Bush-Besuch Februar 2005


vom:
23.02.2005


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Bush-Besuch Februar 2005

 Redebeiträge Mainzer Kundgebung

Rede zur Demonstration "Not welcome, Mr. Bush!" am 23.02.05 in Mainz

"Nice to meet you - in Mainz."
Treffen Bush/Schröder: Notstandsübung für "Freiheit und Demokratie"

Michael Wilk

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das geplante Treffen von Bundeskanzler Schröder mit dem Repräsentanten der imperialistischen Hegemonialmacht, US-Präsident Bush, am Mittwoch den 23.2. 2005 im "gemütlichen" Mainz sorgt für geteilte Reaktionen. In einer gigantischen, äußerst ungemütlichen Notstandsübung wird die Region "sicher gestellt", als stünde der Bürgerkrieg unmittelbar bevor.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das geplante Treffen von Bundeskanzler Schröder mit dem Repräsentanten der imperialistischen Hegemonialmacht, US-Präsident Bush, am Mittwoch den 23.2. im "gemütlichen" Mainz sorgt für geteilte Reaktionen. In einer gigantischen, äußerst ungemütlichen Notstandsübung wird die Region "sicher gestellt", als stünde der Bürgerkrieg unmittelbar bevor. Verbote des Betretens der eigenen Balkone, Verschweißen der Kanaldeckel, Durchleuchten der Mülleimer, Abschrauben größerer Briefkästen: sicher ist sicher, wenn die "gefährdetste Person" der Zeitgeschichte zwischen MZ und WI-Erbenheim im staatsmännischen Tross kutschiert wird. Ledigliche eine feine kleine ausgewählte Jubeltruppe darf mit mit "Stars and stripes"- und schwarz-rot-goldenen Fähnchen die hohen Herren feiern. Selbst das ansonsten bei uns stets heilige Recht auf freies unternehmerisches Walten und Konsumieren wird für einen Tag außer Kraft gesetzt, die Beschäftigten zum "Zwangsurlaub" genötigt, die potentielle Kundschaft ausgesperrt.

Ganz zu schweigen vom hehren Demonstrationsrecht. Die halbe Mainzer Innenstand wird zur Sperrzone erklärt, damit nicht hör- und sichtbarer Protest die gute Stimmung von Bush&Schröder trübt. Da ist es nur konsequent, dass Politik und Polizei alles Menschenmögliche tun, um die in der Mainzer Innenstadt geplante überregionale Demonstration des Bündnisses "Not welcome Mr. Bush" zu behindern bzw. zu verhindern. Fußgänger-, PKW- und öffentlicher Nahverkehr sollen weitgehend lahm gelegt werden. In einer in der BRD-Geschichte einzigartigen Notstandsübung werden die Autobahnen rings um MZ und WI in Einbahnstraßen verwandelt bzw. stillgelegt. Mögliche Teilnehmer der Demo sollen durch ein martialisches Polizeiaufgebot abgeschreckt werden, wie es die Region noch nie gesehen hat, im Gespräch sind 16.000 Polizisten vor Ort.

Die Repräsentanten von Politik und Wirtschaft dagegen sind geradezu begeistert, wie in der Region "innere Sicherheit" demonstriert und bei der Bevölkerung Akzeptanz für Notstandsplanungen geschaffen werden soll: Trotz gewisser Unannehmlichkeiten "eine Ehre und eine Chance" für die Region, so MP Koch, sich in den Medien weltweit zu präsentieren und sich auf die "Standortqualitäten" des Rhein-Main-Gebietes zu besinnen. "Ich finde es toll, dass Bush hier landet," so ein Herr Weiß für die Wirtschaftsinitiative Rhein-Main. Ein "gewaltiger Imagegewinn", wenn die "ganze Welt Zeuge wird, wie Bush und Schröder vor der historischen Kulisse des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz das Kriegsbeil begraben werden", orakelt das Wiesbadener Tagblatt (17.2.2005).

Wird im Schloss wirklich das Kriegsbeil begraben?

Kampf gegen die "Tyrannei" der "Schurkenstaaten", deren Liste je nach Bedarf von Cuba über Nordkorea bis in den Nahen Osten reicht, ist - spätestens - seit dem 11.9. erklärtes Ziel der US-amerikanischen Politik, als G.W. Bush zur Begründung seiner expansiven Außenpolitik die "Achse des Bösen" erfand. Seitdem führen die USA und ihre Verbündeten in der "Koalition der Willigen" den versprochenen langandauernden "Krieg gegen denTerror": Eroberung Afghanistans, Schaffung einer Kette von US-Militärstützpunkten in den GUS-Nachfolgestaaten bis an die chinesischen Grenzen in Zentralasien, Krieg und nachfolgend Bürgerkrieg im Irak, so die Meilensteine dieser Politik. Im Innern begleitet von einem massiven Ausbau des Repressionsapparates, "Patriot-Act", "Heimatschutz", Grenzen dicht gegen Migranten.

Militärische Aufrüstung ist bis heute das Gebot der Stunde: Erst am 14.2.2005 legte der US-Präsident dem US-Kongress einen Nachtragshaushalt über unglaubliche 81,9 Mrd. Dollar vor: "Der größte Teil des angeforderten Geldes wird sicherstellen, dass unsere Soldaten weiterhin das bekommen, was sie brauchen, um sich selbst zu schützen und ihre Mission zu erfüllen," so Bush. Der gesamte Etat für militärische Ausgaben von insgesamt über 300 Mrd.Dollar macht damit fast die Hälfte der Ausgaben aus, die die USA einst für die Führung des Vietnamkrieges verpulverten.

Diese nackten Zahlen über die Militärausgaben der US-Regierung lassen erahnen, was es zu bedeuten hat, wenn die jüngst ins Amt eingeführte US-Außenministerin "Condi" Rice erklärt, "jetzt ist die Zeit für die Diplomatie." Die Zeit für Diplomatie reicht genau so lange, bis die kommenden Kriege "für Freiheit und Demokratie" (Bush) vorbereitet sind. In ihrer Zielsetzung sind sich der angeblich grobschlächtige Texaner Bush und die smarte Frau Rice mit ihrer medialer "Charmeoffensive" (Frankfurter Rundschau, 4.2.2005) völlig einig: "Die USA werden weiterhin das System internationaler Regeln . unterstützen, das es uns ermöglicht, unsere Freiheit zu nutzen, unsre Volkswirtschaften aufzubauen und unsere Sicherheit zu gewährleisten." (C. Rice, 18.1.2005) Demokratieexport a la Rice in alle Welt bedeutet, neue Eliten v.a. in Staaten der 3. Welt zu installieren, die sich als Gewährsleute für ihre (Wirtschafts-)Interessen eignen, am besten von ihnen selbst ausgebildete "neoliberal programmierte Gruppen", so der brit.-pakistanische Journalist Tariq Ali (Freitag, 18.2.2005) Dies meint die Bush-Administration, wenn sie davon spricht, den Prozess der Demokratie vorantreiben zu wollen.

"Old Europe" als Friedensmacht?

Die BRD und viele Regierungen des "alten Europa" sind mit den USA in einem Geflecht von Zusammenarbeit und Konkurrenz verstrickt. Einerseits wird der Schutz der einzigen zur globalen Aktion fähigen Militärmacht ganz selbstverständlich genutzt, um eigene - wirtschaftliche und strategische - Interessen zu realisieren, möglichst weltweit. Wenn`s um die "Freiheit am Hindukusch" geht, wo laut BRD-Minister Struck ja auch deutsche Interessen verteidigt werden, ist man auf längere Sicht noch auf die USA und ihr Rüstungspotenzial verwiesen. Ohne auf eine eigene militärische Präsenz und auf die Umrüstung der Bundeswehr zu einer global kriegsbereiten Armee zu verzichten.

Andererseits verfolgen die "Europäer" ihre eigene Interessen auch gegen die US-Dominanz. In besonderem Maße gilt dies für den Nahen Osten, und für die BRD-Wirtschaft ist gerade der Iran als "Wirtschaftspartner" von größter Relevanz. Ein Staat, der erst jüngst von Bush/Rice wieder auf die Hitliste der "Tyrannenstaaten" ganz oben gesetzt wurde. Laut FAZ stiegen die deutschen Exporte in den Iran im 2. Halbjahr 2004 um 30 Prozent; in den ersten 6 Monaten wurden allein aus der BRD Waren imWerte von 1,6 Mrd. Euro in diesen ökonomisch bedeutsamsten Nahost-Staat geliefert, trotz aller verbalen Verurteilungen des Ayatollah-Regimes. Deutsche Automobilfirmen (VW, BMW) siedeln sich dort an. Kein Wunder, dass bei den EU-Staaten die offenen militärischen Drohungen der USA gegen den Iran auf wenig Gegenliebe stießen.

Werden in Mainz am 23.2. also endgültig die Kriegsbeile begraben und rauchen Bush und Schröder die "Friedenspfeife"? Eher unwahrscheinlich. Eher wird das Mainzer Schloss Austragungsort eines neuerlichen Abklärens der gegenseitigen Interessenlage: Welche Rolle wird die BRD im "Krieg gegen den Terror" spielen? Wie kann die BRD die verfahrene Situation im irakischen Bürgerkrieg stabilisieren helfen? Werden im Gegenzug die USA die BRD- und EU-Interessen im Iran berücksichtigen?

Aber selbst wenn beim Bush/Schröder-Meeting die Friedenspfeife geraucht werden sollte, müssen sich Menschen auf Dauer auf Krieg einstellen.



Michael Wilk ist aktiv bei AKU Wiesbaden

Website: www.aku-wiesbaden.de
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