60 Jahre
Hiroshima


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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2005

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Rede zum 60. Jahrestag des Atombombenangriffs auf Hiroshima, Gehalten am 05.08.2005, Nacht der 100.000 Kerzen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Walter Hoffmann (in Darmstadt)

- Es gilt das gesprochene Wort! -



In dem Darmstädter Film "Brandmale", der die schrecklichen Ereignisse des 11. September 1944 in Darmstadt dokumentiert, sind sich alle Zeitzeugen einig gewesen, dass so etwas Furchtbares wie die sinnlosen Brandbomben auf unsere Stadt, nie wieder geschehen darf. Überlebende berichteten eindrucksvoll, wie sie in der plötzlichen Glut und Hitze in der Nacht sahen, wie ihre Nachbarn, Freunde und Verwandte verbrannten. Die Zeitzeugen, die zu den Ereignissen befragt wurden, zogen aus dem Grauen dieser Nacht Bilanz: Feindschaft und Hass müssen abgebaut werden, Verständnis und Friedfertigkeit muss unser Handeln bestimmen...

Wir sind heute Abend hier zusammen gekommen, um daran zu denken, was vor 60 Jahren in Hiroshima geschehen ist. Wir wollen aber auch daran denken, dass wir seit 60 Jahren in Frieden leben. Und ich will gleich dazu sagen: Dieser Frieden, mit dem wir in Darmstadt in einer Stadtgesellschaft mit vielen Nationen nachbarlich gut, respektvoll und deshalb friedlich zusammen leben, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben aus den Katastrophen des vorigen Jahrhunderts gelernt. Alle Oberbürgermeister dieser Stadt haben das Ihre getan, für den Frieden zu arbeiten. Die vielen europäischen Partnerstädte sind ein wesentliches Element, damit Verständnis und Freundschaft auf internationaler Ebene entsteht und wächst und gepflegt wird.

Nichts ist wichtiger als das Erinnern, das persönliche Erinnern und das kulturelle Erinnern, also das gemeinschaftliche Erinnern. Ich bin deshalb dankbar, dass sich Attac, das Darmstädter Friedensforum, der DGB Region Starkenburg, das Evangelische Dekanat Darmstadt, Frauen für den Frieden, der Konfit-Club der Martinsgemeinde, die Evangelische Kreuzkirchengemeinde, Pax Christi und der Weltladen als Veranstalter zusammengetan haben, um sich mit uns an der Nacht der 100.000 Kerzen zu versammeln. Wir wollen gemeinsam an die Opfer denken, es waren mehr als 200.000, die in Folge des Atombombenabwurfs am 6. August auf Hiroshima und am 9. August auf Nagasaki sterben mussten.

Wir müssen uns aber heute auch der Tatsache stellen, dass Atomwaffen noch immer in der Welt sind und den Frieden bedrohen. Viele glauben, mit dem Ende der Konfrontation der mächtigen Ost-West Blöcke Ende der 80er Jahre sei das Thema "Atomwaffen" aus der Welt. Leider ist das nicht so. Nach wie vor sind unzählige Atomraketen in den USA und Russland unter höchster Alarmbereitschaft. Selbst bei uns in Deutschland werden noch 150 Atomwaffen einsatzbereit gehalten. Einige Länder versuchen, eigene Arsenale aufzubauen. Staaten, die Atomwaffen besitzen, erneuern ihre alten und entwickeln neue. Die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages bei der UNO in New York ist in diesem Jahr kläglich gescheitert. Der Terrorismus und der Zerstörungswahnsinn geben diesen Tatsachen eine neue, schreckliche Dimension.

Als Oberbürgermeister unserer Stadt bin ich mitverantwortlich für die Sicherheit des Lebens und des Eigentums unserer Bürger. Gegen einen Atombombeneinsatz und seine Folgen allerdings ist jedes menschliche Bemühen machtlos. Letztlich gibt es nur einen Weg, unserer Verantwortung gerecht zu werden: Diese Waffen müssen restlos eliminiert werden. Aus diesem Grund unterstütze ich die Vereinigung der "Mayors for Peace". Die sich mit über tausend Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen aus aller Welt unter der Präsidentschaft des Bürgermeisters von Hiroshima, Tadatoshi Akiba für eine weltweite Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020 einsetzt.

Ich weiß wohl, wie ohnmächtig wir hier Versammelten einer Atomkriegsgefahr gegenüber sind. Einer Gefahr, die wir nur abstrakt als Gefahr begreifen können. Aber der Geist in der Flasche ist da. Und wir können nur hoffen, dass die Flasche niemals wieder geöffnet wird.

Aber allein dass wir hier zusammen gekommen sind, allein die Überzeugung und der Wunsch, vermittelt durch die Friedenslichter, kann hier in Darmstadt und überall, wo wir diesem entsetzlichen 9. August vor 60 Jahren gedenken, einen Friedenswillen demonstrieren und die Anteilnahme an den tausendfachen zu beklagenden Schicksalen bekunden.

Wir leben immer mehr in einer Weltgesellschaft. Wir sind weltweit informiert und werden informiert und können uns informieren. Das allein verpflichtet zum Handeln, denn wir können nicht sagen, wir hätten von nichts gewusst. Auch die heutigen Veranstalter, denen ich ausdrücklich für ihr Engagement danke, zeigen, dass wir hier nicht abseits stehen können. Wir schließen uns an und demonstrieren unseren Willen, weiter gegen das Vergessen und für die Erinnerung zu arbeiten und zu handeln. Das ist das Beste, das wir der Bedrohung eines erneuten Atomwaffeneinsatzes entgegenhalten können.

Carl Friedrich von Weizsäcker, Physiker und Philosoph, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, hat etwas gesagt, das ich nicht nur unterschreiben würde, sondern auch in den Alltag übertragen möchte: "Kriege werden geführt wie eh und je; der Waffenstillstand zwischen den Großmächten sichert uns noch nicht vor dem dritten Weltkrieg. Keine der Weltkatastrophen ist notwendig oder gewiss. Aber ihre Verhütung erfordert effektive Vernunft, soziale Gerechtigkeit, politischen Frieden, Naturbewahrung. Diese Begriffe bezeichnen das, was geleistet werden müsste, um die Katastrophen zu verhindern".

Meine Aufforderung an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger ist deshalb, schließen Sie sich an, helfen Sie, damit sich die Katastrophe von Hiroshima niemals wiederholt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.



Walter Hoffmann ist Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt.

Website: www.walterhoffmann.de
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