Antikriegstag 2006


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Antikriegstag 2006

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Gedanken zum Weltfriedenstag / Antikriegstag 2006 - Eröffnung der Ausstellung "Seinen Ort finden" des Antikriegsmuseums in Erfurt am 1. Septem

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wolfgang Geffe

Schopenhauer:

Jede Wahrheit durchläuft drei Stadien:

Zuerst ist sie lächerlich,

Zweitens wird ihr gewaltsam Widerstand geleistet,

Drittens wird sie als selbstverständlich angenommen.

Ich komme gerade vom Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur (gut, dass es einen solchen Platz des Gedenkens in unserer Stadt gibt). Den Text Schopenhauers auf die Deserteure im 2. Weltkrieg angewandt - da gibt es auch bis zu Punkt 3 - der selbstverständlichen Annahme der Wahrheit - noch einen großen Weg zurückzulegen. Der Wahrheit nämlich, dass blinde Pflichterfüllung angesichts zahlreicher Kriegsverbrechen nicht ehrenhaft ist und der Wahrheit, dass die Desertion als Ausdruck der Verweigerung gegenüber einem verbrecherischen Regime alles andere als Feigheit ist. Diese Wahrheit ist nicht selbstverständlich anerkannt, auch noch nicht in der heutigen Zeit.

Dem unbekannten Deserteur (geschätzte 100.000 - 30.000 Prozesse - 20.000 vollstreckte Todesurteile) - gilt es einen konkreten Lebenslauf an die Seite zu stellen. Dies will u.a. diese Ausstellung tun, indem sie teilhaben lässt an der Frage, wie finden Menschen zu Entscheidungen in ihrem Leben, die mutig sind, die von großer innerer Stärke zeugen, die sie aber oft auch zu Außenseitern machen.

Seinen Ort finden - Ihren Ort finden

Wie ist er zu beschreiben dieser Ort? Da fällt mit natürlich so ein Begriff wie "authentisch" ein - in Übereinstimmung leben mit sich selbst, mit den eigenen Entscheidungen und der Umwelt.

Oder innere Ruhe fällt mir ein - so etwas ausstrahlen wie zuversichtliche Gelassenheit.

Und wenn ich an einen Ort denke, den es zu finden gilt, dann denke ich eher an einen Garten mit alten, großen Bäumen als an eine Wüste.

Und wie ist es dann mit Empörung und Zorn? Wie ist es mit einer ausdauernden Leidenschaft für die Gerechtigkeit? Ich denke, das gehört auch dazu, wenn es heißt, den eigenen Ort zu finden. Und wie ist es, wenn man oder Frau lächerlich gemacht wird oder gar, wenn sie gewaltsamen Widerstand erfahren? Was bleibt dann von der inneren Ruhe und Gelassenheit?

Da kann ich mir eher Angst und Verzweiflung vorstellen, innere Leere und Ratlosigkeit.

Ich habe viele engagierte Menschen ermatten sehen in den letzten Jahren, Menschen, die sich in die Innerlichkeit zurückzogen und Menschen, die erschöpft waren von der scheinbaren Erfolglosigkeit ihres Tuns. Wie können wir engagiert leben, ohne die Hoffnung zu verlieren?

Wer für Frieden und Gerechtigkeit arbeitet, hat eine umfassende, große Idee - aber ist doch selbst ein endlicher Mensch mit Grenzen.

Wie können wir kleine Schritte gehen ohne den großen Gedanken zu verlieren oder ohne um des großen Gedankens willen in Gewalt zu verfallen?

Diese Ausstellung ist für mich nicht zufällig in einer Kirche zu sehen. Seit 2000 Jahren steht Kirche für einen Raum, der behilflich sein kann, den eigenen Ort innerhalb dieser Welt zu finden. Viele Bilder und Gestalten stehen da zur Verfügung - der suchende und klagende Hiob, der mutige und doch auch oft verzagte Prophet Jeremia, der sich versteckende Jona und natürlich Jesus,

der seinen Ort gefunden hat, indem er von Gott als dem Vater sprach, der es wagte Gesetze zu brechen, weil sie nicht im Sinne der Menschen waren, der mit allen sprach ohne je seine eigene Position zu verleugnen und der schließlich auch verzweifelt am Kreuz rief: "mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"

Wenn nach dem Ort der Kirche in unserer Gesellschaft gefragt wird, dann muss sie ihn eigentlich nicht immer neu suchen. Im Sinne Jesu ist er bei den Armen, bei denen die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und denen die Bewahrung der Schöpfung etwas bedeutet. Und mitunter würde es auch uns Christen leichter fallen, den eigenen Ort zu bestimmen, wenn wir den Worten Jesu mehr Aufmerksamkeit schenken würden, als den Äußerungen von Staatssekretären und so genannten Wirtschaftsweisen. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit.

Beispiele gelungenen Lebens erleichtern uns die Suche nach dem eigenen Ort - da helfen Personen aus der Vergangenheit und natürlich auch welche aus der Gegenwart.

Lassen Sie mich auf eine Person hinweisen, die gerade in der Gegenwart ein Zeichen setzt für Zivilcourage und die bewusst aus christlichen Motiven heraus handelt.

Major Pfaff verweigert im Frühjahr 2003 die Befolgung eines Befehls, weil sein Vorgesetzter nicht ausschließen konnte, dass mit diesem Befehl der Krieg der Amerikaner im Irak unterstützt wird gegen den Major Pfaff große völkerrechtliche Bedenken hegt.

Er wird degradiert und geht vor Gericht. Und gewinnt. Das Bundesverwaltungsgericht spricht ihn in allen Punkten frei und bestätigt seine schwerwiegenden Bedenken gegenüber dem Irak-Krieg und bestätigt auch die großen Bedenken gegenüber der Beteiligung Deutschlands an diesem Krieg durch die Unterstützung, die gewährt wird.

Dieses Urteil wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Es wird von Seiten der Bundeswehr in seiner Bedeutung versucht herabzumindern. Die Politik ignoriert es. (Übrigens Kirche und Militärseelsorge nicht minder!) Obwohl die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr es eigentlich erforderlich machen, sich mit diesen Fragen viel intensiver zu beschäftigen.

Da steht einer auf, gegen die eigene Institution, gegen die öffentliche Meinung im Land, gegen die Mächtigen, gegen die Macht der Medien. Heute am Weltfriedenstag habe ich eine Person ausgesucht, die im Umfeld des Militärs agiert - ich hoffe, dafür haben Sie Verständnis.

Viele könnten genannt werden - und das macht Mut - über die zunächst gelacht wird, die dann gewaltsamen Widerstand zu spüren bekommen, deren Wahrheit zumeist erst später von anderen anerkannt wird.

So hoffen wir es jedenfalls.



E-Mail: friedensarbeit@ejth.de
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