Antikriegstag 2006


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Antikriegstag 2006

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Abschlussansprache bei der Umrundung des Atomwaffenlagers in Büchel, 03.09.2006

Florian Pfaff (in Büchel)

- Sperrfrist: 03.09., Redebeginn: ca 16 Uhr -

- Es gilt das gespreochene Wort -

Liebe Kameraden, verweigern Sie den Gehorsam, wenn Sie von Ihren Vorgesetzten aufgefordert werden, Verbrechen zu begehen, oder sich unmenschlich am Völkerrecht bzw. den Strafgesetzen zu vergehen.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde. Ich danke für diese Einladung und Ihnen allen für Ihr (zahlreiches) Kommen.

Hier in Büchel sollen Atomwaffen lagern, die wohl niemals eingesetzt werden dürfen. Die Wirkung dieser Waffen steht ausser Frage: Sie verwüsten ganze Landstriche. Sie töten ohne Unterschied und damit ohne Recht. Laut Atomwaffensperrvertrag müssten sie abgerüstet werden, statt dessen unterscheiden die USA in "gute" Bomben, die sie selber haben und "schlechte" Atombomben, wenn der Iran sie hat. Indien und Pakistan haben gute Waffen, Nordkorea kann nur schlechte haben. In Wahrheit geht es nur um die Vorherrschaft, die auch mit Atomwaffen durchgesetzt werden soll, wenn es sein muss.

Laut in Deutschland geltendem Recht ist die Lagerung umstritten, der Einsatz aber klar verboten. Glaubt man unseren Politikern, dann ist die Mitwirkung an der Lagerung dieser Waffen kein Verbrechen, sondern nur widersinnige Geldverschwendung.

Weder die unverhältnismäßige Tötung Unbeteiligter noch die dauerhafte Verwüstung des Lebensraumes der Menschen steht angeblich zur Diskussion. Wir haben auch in den letzten Tagen immer wieder erlebt, dass dies nicht wahr ist. Ganz unverhohlen wird zum Teil der Angriff auf den Iran diskutiert, zur angeblichen Friedensförderung, wie im Fall des Irak - Atomwaffen nicht ausgeschlossen. Über die Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags, der dem Iran die zivile Nutzung erlaubt und den USA ihre Atomwaffen auf Dauer verbietet, will man lieber nicht reden.

Es ist also nicht nur so, dass es in Europa praktisch unmöglich ist, einen "sicheren" Abwurfort zu finden, wo der Einsatz erlaubt wäre, die Zielplanung ist bekanntlich eine unmenschliche. Solche Leute, die über den militärischen Einsatz faseln, offenbaren bei Licht betrachtet nur ihren wahren Charakter, den juristischen und moralischen Bankrott.

Dazu kommt: Jeder weiss inzwischen oder müsste zumindest wissen, wie wenig das geltende Recht bei uns geachtet wird und wie sehr unsere Politiker vor Kriegseinsätzen uns zu belügen pflegen. Diejenigen, denen unterstellt werden muss, dass sie die wahre Lage dennoch kennen, schrecken offenbar auch nicht vor Völkerrechtsbruch zurück. Wir wissen dies spätestens seit dem Irak-Krieg, als kein einziger General seine Mitarbeit verweigerte - selbst dann noch nicht, als sogar entsetzliche Verbrechen wie in Falludscha und die Folterpraktiken sich nicht länger weglügen ließen. Was war das? Dummheit scheidet wohl aus. Bleiben nur noch andere Dinge wie Feigheit, mangelndes Rechtsbewusstsein und so weiter. Wegen einer derartigen Feststellung wurde Oberstleutnant Rose übrigens disziplinar gemaßregelt. Ich habe schriftlich angefragt, was denn die Gründe dafür sind. Ich werde sehen, ob ich eine nachvollziehbare Antwort erhalte Zumindest, diejenigen, die sich wissentlich an Verbrechen beteiligen, nenne ich öffentlich allerdings sogar Verbrecher. Wer sich zur Mitwirkung an Verbrechen drängen lässt, muss sich hinterher nun einmal entsprechend unbequeme Feststellungen und Fragen gefallen lassen.

Nicht nur für die Unterlassung der Mitwirkung an Angriffskriegen, auch für den geplanten militärischen Einsatz von Atomwaffen gilt:

Es ist besser, nicht an Mord, Totschlag und Verwüstung teilzuhaben.

Der Glaube an die Macht der totalen Überlegenheit unter Rückgriff auf rechtlich und moralisch völlig unhaltbare Methoden, anstatt Förderung von Werten wie Gleichheit, Friedfertigkeit und Würde aller Menschen, ist leider in den USA, aber auch bei vielen Kriminellen in Europa real. Der Gedanke, dass es sich um einen rechtswidrigen Einsatz handelt, dass sie in der Tat kriminell denken, hat diese Leute übrigens sehr oft noch gar nicht erreicht.

Man darf annehmen, dass Leute, die Verbrechen wie im Irak-Krieg hinnehmen und Folter als normal dulden, die zumindest ihre Mitarbeit nicht verweigert haben, vielleicht auch nicht lange zögern werden, zur Durchsetzung ihrer Werte bzw. Interessen Atombomben zu werfen. Die Rechtslage dürfte sie, wenn sie ihnen überhaupt bekannt ist, kaum abhalten.

Ich habe damals meine Mitwirkung am Krieg unterlassen. Anstatt zuzugestehen, dass sich in der Tat niemand an so etwas beteiligen muss, wurde ich zunächst psychiatrisch untersucht und haben meine damaligen Vorgesetzten anschließend versucht, mich durch die Drohung mit der Entlassung zu zwingen, nicht mehr zu prüfen, ob ich an einem Verbrechen mitwirke. Letzteres ist schon für sich strafbar, auch dann, wenn es sich bei dem Angriff auf den Irak nicht um ein entsetzliches Verbrechen gehandelt hätte. Denn einem Soldaten ist es laut Wehrstrafgesetz untersagt, sich rechtsblind zu machen, sogar dann, wenn - wie es bei mir der Fall war - gegen ihn selbst eine Straftat verübt wird, um ihn gefügig zu machen.

Ich wurde noch zu diesem Rechtsbruch genötigt, nachdem ich klargemacht hatte, dass ich solchen Gesetzesbruch der Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft mitteilen müsste. Es scheint genug Leute zu geben, die keine Angst davor haben, später angeklagt zu werden, wie dies jedoch in der Geschichte wiederholt der Fall war. In der Tat werden solche politisch "korrekten" Taten auch in einem Rechtsstaat sichtlich nicht verfolgt. Es muss also damit gerechnet werden, dass auch künftig rechtswidriger Druck ausgeübt werden wird zur Durchsetzung der eigenen Machtposition.

Es ist noch schlimmer: Inzwischen gibt es sogar ein Papier des Ministeriums, in dem gefordert wird, Soldaten wie mich im Fall eines befohlenen völkerrechtswidrigen Angriffskrieges grundsätzlich dazu zu zwingen, das Grundgesetz zu missachten und das Strafgesetz diesbezüglich zu ignorieren. Wie mit Soldaten umgegangen werden soll, die z.B. an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen nicht mitwirken wollen, ist in einer Anweisung des Ministeriums festgelegt. Ich zitiere:

"Zwar gehört das allgemeine Gewaltverbot als unabdingbar zwingende Rechtsnorm zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Es ist aber für die rechtliche Bewertung des Verhaltens einzelner an einem Einsatz beteiligter Soldaten und Soldatinnen ebenso wenig von Belang wie die zu seiner Durchsetzung bestimmten innerstaatlichen Normen (Art. 26 GG und § 80 StGB). Nur wer Einfluss auf die Politische Willensbildung hat, kann gegen das allgemeine Gewaltverbot verstoßen." (Ende des Zitats).

Im Klartext heisst das quasi: "Vergesst das zur Friedenswahrung geschaffene Strafgesetz!". Generäle kann man linientreu auswählen. Die übrigen Soldaten will man offenbar zur Vorbereitung eines Angriffskrieges zwingen können. Die Aufforderung, das Strafgesetz zu ignorieren, soll heissen, dass man als Major wie ich in der Lage sein muss, die politische Führung oder viele Kameraden zu überzeugen, dass sie sich gesetzestreu verhalten müssen, wenn man selbst anständig bleiben und dem Völkerrecht den Vorrang geben möchte vor der Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs durch die Befehle von Verbrechern.

Nun gut - dieser abstrusen Logik folgend rufe ich alle politisch Verantwortlichen auf:

"Beenden Sie das Trauerspiel, dass Soldaten wie ich gezwungen werden sollen, auch im Fall völkerrechtswidriger Angriffskriege zu gehorchen. Beachten Sie das Angriffsverbot. Machen Sie sich bewusst, dass Sie nur rechtmäßige Anweisungen geben dürfen. Dies schließt die Vorbereitung von Angriffskriegen aus. Beenden Sie auch die menschenverachtende ungesetzliche Mitwirkung am Einsatz von Atomwaffen."

Alle, die dem Soldatengesetz unterliegen, rufe ich auf:

"Befolgen Sie keine Befehle zum Angriffskrieg, egal wer Ihnen dies befiehlt! Machen Sie sich nicht so strafbar wie diejenigen, die Ihnen einreden wollen, dass Sie auch daran mitwirken müssten. Nicht nur die Vorbereitung, selbstverständlich auch das Führen und die Mitwirkung an einem Angriffskrieg stehen laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unter Strafe.

Das gilt natürlich besonders auch für den rechtswidrigen Einsatz von Atomwaffen, für den jeder einzelne Mitwirkende zur Verantwortung gezogen werden kann."

Und schließlich rufe ich alle Bürgerinnen und Bürger auf:

"Sie können helfen. Ihre Stimme ist ein Menschenleben wert. Wählen Sie keine Partei, die sich an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligt hat, bzw. die entweder die Beteiligung daran oder an einem verbotenen Einsatz von Atomwaffen nicht mit Sicherheit ausschließt!" (Ende meines Aufrufs)

Der Segen des Ausbleibens eines verlogenen Atomkriegs ist wohl unbestreitbar ein bisschen Nachdenken wert. Es ist hinterher ein sehr schönes Gefühl zu wissen, dass man sich richtig verhalten hat. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, erblicke ich ein menschliches Antlitz, kein Arschloch.

Ich bedanke mich bei Ihnen allen, auch bei denen, die nicht der Bundeswehr angehörigen, besonders bei allen, die bei der Umrundung der allmählich bröckelnden Mauer dabei waren, ganz herzlich für Ihr offenes Ohr und Ihr öffentliches Engagement für eine menschlichere Zukunft.

Ich wünsche der Menschheit Glück und uns daher bald Erfolg, dass die eigentlich Verantwortlichen ihren Pflichten nachkommen, das im Völkerrecht verankerte Angriffsverbot künftig wieder zu achten und diese widersinnigen Vernichtungswaffen auf den Mond auszurichten oder von unserem Boden unverzüglich zu verbannen.

Als Dankeschön und zur Erinnerung überreiche ich Ihnen mit den besten Wünschen diese weisse Rose.

Recht herzlichen Dank!



E-Mail: f-pfaff@arcor.de
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