60 Jahre
Hiroshima


 voriger

 nächster

Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2005

 Reden/Berichte/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag bei der Kundgebung am Antikriegs-Mahnmal von Alfred Hrdlicka (Dammtordamm) in Hamburg am 5. Augsut 2005

Hiroshima-Tag 2005

Herbert Richter-Peill (in Hamburg)

Guten Tag,

ich bin Herbert Richter-Peill, Mitglied der IPPNW, der Internationalen Ärztevereinigung gegen die atomare Bedrohung. Wir sind die Atomärzte, die seit den 80er Jahren versuchen, die Bevölkerung über die todbringenden Gefahren der militärischen und zivilen Atomenergienutzung aufzuklären.

Ich zitiere aus einer japanischen Schrift von 1981: "Durch einen grellen Lichtblitz, der den Himmel zerteilte, und einen Donnerschlag, der die Grundfesten der Erde erschütterte, wurde Hiroshima am 6. 8. 1945 in einem einzigen Augenblick dem Erdboden gleichgemacht. Wo einst eine ganze Stadt gestanden hatte, stieg eine riesige Feuersäule gradlinig zum Himmel auf. Darunter versank die Erde in tiefe Finsternis. (.) bald herrschte eine einzige riesige Feuersbrunst, die von Augenblick zu Augenblick heftiger wurde. Da starker Sturm herrschte, begannen sich halbnackte und splitternackte Körper zu bewegen, dunkel gefleckt und blutüberströmt. Zu Gruppen zusammengeschlossen wankten sie, wie die Geister der Verstorbenen, davon . " Wenn wir und alle Politiker der Welt diese Sätze beim regelmäßigen Fitnesstraining oder bei der Blutdruckkontrolle laut vorlesen müssten, wäre die Chance groß, dass die weltweit zu Tausenden vorhandenen Atombomben immer und jederzeit existenzbedrohend und entsetzlich erlebt würden.

Die Menschen von Hiroshima und Nagasaki erfuhren diesen gewaltigen, tiefgreifenden, lang anhaltenden Horror und das Trauma der Atombombenabwürfe vom 6. und 9. August 1945. In den Vereinigten Staaten, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea glauben immer Politiker und Militärs, dass Atomwaffen einen legitimen Zweck haben und zum eigenen Vorteil genutzt werden können. Die große Mehrheit der Menschen und Nationen auf dieser Erde wollen Atombomben für immer abgeschafft haben. Es ist technisch machbar, diese teuren, ruchlosen und absurd gefährlichen Waffen bis zum Jahr 2020 abzuschaffen. Alles was es braucht ist politischer Wille - und wir sind die Mehrheit.

Die Moral steht im Zentrum der Atombomben-Frage: Wollen wir unsere Welt auf einer Kultur des Friedens oder auf einer Kultur der Gewalt aufbauen? Atomwaffen sind grundsätzlich unmoralisch: Ihre Wirkung ist unterschiedslos, jetzt Lebende werden genauso getötet wie noch ungeborene Generationen. Wir glauben nicht, dass die Menschen dieser Welt eine Politik akzeptieren, die in sich unmoralisch ist und höchstwahrscheinlich in eine Katastrophe führt.

Es gibt bereits Millionen Krebstote durch Atombombentests Vor 60 Jahren, am 16. Juli 1945, wurde in Alamogordo in der Wüste Neumexikos in den USA mit "Trinity" die erste Atombombe gezündet. Seitdem haben die fünf Atomwaffenstaaten USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien und China 2.045 Atomwaffentests in der Atmosphäre und unterirdisch durchgeführt. Das bedeutet: Bis 1998 gab es alle anderthalb Wochen einen Test. Zusätzlich führten Indien und Pakistan zwölf Tests durch. Der weltweite Anstieg von Krebserkrankungen ist auf den radioaktiven Fallout der Atombombentests der Jahre 1957 bis 1963 zurückzuführen.

Lange Zeit wurde bestritten, dass die atmosphärischen Atombombenversuche in Nevada, im Pazifik, auf Novaja Semlja, in Kasachstan und anderswo irgendwelche gesundheitliche Folgen haben könnten. Doch inzwischen steht zweifelsfrei fest, dass die unmittelbar betroffenen Menschen, insbesondere die in Hauptwindrichtung lebenden (die sogenannten Downwinders), unter einer Vielzahl von Krankheiten leiden und ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko haben.

Laut der International Commission on Radiological Protection sind zwischen 1945 und 1989 bislang 1,2 Millionen Menschen an Krebs aufgrund radioaktiver Einflüsse gestorben. Die Europäische Kommission für Strahlenrisiken geht hingegen von 61,7 Millionen Toten aus sowie 1,5 Millionen Kindern und 1,9 Millionen Babys, die bereits im Mutterleib sterben. Das Leitmotiv der IPPNW in den 80er Jahren gegen die atomare Bedrohung lautete: Wir Ärzte werden Euch im Atomkrieg nicht helfen können. Den Angehörigen der ungezählten Toten durch die Atombombentests müssen wir heute sagen: Wir konnten Ihnen nicht helfen, denn gegen radioaktive Strahlenschäden gibt es keine Medizin.

Als Psychiater sehe ich bei manchem altwerdenden Falken des Kalten Krieges mit seiner andauernden Atomkriegsdrohung den Einzug von einer Spur Einsicht ins altwerdende Gehirn, so auch bei McNamara.

Der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara schrieb in der Juni-Ausgabe 2005 der Zeitschrift Foreign Affairs in seinem Artikel Apokalypse bald: "Es ist Zeit - ich finde, höchste Zeit - für die Vereinigten Staaten, ihr Vertrauen in Atomwaffen als Mittel der Außenpolitik aus den Zeiten des Kalten Krieges aufzugeben. Auf die Gefahr hin, als simplizistisch und provokativ abgetan zu werden, würde ich die aktuelle Atomwaffenpolitik der USA als unmoralisch, ungesetzlich, militärisch unnötig und furchtbar gefährlich beschreiben. Das Risiko eines irrtümlichen oder unbeabsichtigten Einsatzes von Atomwaffen ist nicht akzeptabel. Weit von der Verringerung dieser Risiken entfernt hat die Regierung Bush signalisiert, dass für sie das US-amerikanische Atomwaffenarsenal auch in Zukunft der Hauptpfeiler der militärischen Machtausübung bleibt - womit sie unmittelbar zur Erosion der völkerrechtlichen Normen beiträgt."

Atomwaffen abschaffen! Bei uns anfangen

Noch immer halten die USA auf deutschem Boden eine geheim gehaltene Zahl von B61-11 Atombomben bereit, jede davon mit der 5fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe ausgestattet, die vor genau 60 Jahren mehr als 200 000 Menschen in Hiroshima und Nagasaki sofort getötet, viele tausend andere schwer chronisch geschädigt hat. Die IPPNW verurteilte im Juni 2005 die Äußerungen von Bundeskanzler Schröder über USamerikanische Atomwaffen, die im rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt Büchel stationiert sind. Schröder sagte: "Wegen der 20 Dinger in Büchel, verkrache ich mich doch nicht mit den Amis." Wir meinen: "Es ist leichtfertig, wie Schröder mit diesen zerstörerischen Waffen - sie haben 20 mal die sechsfache Sprengkraft der Hiroshimabombe - umgeht. Sie als "Dinger` zu bezeichnen ist zynisch und zeigt, dass unser Bundeskanzler das vernichtende Potenzial von Atombomben offenbar nicht erfasst hat."

Die IPPNW bedauert, dass Bundesverteidigungsminister Peter Struck seine Ankündigung zur Debatte um die nukleare Teilhabe und den Abzug US-amerikanischer Atomwaffen aus Deutschland und Europa offensichtlich nicht mit Nachdruck verfolgt. Struck hatte im Mai 2005 öffentlich angekündigt, mit den NATO-Partnern diese Themen erörtern zu wollen. Nach Meinung der IPPNW hätte das Treffen der nuklearen Planungsgruppe der NATO im Juni 2005 in Brüssel den geeignete Rahmen dafür abgegeben. Stattdessen bekräftigte die Planungsgruppe ihre Nukleardoktrin. Danach verbleibt u.a. Deutschland in der nuklearen Teilhabe, d.h. deutsche Bundeswehrsoldaten müssten mit deutschen Tornados im Ernstfall amerikanische Atomwaffen in deren Zielgebiete fliegen.

Verteidigungsminister Struck machte einen Rückzieher. Es ist bemerkenswert, wie durch Ankündigungen Hoffnungen auf den Abzug der Atombomben aus Deutschland geweckt werden, um kurz darauf für Gutwetter mit den USA alles wieder zurückzuziehen. Ein Sitz im UN-Sicherheitsrat ist offenbar wichtiger als die Bedrohung durch Atomwaffen - und der Sitz im Sicherheitsrat ist nun doch perdu.

IPPNW-Hamburg versuchte in den letzten Jahren - auch mit Unterstützung durch eine Senatsanfrage durch die GAL - Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust dazu zu bewegen, der Internationalen Bürgermeisterbewegung Mayors for Peace beizutreten, was von unserem Bürgermeister kategorisch und barsch abgelehnt wurde.

Hannovers Oberbürgermeister Schmalstieg ist Vizepräsident dieser Weltkonferenz der Bürgermeister für den Frieden. Die Mayors for Peace haben sich zum Ziel gesetzt, auf eine vollständige weltweite atomare Abrüstung hinzuarbeiten.

Die Hamburgische Verfassung formuliert in ihrer Präambel zuvorderst das Selbstverständnis unserer Stadt als "Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern" im "Geiste des Friedens". Von Atomwaffen geht noch immer eine akute Gefahr für die Bevölkerung der Welt aus, insbesondere für die Menschen in Städten, die im Falle eines Einsatzes von nuklearen Waffen ein wahrscheinliches Ziel darstellen würden. Deswegen hat der damalige Bürgermeister der Stadt Hiroshima im Jahr 1982 vor den Vereinten Nationen ein Programm ins Leben gerufen, das die Städte aus allen Ländern der Erde aufruft, sich an Initiativen zur Abwendung der Gefahr durch Atomwaffen zu beteiligen. Die hieraus entstandene Initiative "Mayors for Peace" setzt sich im Wesentlichen dafür ein, einen klaren Zeitplan für eine tatsächliche weltweite Abrüstung von Atomwaffen durchzusetzen.

Seit 1982 sind den Mayors for Peace insgesamt 1.036 Städte weltweit - auch in der USA - und 240 Städte in Deutschland beigetreten, darunter Großstädte wie Hannover, Bremen, Köln oder Frankfurt (Main) mit Bürgermeistern verschiedenster Parteien. Der Hamburger Senat hat einen Beitritt zu dieser Initiative bisher mit der Begründung abgelehnt, Hamburg trete Städteverbindungen grundsätzlich nicht bei. Gleichzeitig vertritt der Senat die Stadt jedoch in den verschiedensten überregionalen Initiativen und Verbänden. Atomwaffen abschaffen! Bei uns anfangen!

Herr Bürgermeister von Beust: Treten Sie "Mayors for Peace" bei und leisten sie so stellvertretend für ihre Bürgerinnen und Bürger einen Beitrag zur Abschaffung der Atomwaffen.

Ich danke Euch für das wohlwollende Zuhören.


E-Mail: h.richter-peill@gmx.de

Website: www.ippnw-hamburg.de
 voriger

 nächster




       
Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
          
Themen   FriedensForum Ex-Jugo Termine   Aktuelles