60 Jahre
Hiroshima


 voriger

 nächster

Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2005

 Reden/Berichte/Kundgebungsbeiträge

Rathaus der Stadt Lünen am 5. August 2005

Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Hiroshima mahnt: Atomwaffen abschaffen!"

Walter Brehm (in Lünen)

- Sperrfrist: Redebeginn: 5.8.2005, 14 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Sehr geerhrte damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist wahrlich kein erfreuliches Datum, das uns heute hier zusammenführt: Morgen, am 6. August, jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem die US-Regierung zum ersten Mal eine Atombombe militärisch einsetzte. Die japanischen Städte Hiroshima und drei Tage später Nagasaki bezahlten dieses menschenverachtende Finale des 2. Weltkriegs mit rund 200.000 Toten und bis heute mit zahLosen Folgeopfern.

Wir vom Friedenskreis Lünen haben überlegt, was wir in unserer Stadt zur mahnenden Erinnerung tun könnten. Denn es geht ja nicht nur um ein Schreckensereignis der Kriegsgeschichte, sondern um den Beginn einer unfasslichen Fehlentwicklung, die fast ungebremst auf die Zerstörung der Welt zurast. Diese Einschätzung stammt nicht von überängstlichen Leuten der Friedensbewegung, sondern ist Ausdruck aktueller Erkenntnisse hochrangiger Fachleute:



Der frühere US-Verteidigungsminister Robert McNamara nennt die aktuelle Atomwaffenpolitik der USA und der NATO "unmoralisch, illegal und militärisch unsinnig".



Mohamed el Baradei, Generaldirektor der Internationalen Atom-behörde, Leiter der Inspektionen im Irak, der aufgrund seiner Erkenntnisse - sehr zum Ärger der USA - den Irakkrieg für nicht erforderlich gehalten hat, - er sagt zum Zustand der atomaren Bedrohung unserer Welt: "Wenn die Weit ihren Kurs nicht ändert, riskieren wir die Selbstzerstörung ... Noch nie war die Gefahr so groß wie heute. Ein Atomkrieg rückt näher, wenn wir uns nicht auf ein neues internationales Kontrollsystem besinnen." Und er nennt die "nukleare Doppelmoral" als das eigentliche Dilemma: "Wir dürfen nicht länger dem Irrglauben anhängen, dass das Streben nach Atomwaffen bei einigen Ländern moralisch verwerflich ist, während wir bei anderen moralisch akzeptieren, dass sie für ihre Sicherheit auf Atomwaffen bauen"; und ich ergänze: bereits konkrete Einsatzpläne haben für die in den USA neu entwickelten kleineren Atomwaffen.



Darum hat Kofi Annan, der Generalsekretär der UNO, im Mai dieses Jahres die Teilnehmer an der Atomwaffenkonferenz vor den Gefahren einer nuklearen Katastrophe gewarnt.


Weil die nukleare Bedrohung der Welt dramatisch - aber von der Öffentlichkeit kaum bemerkt - wächst, haben wir im Friedenskreis überlegt, wie wir in unserer Stadt der Opfer des Horror-Ereignisses von Hiroshima würdig gedenken und zugleich den in der Bevölkerung vorhandenen Widerstand gegen die nukleare Vernichtungsgefahr stärken können. Denn die Volksmeinung - wir könnten auch sagen: der gesunde Menschenverstand - ist in dieser weltbedrohenden Frage viel weiter als die verantwortlichen Regierungen. Eine Forsa-Umfrage hat überwältigend klare Aussagen erbracht:



9 % halten Atomwaffen für grundsätzlich völkerrechtswidrig, die weder produziert noch gehortet werden dürfen



92% fordern von den Atommächten, zur Schaffung einer atomwaffenfreien Weit schnellstens mit der Verschrottung der eigenen Atomwaffen voranzugehen



89% sind für eine umgehende Beseitigung der auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen.


Ja, das letztere ist deutsche Realität: In unserem Lande lagern 15 Jahre nach Ende der Sowjetunion und des Kalten Krieges noch immer ca. 130 US-Atombomben (in Ramstein und Büchel). Das ist klar völkerrechtswidrig. Erst recht völkerrechtswidrig ist, dass Bundeswehrpiloten mit Bundeswehrflugzeugen den Einsatz üben, um ihn auf Anordnung der USA dann auch zu fliegen.

Angesichts dieser sehr aktuellen nuklearen Bedrohungslage hat unser Friedenskreis 60 Jahre nach Hiroshima 4 friedenspolitische Gegenak-zente gesetzt:



1.Wir haben alle evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Lü-nen, Bork und Seim angeschrieben,; ihnen etwas Informationsmaterial zugeschickt und sie gebeten, angesichts des Hiroshima-Jahrestages in den Gottesdiensten an diesem Wochenende auf die nukleare Bedrohung der Schöpfung einzugehen.



2.Wir haben Bürgermeister Stodoilick gebeten, ein politisches Signal für unsere Bevölkerung zu setzen und sich mit einer ausdrücklichen, schriftlichen Erklärung der von Hiroshima ausgehenden Bewegung "Mayors for Peace" anzuschließen. Das hat er zu unserer Freude am 28. Juni getan.



3.Wir laden ein zur Teilnahme an der bundesweit durchgeführten "Nacht der 100.000 Kerzen" zum Gedenken an die Opfer von Hiroshima und Nagasaki, heute um 22.00 Uhr am Brunnen vor der Stadtkirche St. Georg.



4.Diese Ausstellung im Rathaus der Stadt. Sie ist verbunden mit einer Unterschriftensammlung, mit der wir die Beseitigung der Atomwaffen aus Deutschland fordern.


Die Ausstellung spricht für sich. Die bewegenden Bilder deuten nur an, wieso Atomwaffen ein unverzeihliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind; sie lassen verstehen, warum die IPPNW, die Internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs, eindeutig erklären, dass es gegen diese Waffen keine wirksame medizinische Hilfe gibt.

Das Leitwort des Ev. Kirchentags in Hannover im Mai lautete: "Wenn dein Kind dich morgen fragt ...". Wenn unsere Kinder und Enkel uns morgen fragen: "Habt ihr dem nuklearen Wahnsinn nur zugesehen oder ihn sogar gestützt?", dann möchten wir antworten können: "Als die Regierungen der Welt, angeführt von den USA, die vertraglich vereinbarten Abrüstungsverpflichtungen für Atomwaffen in den Papier-korb warfen, da haben wir in Lünen versucht, sie an der gemeinen Flucht aus ihrer Verantwortung zu hindern. Wir haben uns einer von Hiroshima ausgehenden Bewegung angeschlossen, mit der die Völker der Welt millionenfach forderten, alle nuklearen Bedrohungspotentiale endlich zu beseitigen."

In diesem Sinne wenden wir uns aus Anlass des 60. Jahrestages der Atombombe auf Hiroshima an die Bevölkerung unserer Stadt und bitten sie:



Um der Zukunft unserer Erde willen stimmt ein in den Protest der Völker gegen die nukleare Vernichtungspolitik.



Sprecht unsere Bundestagsabgeordneten auf ihre Verantwortung an, die sie für die Folgen und für die Beendigung der völkerrechtswidrigen Nuklearpolitik haben.



Fordert mit eurer Unterschrift hier im Rathaus, dass als erstes die Atomwaffen aus Deutschland beseitigt werden.


Der Friedenskreis Lünen versteht seine friedenspolitischen Bemühungen als einen Dienst an den Menschen unserer Stadt und darüber hinaus. Darum wünschen wir uns, dass davon heilsame Impulse ausgehen. Ich schließe diese Einführung mit Worten des Friedensnobelpreis-Trägers Willy Brandt, der damals dieses Rathaus seiner Bestimmung übergeben hat: "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts."



Walter Brehm ist Gemeindepfarrer in Lünen und aktiv beim Friedenskreis Lünen.
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles