelnder Mensch und Gewerkschafter aus dem Herzen.

Die globalen Rüstungsausgaben haben im letzten Jahr laut Sipri, dem schwedischen Friedensforschungsinstitut 1,1 Billionen Dollar betragen. Wenn nur ein Prozent dieser Ausgaben für das UN Ernährungsprogramm ausgegeben würde, bräuchte niemand in der Welt an Hunger zu sterben. Kein Kind müsste hungrig zu Bett gehen, sondern mit einem freudigen Kinderlachen. Muss das ein Traum bleiben? Nein es könnte Wirklichkeit werden. Es müsste nur das politische Wollen der Herrschenden und Regierenden vorhanden sein.

Unser Land braucht Abrüstung statt Sozialabbau. Wir fordern Kürzung des Rüstungsetats um zunächst mindestens 10% Wir brauchen die Umstellung von Rüstungsproduktion in zivile Produktion. Brauchen vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze im Gesundheitswesen,

Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Umweltschutz, in regenerative Energien und öffentlich geförderten Nah- und Fernverkehr. Dafür stehen die Gewerkschaften.

Großmannsucht, Kriege und Rüstungswahn sind nicht unserer Interessen, das sind Kapitalinteressen. Wir die Bevölkerung müssen die Zeche für diese Großmannsucht und den Rüstungswahn zahlen. Zunächst mit Geld und dann mit dem Blut unserer Söhne und Töchter. Mit dem Blut unschuldiger Menschen und Völker, von Müttern und Kindern.

Wir wollen keine Politik die mit Waffen bestimmt, wie eine neue Weltwirtschaftsordnung auszusehen hat oder wie die alte mit Gewalt aufrecht erhalten werden kann. Wir wollen dass niemals mehr von deutschem Boden ein Krieg ausgeht und sich niemals mehr deutsche Soldaten an Kriegshandlungen beteiligen müssen.

JA. Wir wollen eine andere Welt. Eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Eine soziale, solidarische und gerechte Welt. Eine Welt in der der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt aller Dinge steht.

Eine Welt des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern.

Vor 14 Tagen standen wir meine Frau und unsere Tochter nachdenklich und tief bewegt inmitten des Holocaust Denkmal in Berlin. Beim anschließenden Rundgang in der unter dem Denkmal liegende Ausstellung beeindruckte mich ein Gedicht so sehr, dass ich es heute ans Ende meiner Ausführungen stelle.

Es wurde 1984 in lebenslanger Trauer von dem Juden Mordechai Kaplan im Alter von 81 Jahren geschrieben. Er überlebte Krieg und Verfolgung als Soldat bei der Roten Armee. Seine Frau und deren gemeinsame Tochter Larissa, geboren1937 wurden in Minsk von den deutschen Besatzern ermordet. Er nennt es: Zu neuem Leben erwachte Melodie:

Mit diesem Gedicht gedenken wir den Toten aller Kriege um die Lebenden nicht nur zu mahnen sondern aufzufordern alles zu tun, damit niemals mehr von deutschem Boden ein Krieg ausgeht. Alles zu tun damit die Ursachen der Saat der Gewalt, die Ursachen von Kriegen beseitigt werden, dass anstelle von Kriegen und deren Vorbereitung Frieden tritt. Dass anstelle von Rassismus, Faschismus und Gewalt, Solidarität und Völkerverständigung treten.



Zu neuem Leben erwachte Melodie (Mai 1984)

Mein Töchterchen die erste wäre jetzt wohl Oma geworden.

Doch in alle Ewigkeit ist sie ein Kindlein geblieben.

Eines aus jener blutigen sechs Millionen Zahl.

Manchmal in der Stille einer schlaflosen Nacht,

scheint mit ich höre ihre Stimme, ihr Weinen. Es schreit ein Kind.

Dieses Stöhnen dieses Weinen schneiden sich in die Tiefen meines Bewusstseins.

Durch die Dichte der Jahre mildert sich das Gefühl des Schauderns nicht

Verschworener Feind, gemeines Gesindel

Wollte in meinem Volk das Kinderlachen abtöten.

Jenen Faden, der sich von Generation zu Generation zieht,

wollte der Irre abhacken, zu Schutt und Asche abbrennen.

Der Faden aber lässt sich nicht durchschneiden. Oh, nein.

Ich hinterlasse einen tiefen Abdruck auf dieser Erde..

Niemand und niemals auf der weiten Welt, soll sich jemand

unterstehen dürfen die heilige Kindheit zu betrüben.

Auf dem ganzen irdischen, lebendigen und menschlichen Planeten

Gebt Frieden und Glück. Frieden und Glück - den Kindern.

Damit sich das schreckliche nie wiederholt,

singe ich diese meine auferstandene Melodie.

(Morchedai Kaplan starb 2001 in Minsk)



Dieter Keller DGB-Ortsverbandsvorsitzender Fellbach. Vita siehe hier

E-Mail: keller_fellbach@arcor.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles