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Hiroshima-/Nagasakitag 2007

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Redebeitrag anlässlich der Ausstellungseröffnung "Hiroshima - Nagasaki Gedenken, Mahnung, Bedrohung", am 05.08.2007, 11.30 Uhr, im Kulturpunkt

"Seit dem 6. August 1945 gibt es den Frieden nicht mehr."

Herbert Schmlastieg (in Krefeld)

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: Redebeginn -

Zu diesem Ergebnis ist die deutsche Schriftstellerin Ingeborg Drewitz gekommen.

62 Jahre sind inzwischen vergangen, seit amerikanische Atombomben am Ende des 2. Weltkrieges am 6. August 1945 Hiroshima und, drei Tage später, am 9. August; Nagasaki in Schutt und Asche legten. Das Leid, das damals den Bewohnern der beiden japanischen Städte zugefügt wurde, dauert bis heute an.

In jedem Jahr nimmt aufgrund der heimtückischen Strahlung, die durch die Explosion freigesetzt wurde, die Zahl der Opfer der Atombomben weiter zu. Es trifft selbst Menschen, die zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht geboren waren. Weil ihre Eltern am Explosionsort der Strahlung ausgesetzt waren, haben sie unter unheilbaren Krankheiten und Behinderungen zu leiden.

Darum hat Ingeborg Drewitz Recht. Es kann und wird keinen Frieden geben, so lange es solche Waffen gibt. Es kann und wird keinen Frieden geben, so lange die endgültige atomare Abrüstung nicht endlich Wirklichkeit wird.

Ich bin gern nach Krefeld gekommen, um hier heute, am Vortage des Hiroshima Tages auf Einladung des Friedensbündnisses Krefeld und auf Bitten von Bürgermeister Bernd Scheelen an der Eröffnung der Ausstellung "Hiroshima - Nagasaki, Gedenken, Mahnung, Bedrohung" teilzunehmen und zu Ihnen zu sprechen.

Vielleicht wissen Sie, dass Hannover seit 25 Jahren die Partnerstadt Hiroshimas ist. Aber, wenn es um Hiroshima geht und darum, mitzuhelfen, dass die Forderung nach vollständiger und umfassender atomarer Abrüstung nicht verstummt, dann ist mir das auch ein persönliches Anliegen.

Die Beseitigung der atomaren Bedrohung ist nicht nur ein außenpolitisches Thema. Wie die Weltbevölkerungsstatistik der Vereinten Nationen kürzlich festgestellt hat, leben inzwischen die Hälfte der Menschen in den Städten. Es betrifft die Städte darum unmittelbar, wenn Kriege das Leben vieler Menschen bedrohen oder, im Falle von Atomkriegen, insgesamt gefährden, und deshalb ist dies auch ein Thema der Kommunalpolitik.

Zusammen mit den Bürgermeistern aus Hiroshima und Nagasaki erheben immer mehr Bürgermeister aus aller Welt als "Mayors for Peace" (Bürgermeister für den Frieden) darum ihre Stimme und fordern die vollständige atomare Abrüstung. Sie wollen nicht, dass die Städte zu Angriffszielen in einem Atomkrieg werden!

Vor allem in den 80er Jahren ist die Sorge wegen der weltweiten atomaren Bedrohung und die Forderung nach einem Stopp des nuklearen Wettrüstens auch eng mit dem Namen Krefelds verbunden gewesen. Über vier Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger haben damals, vor 25 Jahren den sog. "Krefelder Appell" unterschrieben. Sie sprachen sich damit gegen die Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern in Mitteleuropa aus. Zum "Krefelder Forum", das im November 1980 diese Forderung formuliert hatte, hatten einige Vertreter der "Kampf dem Atomtod" - Bewegung wie Pastor Martin Niemöller und Helmut Ridder nach Krefeld eingeladen.

Wer sich an diese Zeit zurück erinnert, der weiß, dass die Frage der Nachrüstung damals sehr kontrovers diskutiert wurde. Trotz hunderttausender engagierter Bürgerinnen und Bürger, die sich bei machtvollen Demonstrationen dagegen aussprachen, hatte der Bundestag damals mehrheitlich der Nachrüstung zugestimmt. Glücklicherweise hat die Entwicklung dann mit der Beendigung des Kalten Krieges und der Aufhebung der Teilung Europas Ende der 90er Jahre einen anderen Verlauf genommen.

Mit dem INF-Vertrag zwischen Ronald Reagan und Michall Gorbatschow wurde vor 20 Jahren die Stationierung der Pershing II rückgängig gemacht und ein wirklicher Abrüstungsvertrag zwischen den Nuklearmächten geschlossen. Und damit wurde auch die Forderung des Krefelder Appells gewissermaßen nachträglich erfüllt.

Heute ist es wesentlich schwieriger als damals, Menschen für die Forderung nach nuklearer Abrüstung zu mobilisieren, obwohl die atomare Bedrohung in der Zwischenzeit nicht geringer geworden ist. Aber diese Forderung ist heute politisch nicht mehr so kontrovers. Unter den über 300 Städten und Gemeinden allein in Deutschland, die sich den "Mayors for Peace" angeschlossen haben, - Krefeld gehört auch dazu - sind Städte mit ganz unterschiedlichen politischen Mehrheiten.

So laden z.B. in diesem Jahr in Mutlangen, in Baden Württemberg der dortige CDU-Bürgermeister und der ebenfalls in der CDU verankerte Landrat gemeinsam mit dem SPD-Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd zu einer Veranstaltung ein, aus Anlass des 20jährigen Bestehen des INF-Vertrages.

In diesem Zusammenhang gilt es daran zu erinnern, dass auch hier in Deutschland nach wie vor atomare Sprengköpfe gelagert werden. Der Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und deren Verschrottung ist eine wichtige Forderung. Es ist erfreulich, dass die US-Regierung fast unbemerkt von der Öffentlichkeit den überwiegenden Teil der von den USA hier in Deutschland gelagerten atomaren Waffenpotentiale inzwischen bereits abgezogen hat. Umso wichtiger ist es deshalb, deutlich zu machen, dass wir überhaupt keine Atomwaffen wollen, hier in Deutschland nicht und auch nicht anderswo und dass mit dem Abzug der restlichen noch in Deutschland verbliebenen Sprengköpfe dazu ein entscheidender Schritt geleistet wird.

Ich appelliere deshalb an die Bundesregierung mit dem Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und der Einstellung der Mitarbeit an Planung und Einsatz von Atomwaffen auch selbst einen Beitrag zu leisten für eine atomwaffenfreie Welt.

"Unsere Zukunft atomwaffenfrei"

Dies ist das Motto, unter dem die diesjährigen Aktivitäten der im Trägerkreis "Atomwaffen abschaffen, bei uns anfangen" zusammen geschlossenen Friedensinitiativen stehen. Sie wollen damit erreichen, dass Deutschland zur nächsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in zwei Jahren atomwaffenfrei ist.

Leider ist die Sorge vor einem erneuten Wettrüsten nicht unbegründet und die Forderung nach wirksamen Schritten zur nuklearen Abrüstung ist darum mehr als berechtigt und aktuell. Das macht die geplante Stationierung von US-Raketenabwehrbasen in Europa deutlich. Wer es Ernst meint mit Abrüstung und Frieden und mit dem Versprechen, dass sich Hiroshima und Nagasaki niemals wiederholen dürfen, der kann und muß dazu heute "nein" sagen.

Erfreulicherweise steht die Friedensbewegung mit der Forderung nach atomarer Abrüstung nicht allein. Zwei ehemalige ranghohe amerikanische Politiker leisten in dieser Frage mit ihren Argumenten Unterstützung. Die beiden früheren US-Außenminister Henry Kissinger und George Schultz, von denen man dies sicher nicht erwartet hätte, haben sich zu Beginn dieses Jahres in einem Artikel im Wallstreet-Journal zu Wort gemeldet. Zusammen mit dem ehemaligen Verteidigungsminister William Perry und dem früheren Vorsitzenden des Streitkräfteausschusses im US-Senat, Sam Nunn fordern sie von ihrer Regierung umgehende Schritte in eine atomwaffenfreie Welt.

"Wenn nicht schnellstmöglich gehandelt wird", so stellen sie gemeinsam fest, "werden sich die USA ungeachtet der terroristischen Bedrohung bald gezwungen sehen, in ein neues Nuklearzeitalter einzutreten, das riskanter, psychisch belastender und noch kostspieliger wird als die Abschreckung während des Kalten Krieges."

Aber es geht nicht nur um Kosten, es geht um Menschenleben ja, um das Überleben der Menschheit insgesamt. Dies machte der ehemalige indische Premierminister Rajiv Gandhi 1988 vor der UN-Vollversammlung deutlich. "Ein Atomkrieg bedeutete nicht den Tod von 100 Millionen Menschen oder sogar einer Milliarde. Er hätte die Auslöschung von über vier Milliarden Menschen zur Folge: Das Ende des Lebens, wie wir es auf dem Planeten Erde kennen."

Wenn US-Politiker, die nicht unbedingt als Friedensengel bekannt sind, jetzt in dieser Weise die Abrüstungsdiskussion beleben, dann ist das schon ein deutliches Signal dafür, wie groß die aktuelle Gefahr eingeschätzt wird, die von den Atomwaffen ausgeht. Zugleich macht dies aber auch deutlich, dass eine Chance besteht, zu Änderungen zu kommen, Fortschritte zu erreichen.

In dem erwähnten Zeitungsartikel wird auf Ronald Reagan und Michasl Gorbatschow verwiesen, die gemeinsam die Vision von der Abschaffung aller Nuklearwaffen teilten. Auch wenn sie dieses Ziel nicht erreicht hätten, so sei es ihnen doch gelungen, das Wettrüsten zu beenden und Schritte einzuleiten, die zu einer deutlichen Verringerung der Zahl atomarer Langstreckenraketen und der Eliminierung einer ganzen Gattung bedrohlicher Waffen, der Mittelstreckenraketen, führten,

Die Vision von der vollständigen nuklearen Abrüstung wollen die ehemaligen US-Politiker mit ihrem Artikel wieder beleben. Sie finden dabei Unterstützung durch Michail Gorbatschow, der auch die russische und die europäischen Regierungen zu Fortschritten in der nuklearen Abrüstung aufforderte und sich mit dem Appell: "Es ist unsere Pflicht, sie zu unterstützen, diesen Herausforderungen zu begegnen!" an uns alle wendet.

Diesen Gedanken will auch die Kampagne "Unsere Zukunft atomwaffenfrei" aufgreifen, die in diesen Tagen startet. So ist die heutige Eröffnung der Ausstellung "Hiroshima - Nagasaki, Gedenken, Mahnung, Bedrohung" gewissermaßen auch ein Auftakt dazu. Dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger diese Ausstellung besuchen und mit uns gemeinsam für ein Ende der atomaren Bedrohung eintreten, das ist mein Wunsch.

Nie wieder Hiroshima! Nie wieder Nagasaki!



Dr. Herbert Schmalstieg ist ehem., Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover. Vita siehe hier

E-Mail: bernd (Punkt) grimpe (at) Hannover-Stadt (Punkt) de

Website: www.hannover.de
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