Antikriegstag 2008


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Antikriegstag 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zur Kundegbung anlässlich des Weltfriedenstages 2008 am 28. August 2008 auf dem Erfurter Anger

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Steffen Lemme (in Erfurt)

Meist ist es nicht einmal mehr eine kurze Notiz wert, wenn vor der Küste Siziliens wieder einmal ein Flüchtlingsboot gekentert ist.

Täglich sterben ungezählte Kinder, Frauen und Männer, nur weil sie sich in Sicherheit bringen wollen. Selbst das größte Risiko nehmen sie dabei in Kauf.

Hinter solchen Tragödien verbergen sich in aller Regel Kriegsdramen.

Fast immer geht es um Macht, Ressourcen oder Sezession".

Die meisten Kriegsopfer weltweit sterben durch Kleinwaffen. Das deutsche G3-Gewehr und die russische Kalaschnikow sind die Massenvernichtungsmittel heutiger Kriege.

Auch unter den weltweiten Top Ten der Waffenexporteure nimmt Deutschland nach den USA, Russland und Frankreich einen der fordersten Plätze ein.

Und: Die Bundeswehr erfährt seit 2006 den radikalsten Umbau ihrer Geschichte. Lühr Henken, der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, erläuterte in seinem Vortrag auf dem Cottbusser Sozialforum 2007 überdeutlich, wie dramatisch sich Aufrüstungspolitik der Bundesregierung in die globalen Militarisierungs-- und Rüstungsstrategien einfügt.

Dieser Vortrag hat mich derart bewegt und aufgeklärt, dass ich einige der Eckpunkte daraus aufgreifen will.

Die Bundesregierung arbeitet intensiv mit an einer strategischen Partnerschaft von EU und NATO. Also an einer Partnerschaft zwischen einem Militärpakt - der NATO - und einer eher zivil geltenden Organisation - der EU - .

Diese Bundesregierung bekennt sich zur deutschen Beteiligung an schnellen Eingreiftruppen von NATO und EU für den weltweiten Einsatz.

Bis 2010 soll die schnelle Eingreifgruppe der EU 80.000 Soldaten umfassen. Als Kriegsmaterial sollen ihr rund 100 Schiffe darunter vier Flugzeugträger, fünf U-Boote, mindestens 17 Fregatten und zwei Korvetten sowie mindestens 400 Kampfflugzeuge zur Verfügung stehen.

Die Bundeswehr stellt mit 18.000 von den 80.000 Soldaten das größte nationale Kontingent aller EU-Staaten.

Dass sich Deutschland in aller höchstem Maße an der Militarisierung der EU beteiligt, ist wahrscheinlich den meisten Menschen überhaupt nicht klar.

Neben der EU- Eingreiftruppe ist die schnelle Eingreiftruppe der NATO mit 25.000 Kampfsoldaten ebenfalls voll einsatzfähig. Die können binnen nur einer Woche an jeden Ort der Welt geschickt werden.

Im 2. Halbjahr 2007 stellte allein die Bundesrepublik gut ein Viertel der gesamten NATO-Einsatztruppe.

Dafür erhält die Bundeswehr eine neue Struktur, die zum Angriff befähigen soll. Ich will nur ein paar einzelne Punkte davon herausgreifen:

Unter die erste Kategorie fallen 35.000 Hightech-Soldaten aller drei Teilstreitkräfte. Dazu 222.500 Unterstützungskräfte.

Die Bremer Firma OHB-System AG stellt für die Bundeswehr ein System von fünf Radarsatelliten samt Bodenstation her. Mit dieser Radartechnik kann jeder Ort auf der Erde anvisiert und ausspioniert werden. Wenn sich die Länder der Welt bedrohter fühlen, so kann ich das verstehen.

Der Bundestag gab am 1. Februar 2007 die Entwicklung eines europäischen Prototyps unbemannter Aufklärungsflieger in Auftrag. Ab 2010 sollen vier weitere beschafft werden.

Erstmals in der deutschen Militärgeschichte hat die Bundesregierung Marschflugkörper bestellt.

Ende Juni 2003 gingen die Eurofighter in Serienproduktion. Bis zu 180 Maschinen sollen in drei Tranchen bis 2015 beschafft werden. Zwei Tranchen bewilligte der Bundestag bereits.

Der Haushaltsausschuss hat auch für die Entwicklung des Luftverteidigungssystems grünes Licht gegeben. Es soll Marschflugkörper und ballistische Raketen mit Reichweiten bis 1.000 km abschießen können. Deutschland ist in seiner Ausdehnung aber weder breiter noch länger als 1.000 km.

Das neue schlanke Heer soll aus fünf Divisionen bestehen. Wesentlicher Bestandteil ist eine luftbewegliche Brigade. Sie soll 64 Kampfhub-schrauber und 32 Transporthub-schrauber erhalten sowie eine 1.600 Soldaten starke Infanterie, die per Gleitschirm einfliegt. Diese Kampftruppe wird aus dem Stand einsetzbar.

Schwere Heereswaffen sollen auch in der Marine Verwendung finden.

Allgemein kann man sagen: Die Globalstrategie der deutschen Marine konzentriert sich auf fremde Küstengewässer und auf das Land dahinter.

Fünf Exemplare der hochseegängigen Korvetten K 130 wurden im Dezember 2001 in Zeiten von Rot-Grün in Auftrag gegeben. Sie haben eine Reichweite von 7.500 km. Inzwischen sind alle fünf Korvetten einsatzbereit.

Damit werden sämtliche Hauptstädte der Küstenländer Afrikas aus sicherer Entfernung beschießbar, aber auch z.B. Damaskus und Pjöngjang geraten nun in die Reichweite der deutschen Marine. Drastischer ausgedrückt: 75 Prozent der Menschheit gerät in den Schussbereich der deutschen Korvetten.

Eine davon heißt Erfurt. Sie wurde von ThyssenKrupp Marine Systems in Hamburg konzipiert, in Emden gebaut und von der Frau unseres jetzigen Bürgermeisters getauft.

Bleiben noch die U-Boote der Klasse 212: Das letzte der vier U-Boote des neuartigen Typs 212 wurde Anfang Mai 2007 in Dienst gestellt. Nochmals zwei wurden vom Bundestag beschlossen.

Diese deutschen U-Boote sind die kampfstärksten konventionellen U-Boote der Welt.

Außerhalb der NATO ist keine Marine fähig, Jagd auf diese U-Boote zu machen. Und exportiert wird deutsche U-Boot-Technik auch: nach Süd-Korea, Israel, Griechenland, Portugal und Italien.

Das ist Kanonenbootpolitik, die mit Landesverteidigung nichts mehr zu tun hat.

Wir verlangen Abrüstung statt Aufrüstung und keine Kriegs- und Rüstungsmandate aus dem Bundestag. Was wir brauchen ist Vernunft und Frieden!



Steffen Lemme ist Vorsitzender der DGB-Region Mittelthüringen.

E-Mail: steffen (Punkt) lemme (at) dgb (Punkt) de

Website: www.region-mittel-nordthueringen.dgb.de
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