Antikriegstag 2008


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Antikriegstag 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag bei der Antikriegstagskundgebung 2008, Karlsruhe

Liebe FriedensfreundInnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Arno Neuber (in Karlsruhe)

Vor zehn Tagen starben im Westen Afghanistans mehr als 90 Zivilisten bei einem Angriff der US-Luftwaffe.

Wir erinnern uns, dass die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen im März 2007 im Bundestag damit begründet wurde, dass die Bundeswehr-Flugzeuge notwendig wären, um eine "höhere Zielgenauigkeit" bei militärischen Einsätzen zu gewährleisten.

Vor fünf Tagen starb ein Bundeswehrsoldat durch eine Sprengfalle in Kundus, im angeblich ruhigen Norden Afghanistans.

Vor vier Tagen wurden an einem Checkpoint zwei Kinder und eine Frau erschossen, vier weitere Kinder verletzt. Von deutschen Soldaten.

Die beteiligten Soldaten treffe keine Schuld, heißt es in einer Erklärung der NATO-geführten ISAF-Truppe.

Das mag so sein, wenn man das Verhalten von Besatzungssoldaten für normal und die Angst von Zivilisten für einen Regelverstoß hält.

Von Schuld frei zu sein - das kann allerdings nicht die Bundesregierung für sich in Anspruch nehmen und auch nicht jene Abgeordneten des deutschen Bundestages, die Jahr für Jahr der Verlängerung des Bundeswehrmandates ihre Stimme geben, die vom zivilen Aufbau in Afghanistan reden, aber die Ausweitung des Militäreinsatzes befürworten.

Tatsächlich kann nach mehr als sieben Jahren US- und NATO-Krieg weder von Demokratie noch von Aufbau gesprochen werden.

Das belegt eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), von der sich die Bundesregierung außenpolitisch beraten lässt. Im Juni 2008 zog man dort eine ernüchternde Bilanz:

Die staatlichen Institutionen in Afghanistan sind fest in der Hand von "demokratiefeindlichen Kräften", die dafür sorgen, dass die Bevölkerung nichts zu sagen hat. Wahlen sind lediglich eine Pflichtübung, die politischen Parteien ohnehin kalt gestellt, das Parlament lediglich "ein untergeordnetes Glied des Staates", selbst das Regierungskabinett nicht mehr als "eine Zustimmungsmaschine ohne politische Bedeutung". Der von den USA eingesetzte Präsident Hamed Karzai führt sich auf wie ein Alleinherrscher - allerdings reicht sein Einfluss nur bis an die Grenzen der Hauptstadt. Im Land herrschen örtliche Kriegsherren und Drogenbarone.

Die SWP-Studie kommt daher zu dem Schluss, dass "ein bedeutender Teil der Aufständischen" nicht einfach als Taliban abgestempelt werden kann, sondern die Regierung wegen ihrer antidemokratischen Politik und ihrer Korruptheit bekämpft.

In einem Bericht von "Acbar", einer Vereinigung von 94 afghanischen und ausländischen Nichtregierungsorganisation, ist davon die Rede, dass 40 Prozent der Hilfsgelder für Afghanistan in die westlichen Geberländer zurückfließen, da sie an Dienstleistungen und Material aus den entsprechenden Ländern gebunden sind. Ausländische Berater, die in großem Stil eingeflogen werden, verdienen in einem Monat zehnmal mehr als ein Afghane, der den gleichen Job macht, in einem Jahr. "Caritas international" berichtet daher, in der afghanischen Bevölkerung herrsche die Meinung vor, "dass an der nachhaltigen Entwicklung des Landes kein Interesse besteht".

Jetzt ist in Berlin wieder die Rede davon, dass man sich verstärkt um den zivilen Aufbau am Hindukusch kümmern müsse.

Bis zum Jahr 2010 sollen insgesamt 420 Millionen Euro für "zivile" Projekte zur Verfügung gestellt werden, dagegen kostete der militärische Einsatz allein im letzten Jahr mehr als 500 Millionen.

Nachdem die Bundeswehr dieses Jahr zusätzlich die Aufgabe einer schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) zur Aufstandsbekämpfung übernommen hat, soll jetzt die Truppe von 3.500 auf 4.500 Soldaten aufgestockt werden. Außerdem haben die NATO-Generäle AWACS-Flugzeuge angefordert, deren Besatzung zu 40 Prozent aus Bundeswehrsoldaten besteht. Auch wenn man in Berlin so tut, als seien diese Flugzeuge zur Koordinierung des zivilen Flugverkehrs da, so geht es im Wesentlichen um Kampfflugzeuge, Truppentransporter, Hubschrauber und unbemannte Drohnen mit Späh- oder Bombardierungsauftrag. Während die Ziele für Bombenangriffe von Soldaten am Boden zugewiesen werden, sorgen die AWACS dafür, "den Kampfflugzeugen die Box frei zu räumen", wie es bei den Militärs heißt. Die CDU-SPD-Koalition möchte im Herbst das Mandat für den Afghanistan-Einsatz um 14 Monate verlängern, damit das Thema aus dem nächsten Bundestagswahlkampf ausgespart bleibt. Wenn es um deutsche Kriegseinsätze geht, will man freie Hand haben. Die Bevölkerung soll die Klappe halten und mit Sozialabbau für die Rüstung bluten.

Mit diesem Wahnsinn muss endlich Schluss gemacht werden.

Wir fordern den Abzug der Bundeswehr jetzt!

Wenn Afghanistan eine Chance zum Frieden bekommen soll, dann muss die ausländische Militärintervention gestoppt werden.

Wir unterstützen daher, die bundesweiten Demonstrationen am 20. September in Stuttgart und Berlin.

Dem Frieden eine Chance. Truppen raus aus Afghanistan.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Der Krieg im Kaukasus hat gezeigt, wie schnell aus geostrategischen Planspielen eine gefährliche militärische Konfrontation werden kann.

In den USA wird der Konflikt genutzt, um den aggressiven Kurs gegen Russland weiter zu forcieren. Kriegstrommeln bringen dem konservativen Lager von John McCain Prozente für den Präsidentschaftswahlkampf.

Dass der georgische Präsident ohne Rückendeckung aus Washington den Angriffsbefehl auf die südossetische Hauptstadt gegeben hat, ist schwer vorstellbar. Der Kaukasus ist vor allem deshalb im Visier der USA, Russlands und der EU, weil es dort um den Transport von Gas und Öl aus der rohstoffreichen Region um das Kaspische Meer geht.

Regierungen, die völkerrechtswidrig Krieg im Irak und in Afghanistan führen, die 1999 Krieg gegen Jugoslawien geführt und die Abspaltung des Kosovo betrieben haben, haben wenig Grund sich nun als Hüter des Völkerrechtes aufzuspielen.

Stattdessen wäre es angebracht umzudenken.

Mir macht es Angst, wie schnell die Bundeskanzlerin in das Kalte-Kriegs-Geschrei einstimmt, wie schablonenhaft die Medien Partei für die georgische Regierung ergreifen und mit teilweise rassistischem Vokabular Russen als per se gewalttätige, entmenschte Raubtiere darstellen.

Das hat nichts mit einer Kritik an der Kriegführung beider Seiten zu tun, die beispielsweise Streumunition gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt hat.

Das SWR-Magazin "Report Mainz" hat inzwischen Bilder gezeigt, die georgische Soldaten im Einsatz in Südossetien mit Sturmgewehren des baden-württembergischen Rüstungskonzerns Heckler & Koch zeigen. Die Bundesregierung hat angeblich keine Ahnung, wie die Waffen dort hingelangt sind.

Das Zentrum für transatlantische Studien in Berlin berichtet von Raketenwerfern aus israelischer Produktion, die auf Daimler-Benz-Fahrgestelle montiert und an Georgien geliefert wurden. Die Bundesregierung schweigt sich dazu aus.

Wir lesen von einer Häufung von NATO-Kriegsschiffen im Schwarzen Meer. "Alles nur Routine" heißt es dazu beschwichtigend aus Berlin.

Vor acht Tagen ist die Fregatte Karlsruhe in Richtung Mittelmeer ausgelaufen. Ihr offizieller Auftrag: Im Rahmen der NATO für die Sicherung der Seewege zu sorgen. Dazu gehöre die Straße von Gibraltar genauso wie der Suezkanal, aber auch die Fahrt in den persischen Golf. In einer Mitteilung des Presse- und Informationszentrums Marine heißt es außerdem: Bei Bedarf könne der NATO-Eingreifverband kurzfristig in Krisengebiete geschickt werden.

Statt Kanonenbootpolitik brauchen wir eine Politik, die auf Rüstungskontrolle, Verbot von Rüstungsexporten, Abrüstung und den Verzicht auf Auslandseinsätze der Bundeswehr setzt.

Wir wollen kein neues Kriegsschiff, das den Namen Karlsruhe trägt. Diese Art Partnerschaft, die Kriegsgerät zu Marineromantik verklärt, muss gekündigt werden.

Wir sagen Nein zur weiteren Ausdehnung der NATO. 60 Jahre sind genug. Schicken wir die NATO endlich in Rente!

Liebe Friedensfreunde!

Ich möchte die arbeitslosen KollegInnen begrüßen, die an unserer Kundgebung teilnehmen.

Während soziale Etats immer weiter zusammengestrichen werden und der Staat sich aus seiner sozialen Verantwortung praktisch verabschiedet, ist für das Militär nichts zu teuer.

Im kommenden Jahr soll der Rüstungshaushalt um weitere 800 Millionen Euro auf 31,1 Milliarden Euro aufgestockt werden. Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für Bildung, Soziales und Umweltschutz fehlt das Geld.

Arbeitslose sind vor allem dann interessant, wenn die Bundeswehr in Jobcentern Nachwuchs für die Truppe rekrutieren kann.

Arbeitslose wollen kein Kanonenfutter sein! Sie brauchen Arbeitsplätze statt weltweite Bundeswehreinsätze!



Arno Neuber ist aktiv beim Friedensbündnis Karlsruhe.

E-Mail: arno (Punkt) neuber (at) t-online (Punkt) de
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