60 Jahre
Hiroshima


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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2005

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Redebeitrag für die Gedenkfeier "60 Jahre Hiroshima", Göttingen, 6.8.05

Sehr geehrte damehn und Herren,

Frank-Peter Arndt (in Göttingen)

- Sperrfrist: Redebeginn: 6.8.05, 11 Uhr-

- Es gilt das gesproche Wort! -



"Nun werde ich der Tod, der Zerstörer der Welt",
dieser Satz hinduistischer Weisheit ist Robert Oppenheimer am 16. Juli 1945 nach dem ersten Atomwaffentest in der Wüste New Mexikos in den Sinn gekommen. Drei Wochen später wurde die Apokalypse bittere Realität.

Meine Damen und Herren,

zum heutigen Gedenktag an das Grauen über Hiroshima sind wir in der St. Johanniskirche zusammengekommen. Für den Rat der Stadt Göttingen und seine Verwaltung nehme ich als Ausschussvorsitzender für Kultur und Wissenschaft an diesem Gedenken teil.

Vor 60 Jahren am 6. August, 8.15 Ortszeit wurde über Hiroshima die erste Atombombe abgeworfen. Am Himmel über der Stadt notiert Robert L. Lewis, der amerikanische Co-Pilot des B 29 Bomber mit Namen "Enola Gay" den Satz: "Mein Gott, was haben wir getan?", nachdem er den riesigen Atompilz sah.

Drei Tage später zündet die zweite Atombombe über Nagasaki. Mehr als 200.000 Menschen starben bei den beiden Angriffen sofort. 100.000 erlitten schreckliche Verletzungen. Sechs Tage danach kapitulierte Japan. Wie viele Menschen seitdem Opfer des Strahlentods wurden, ist nicht bekannt. Auch Kinder und Enkel der Überlebenden sind noch durch angeborene Missbildungen Opfer der nuklearen Strahlung.

Berlin, Hamburg und München blieben von der nuklearen Zerstörung verschont. Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 war der Krieg in Europa beendet, bevor im Juli 1945 in der Wüste des US-Bundesstaates New Mexiko der erste Nuklearwaffentest durchgeführt wurde. Erst wenige Wochen zuvor war die Charta der Vereinigten Nationen verabschiedet worden, die besagt, "die zukünftigen Generationen von der Geisel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschen gebracht hat". Um militärische Überlegenheit zu zeigen, kündigte die Regierung der USA diesen Konsens auf. Der amerikanische Präsident Harry S. Truman hat seine Entscheidung für den Einsatz dieser Waffe als beste Möglichkeit gewürdigt, einen von Japan begonnenen mit rücksichtsloser Brutalität geführten Angriffkrieg zu beenden. Truman bereute seine Entscheidung nie. Das amerikanische Monopol auf die Bombe hielt jedoch nicht lange.

Wenige Jahre später als die Sowjetunion 1962 Raketen auf Kuba stationierte stand die Welt bereits am Abgrund eines Dritten Weltkrieges, mit der ganz konkreten Gefahr eines unvorstellbaren atomaren Infernos. Der nukleare Schlagabtausch blieb zwar aus, aber das atomare Wettrüsten nahm bis in die 80er Jahre gigantische Ausmaße an. Eine Reihe von Abrüstungskonferenzen reduzierte dann später die Zahl der 50.000 Atomsprengköpfe. Aber auch die verbliebenen Sprengköpfe reichen weiter für den ultimativen Overkill. In seinen Aufzeichnungen über den ersten Bombenabwurf fragte sich noch der Co-Pilot Robert L. Lewis:,Wie viele Menschen haben wir getötet?". 70.000 Tote in den ersten Sekunden ist die Antwort.

Auch 60 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki besteht noch immer die Gefahr eines nuklearen Krieges weiter. Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 verhindert nicht, dass immer mehr Länder Atomwaffen besitzen und weitere danach streben. Nicht zuletzt bieten die Modernisierungsprogramme Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und Chinas einen Anlass zur Sorge. Das Gleichgewicht des Schreckens aus der Ära des Kalten Krieg ist ins Wanken gekommen. Die internationale Kontrolle ist unzureichend. Auch scheint eine große Gefahr durch die so genannte schmutzige Atombombe in der Hand von potentiellen Terroristen zu entstehen. Eine atomare Katastrophe scheint angesichts der Irrationalität des Terrorismus wahrscheinlicher denn je. Die Welt sitzt weiter auf einem atomaren Pulverfass. Statt abzurüsten wird weiter aufgerüstet. Strategischen Überlegungen zum Einsatz so genannter Mini-Nukes für "taktisch begrenzte Nuklearschläge" werden angestellt. Die bittere Wahrheit ist heute, dass das bestehende Atomwaffenpotential mit seiner Zerstörungskraft die gesamte Menschheit gleich mehrfach vernichten kann.

"Wenn die Welt ihren Kurs nicht ändert, riskieren wir die Selbstzerstörung. Wir brauchen dringend einen Fahrplan für die Abrüstung von Atomwaffen. Wir dürfen nicht länger dem Irrglauben anhängen, dass das Streben nach Atomwaffen bei einigen Ländern moralisch verwerflich ist, während wir bei anderen moralisch akzeptieren, dass sie für ihre Sicherheit auf Atomwaffen bauen", mahnte Mohammed el Baradei, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde.

Diejenigen, die der Auffassung sind, wir hätten heutzutage andere Sorgen als uns alle Jahre wieder an die Gräuel der Weltkriege, der Atombombenabwürfe und dem Leid der Menschen zu erinnern, sind die Worte des spanisch amerikanischen Philosophen George Santayana gegen das Vergessen entgegnen zu halten, die er bereits 1905, also noch vor den Weltkriegen aufschrieb: "Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind dazu verurteilt, es noch einmal zu erleben".

Was immer an Rechtfertigungen für die atomaren Bombardierung der Städte Hiroshima und Nagasaki angeführt wurde und wird, im Bewusstsein muss uns die Erinnerung bleiben, dass hier ein Tor zur Vernichtung der Menschheit geöffnet wurde.

Meine Damen und Herren!

In einer Welt voller Massenvernichtungswaffen sind die destruktiven Phantasien und die Begehrlichkeiten von Militärstäben oder von Fanatiker und Verführern, nicht zu unterschätzen. Die Atombombe in ihren Händen ist die ultimative Vernichtungswaffe, gleichgültig zu welchem Herrschaftsanspruch ihr Besitz und Einsatz in Erwägung gezogen wird. Von Grauen des atomaren Infernos lassen sie sich in ihrem Wunsch nach der ultimativen Waffe nicht abschrecken. Der kollektive Genozid, der in Hiroshima seine Generalprobe hatte, ist jederzeit aktivierbar.

"Die entfesselte Macht des Atoms hat alles verändert, nur nicht unsere Denkweise... Wir brauchen eine wesentlich neue Denkweise wenn die Menschheit am Leben bleiben soll", proklamierte Albert Einstein. Eine Welt ohne Atomwaffen, scheint reine Utopie zu sein. Um so mehr brauchen wir aber Visionen für eine andere, bessere, friedlichere Welt.

"Frieden ist das Ziel aller Religionen. Glaubensrichtungen, philosophischen Grundhaltungen. Er ist der große Wunsch aller Rassen, Nationen und Weltanschauungen. Sollte es unmöglich sein, hieraus eine gemeinsame Leidenschaft für den Frieden abzuleiten und daraus den emotionalen und moralischen Antrieb für die Aufgaben werden zu lassen", betonte Willy Brandt. Diesen Gedanken der Leidenschaft für den Frieden sehen wir uns durch den Beitritt der Stadt Göttingen zum Nagasaki-Hiroshima-Bündnis 1987 und durch die Erklärung der Weltkonferenz für den Frieden vom 30.09.1994 verpflichtet. Mehr denn je benötigen wir eine die Welt umfassende gerechte Gesellschaft, eine Gesellschaft eben im Sinne Willy Brandts.

Meine Damen und Herren.

Die Erinnerung an das atomare Inferno von Hiroshima und Nagasaki darf nicht nur den immer weniger werdenden Überlebenden überlassen bleiben. Wir dürfen nicht müde werden, die Erinnerung an die Toten und an die Strahlenopfer der späteren Jahre wach zu halten. Bei der bestehenden globalen atomaren Bedrohung ist nukleare Abrüstung und Frieden weltweit nachdrücklich zu fordern, damit sich die Menschheit nicht selbst auslöscht.

Hiroshima und Nagasaki stehen als ewige Mahnung gegen den Einsatz dieser ultimativen Waffe!

Ich Danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.



Frank-Peter Arndt ist Beigeordneter der Stadt Göttingen.

E-Mail: fp.arndt@t-online.de

Website: www.goettingen.de
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