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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2003


vom:
07.08.2003


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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2003:

  Berichte/Kundgebungsbeiträge

Mahnwache des Bremer Friedensforums zum 58. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, 6. August 2003, Bremer Marktplatz

Redebeitrag von Helga Rinsky, Bremer Anti-Atom-Forum

In Bremen hat es oft den Anschein, als hätten wir hier mit Atomenergie nicht viel zu tun, weil im Land Bremen kein Atomkraftwerk steht. Doch der Eindruck täuscht: Die Häfen von Bremerhaven sind die Drehscheibe des Nordens für radioaktive Transporte aller Art, circa zwei Mal pro Woche. Das radioaktive Material geht auf seinem Weg von oder nach Bremerhaven über die Autobahn an Bremen vorbei oder per Bahn mitten durch den Bremer Hauptbahnhof, quer durch die ganze Stadt. Darunter ist dann und wann reines, hochgiftiges und waffentaugliches Plutonium, der Grundstoff für die Atombombe.

Darüber hinaus fahren seit Jahrzehnten pro Jahr etwa ein Dutzend Castortransporte mit abgebrannten Brennelementen per Bahn von den norddeutschen AKWs Brokdorf, Brunsbüttel, Krümmel und Stade über Brernen-Mahndorf in die umweltverseuchende Wiederaufarbeitung nach Frankreich oder England, immer wieder aufgehalten und gestört durch Proteste der Anti-AKW-Bewegung. Die Castortransporte aus dem AKW Esenshamm führten lediglich bis 1998 durch Bremen. Etwa sechs Mal pro Jahr gingen sie von der Neustadt kommend durch den Bremer Hauptbahnhof Richtung Osnabrück. Seitdem jedoch in Bremen vor jedem Esenshamm- Transport massive Proteste angekündigt sind, nimmt die strahlende Fracht einen Umweg über Oldenburg und Ostfriesland.

Seit 1966 gibt es wiederkehrend politische Initiativen aus der Bevölkerung, keine radioaktiven Transporte durch Bremen mehr zuzulassen und die Bremerhavener Häfen dafür zu sperren. 12 Stadtteilbeiräte haben einem derartigen Bürgerantrag zugestimmt. Doch der Bremer Senat ignoriert bisher diese Forderungen und will aus wirtschaftlichen Gründen die Bremerhavener Häfen als Universalhäfen offen halten.

Vor unserer Haustür steht, 45 Kilometer Luftlinie vom Marktplatz entfernt, das Atomkraftwerk Esenshamm an der Unterweser. Wenn in dem alten Pannenreaktor ernsthaft etwas passiert, dann können wir in Bremen auch unsere Koffer packen, Denn, wie wir alle wissen, macht Radioaktivität an Landesgrenzen nicht halt.

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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2003
Ursprünglich wurde die Atomtechnologie aus militärischen Interessen entwickelt, erst später entstanden kommerzielle Atomkraftwerke zur so genannten friedlichen Erzeugung von Atomstrom. Doch die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie sind eng miteinander verbunden. Insbesondere die Wiederaufarbeitungstechnik für abgebrannte Brennelemente wurde entwickelt, um dabei Plutonium für den Bau von Atombomben zu gewinnen. Heute liegen große Mengen Plutonium auf Halde, das Risiko der Weiterverbreitung ist groß. Die Industriestaaten liefern Know-how und Atomanlagen auch an Länder, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben und fördern auf diese Weise den Bau von Atomwaffen. Die friedliche Nutzung der Atomenergie existiert nicht.

Auch die zur Stromproduktion genutzte Atomkraft ist eine tödliche Energie, die nicht beherrschbar ist. Das wurde spätestens bei der Katastrophe von Tschernobyl 1986 offensichtlich. Dazu kommt das weltweit ungelöste Atommüllproblem, die irre Vorstellung, dass der Müll Zehntausende von Jahren sicher aufbewahrt werden muss.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung möchte mit diesen Risiken nicht länger leben und fordert den Atomausstieg. Doch der Ausstieg findet auch unter rot/grün nicht statt. Denn mit steuerlich abgeschriebenen Atomkraftwerken lassen sich große Gewinne einfahren. Bisher siegen immer wieder die Pofitinteressen der Atomindustrie über die Lebensinteressen der Menschen. Was uns als Atomausstieg verkauft wird, ist in Wirklichkeit der geordnete Weiterbetrieb der AKWs bis an ihr betriebswirtschaftliches Ende. Der Atomkonsens wurde zwischen den großen Stromkonzernen und der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelt, die Bevölkerung war daran nicht beteiligt.

Demnach soll das letzte AKW circa 2023 abgeschaltet werden, Esenshamm etwa 2013. Doch die nächste anders zusammengesetzte Bundesregierung wird diese Restlaufzeiten kippen, die AKWs werden dann solange laufen, wie es sich für die Stromkonzerne rechnet. Das Einzige, was dann noch vom so genannten Atomausstieg übrig bleibt, werden 12 neue Atommüllhalden an den AKW- Standorten sein.

Das neue Atomgesetz schreibt vor, 2005 die Transporte in die umweltverseuchende und plutoniumproduzierende Wiederaufarbeitung zu beenden. Dann sollen 12 neue Atommüllzwischenlager den Weiterbetrieb der AKWs sichern, eines davon auch in Esenshamm. Doch an allen Standorten haben sich neue Bürgerinitiativen gegen den Bau gebildet. Bundesweit wurden 250.000 schriftliche Einwendungen gezählt. 17.500 allein gegen das Zwischenlager Esenshamm. Es gibt jede Menge Sicherheitsprobleme mit den neuen, überdimensionierten Hallen: offene Lüftungsschlitze, keine ausreichende Sicherheit gegen äußere Einwirkungen wie FIugzeugabsturz, Sabotage, Hochwasser. Auch unter einem grünen Umweltminister konnten sich die vielen Einwenderinnen mit ihren Sicherheitsbedenken nicht durchsetzen. Die Zwischenlagerhallen sollen fast so gebaut werden, wie sie beantragt wurden. Durchsetzen konnten sich mal wieder die AKW-Betreiber mit ihren ökonomischen Interessen, denn zusätzliche Sicherheitsauflagen würden auf Kosten der Betreiber gehen.

Das norddeutsche "Highlight" des Widerstandes gegen die Zwischenlager liegt in Esenshamm. Dort findet, weitgehend unbeachtet von der überregionalen Öffentlichkeit, eine Art stille Revolution statt. Bei einer Bürgerbefragung durch den Gemeinderat stimmten 70 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner über 16 Jahre gegen den Bau des Zwischenlagers. Insbesondere die Bauern sind wach geworden und versuchen mit allen Mitteln, die Atommüllhalde zu verhindern. So konnte mit Hilfe von 60 Treckern vor der Tür der Gemeinderat in einer turbulenten Sitzung unter Druck gesetzt werden, den Bauantrag abzulehnen und zu versuchen, das Zwischenlager über das Baurecht zu verhindern. Und das meinen Bauern und Gemeinderat immer noch ernst.

Was geschieht, wenn demnächst die atomrechtliche Genehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz kommt, wird noch spannend. Es macht Mut zu sehen, dass auch in einer Region, die bisher still war, Widerstand neu entsteht. Und es lässt hoffen, dass es mit dem Atomausstieg doch noch etwas worden kann bevor das nächste Unglück geschieht. Das kann gelingen, wenn die Menschen ihre Lebensinteressen selbst in die Hand nehmen.



E-Mail:   ekkehard.lentz@gmx.de
Internet: http://www.bremerfriedensforum.de
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