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Beruf: Soldatin - die Emanzipationsfalle

Heide Schütz

Nun ist es endlich soweit: der Dienst mit der Waffe darf auch in Deutschland - freiwillig - von Frauen angetreten werden. Die ersten 12 jungen Frauen, die die Eignungsprüfung bestanden, werden zu ganz ,normalen` Angehörigen der Streitkräfte ausgebildet werden und den Dienst in der Bundeswehr mit der Waffe und nicht als Sekretärinnen, Arztinnen etc. leisten, was bisher schon praktiziert wurde. Der Kampfeinsatz soll es ein, schließlich sind sie emanzipiert und wollen es den Jungs gleichtun. Die Liegestütze, die im Fernsehen gezeigt wurden, zeugten von Fitness. Auch die männlichen Mitbewerber hatten keine Probleme: "Wir haben schon viel Spaß gehabt."

Harmlosigkeit läßt grüßen. Sieht so der Paradigmenwechsel aus, der durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes entgegen den Weisungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, d.h. erzwungen wurde? Dieser Prinzipienwechsel ist allerdings von vielen seit langem erhofft bzw. befürchtet worden, gibt es doch bereits Vorbilder in anderen Armeen. Der Riß geht durch die Geschlechter - Alice Schwarzer zumindest wird frohlocken. Das Gleichstellungsgebot hat sich durchgesetzt gegenüber so altmodischen Ansichten, nach denen Frauen zwar Kinder, künftige Soldaten, gebaren und im Krieg die Verwundeten pflegen, aber doch nicht auf dem Schlachtfeld erscheinen sollen, wo man tötet und getötet wird. Das war den Männern vorbehalten.

Das klassische "Schlachtfeld-Szenario" hat sich sowieso überlebt. In den modernen Kriegen stirbt zu 95% die Zivilbevölkerung, d.h. überwiegend Frauen und Kinder, nicht die Soldateska. Warum also nicht zumindest das Gleichstellungsgebot im Militär geltend machen? Die letzte männliche Bastion des Herrschaftsanspruches überwinden?

Als Schülerin konnte ich nicht verstehen, weshalb es soviel unangemessener sein sollte, wenn Frauen im Krieg töteten als Männer. Die Logik dieser männlichen Tötungsberechtigung oder -pflicht konnte ich nicht verstehen. Vom Patriarchat hatte ich kein Ahnung, aber als Luftschutzkellerkind und später Leserin von Borcherts sämtlichen Werken, Bölls frühen Kurzgeschichten und heimlicher Betrachterin von Vaters Kriegsphotos hatte sieh die Abscheu vor dein Kriegsgemetzel 50 tief eingegraben, dass weder der Jugendoffizier damals, noch das Gerede von den "Friedenstruppen" und "Friedenseinsätzen" und der "Verteidigung der Menschenrechte" heute mich bei aller Leidenschaft zur Emanzipation eines anderen belehren konnten bzw. können. Im Gegenteil, heute sehe ich etwas anderes im Vordergrund. Wenn Frauen als Soldatinnen die Erlaubnis, bzw. den Befehl haben zu töten, fällt das letzte Tabu der Unantastbarkeit des Lebens, festgeschrieben in Artikel 1 der Charta der Menschenrechte, aber in jedem Krieg sofort und gründlich ausser Kraft gesetzt.

Die Öffnung des Militärdienstes für Frauen hängt auch zusammen mit dem Legitimationszwang des Militärischen heute. Machen wir uns nichts vor. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes und der Wunsch der jungen Frauen nach Gleichberechtigung kommen gerade recht. Was könnte es besseres geben zur Verharmlosung und gleichzeitigen Legitimation als die Vorzeige-Soldatinnen? Noch dazu, wo jeder dritte Wehrpflichtige heute NICHT den Dienst mit der Waffe, sondern den Zivildienst wählt, obwohl er länger dauert. Der Austrocknung des Reservoirs an Wehrdienstleistenden kann vorgebeugt werden - junge Frauen an die Gewehre. Kurt Tucholsky müßte sein Urteil, anpassen: (Auch) Soldatinnen sind Mörderinnen. Ob sie sich darüber im klaren sind, wenn sie stolz und fröhlich vor der Kamera posieren?

Die Gleichberechtigungsmedaille hat auch noch eine zweite Seite: den Geschlechterkampf. Es den Jungs im Militär gleichtun heißt auch, diesen Kampf aufnehmen. Warum nicht? Nur leider ist erwiesen, dass Mobbing und Vergewaltigung von Frauen im Militär besonders krass ablaufen, weil kaum eine Frau zugeben will, dass es ihr passiert ist, dass ausgerechnet sie diese "Niederlage" erlitten hat. Untersuchungen in der US Armee förderten Erschreckendes zutage. Welche Frau will schon ihr Gesicht verlieren, wo sie doch auszog, das Siegen zu lernen? Und wenn die Liebe oder zumindest das Liebesleben Einzug halten? Eine junge Pilotin, gefeiert zunächst, verlor stracks ihren Job, weil sie ihr Verhältnis mit einem Angehörigen der Truppe nicht aufgeben wollte. Emanzipation? Im Militär gilt: Befehl und Gehorsam. Das ist durchkonstruiert und gilt nicht nur an der Front.

Der Dienst mit der Waffe in der Bundeswehr für Frauen kommt just m dem Jahr, das von den Vereinten Nationen der Kultur des Friedens gewidmet ist. Ab 2001 beginnt dann die Dekade der Kultur des Friedens und der Gewaltfeiheit für die Kinder dieser Welt - laut Beschluß der Generalversammlung der UN. Ein Feigenblatt oder was?

Für Männer und Frauen gilt Bertha von Sultners Befehl: Die Waffen nieder! Warum nehmen wir die Internationale Friedenskonferenz in Den Haag 1999 nicht ernst: "Es ist an der Zeit, den Krieg abzuschaffen - Frieden ist ein Menschenrecht"? Der Kampf um Machtpositionen und trefflichen Profit läßt sich nur den Dummen mit Friedensambitionen verkaufen. Mädchen, laßt Euch nicht für dumm verkaufen.

Heide Schütz



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