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Hiroshima-/Nagasakitag 2007

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Redebeitrag zum Hiroshimatag 2007 in Ramstein am 4. August 2007

62 Jahre nach Hiroshima: Atomwaffen verschrotten !

Istar Buscher (in Ramstein)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir schreiben das Jahr 2025. Die USA und Großbritannien befinden sich seit Jahren im Krieg mit einem Staat im Nahen Osten. Es geht um die letzten verbliebenen Ölquellen der Welt. Die arabische Regierung hat gegenüber den Kriegsgegnern seit kurzem einen totalen Ölboykott verkündet.

Die USA haben endlich erreicht, dass die NATO sich für den sofortigen Einsatz von Atomwaffen ausspricht. In dieser Situation fordert das Bündnis Unterstützung von der deutschen Bundesregierung. Deutschland wird gebeten, eine Jagdbomber-Staffel zur Verfügung zu stellen, um die Atomwaffen zu transportieren und über fest definierten Zielen abzuwerfen.

"Bündnissolidarität und faire Lastenverteilung erfordern, dass Deutschland bei der nuklearen Teilhabe einen seiner Rolle im Bündnis entsprechenden Beitrag leistet", so die Rechtfertigung des deutschen Verteidigungsministers (1).

Science Fiction ? Ein Gruselmärchen ? Keineswegs (2).

So könnte es in der Tat geschehen. Denn seit 1965 lagern US-amerikanische Atombomben auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel bei Cochem an der Mosel. Ebenfalls seit Jahren trainieren Bundeswehrpiloten den Umgang mit genau diesen Atomwaffen. Verladen, Ziel anfliegen, Ausklinken.

In Büchel lagern nach allgemeiner Lesart noch etwa zwanzig Atombomben des Typs B-61.

Offiziell wurde deren Präsenz nie bestätigt. Genausowenig, wie die Präsenz von Atomwaffen auf dem US-Stützpunkt hier in Ramstein jemals offiziell bestätigt worden ist.

Allgemein wurde bisher davon ausgegangen, dass in Ramstein bis zu 130 Atombomben des Typs B-61 gelagert sind (3).

Jede B-61-Bombe des modernsten Typs hat die 5fache Sprengkraft der Atombombe, die im August 1945 - übermorgen vor 62 Jahren - die Stadt Hiroshima in Schutt und Asche gelegt hat. Das bedeutet: in Büchel lagert das Vernichtungspotenzial von 100 Hiroshima-Bomben. Und in Ramstein wären es 650 Hiroshima-Bomben.

Man muß sich einmal klar machen, was das eigentlich heißt. Der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima kostete im ersten Jahr mehr als 140.000 Menschenleben. Der Abwurf der Atombombe auf Nagasaki - drei Tage später - kostete 80.000 Menschenleben. An den zum Teil vererbbaren Spätfolgen litten und leiden heute noch mehr als eine halbe Million Menschen (4).

Aber was sagen schon Zahlen, - es reichen Bilder, um sich klarzumachen, was da geschehen war.

Bilder, die für immer in unserem Gedächtnis haften bleiben. Das Foto von der Armbanduhr zum Beispiel, die in dem Moment stehen blieb, als die Bombe fiel; - der Besitzer der Armbanduhr war restlos verbrannt. Oder das Foto mit dem Schatten eines Menschen auf der Leiter; Mensch und Leiter verbrannten - ihr Schatten blieb der Nachwelt erhalten (5).

Die US-Regierung hatte Hiroshima und Nagasaki gezielt ausgesucht, um die Wirkung dieser neuen Waffen zu testen. Dafür wurden die beiden Städte von Angriffen mit konventionellen Bomben ausgenommen (6). Den Einsatzbefehl gab der neu ins Amt gekommene US-Präsident Truman übrigens vom Verhandlungstisch der Potsdamer Konferenz aus, wohl um Stalin zu beeindrucken.

Die in Rheinland-Pfalz lagernden Atombomben sind im wahrsten Sinne ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Denn mit dem vor genau 20 Jahren abgeschlosssenen INF-Vertrag - der als Signal für das Ende des Kalten Krieges galt - wurden zwar die Trägerraketen der Atomwaffen auf beiden Seiten abgebaut - die atomaren Sprengköpfe aber nicht. Die USA bauten daraus die aktuell noch stationierten B-61 Bomben (7).

Vor knapp vier Wochen nun veröffentlichte das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit eine Einschätzung US-amerikanischer Wissenschaftler, wonach die USA diese Atomwaffen seit 2005 aus Ramstein entfernt hätten. Als Beweis gilt den US-Forschern, dass Ramstein erstmals nicht mehr auf einer Pentagon-Liste der regelmäßig zu wartenden Atomstandorte vertreten wäre. Natürlich herrscht zu dieser Meldung wieder einmal Schweigen auf Seiten der US-Regierung (8).

Warum unterstützt eigentlich niemand die Forderung nach einer Überprüfung des Abzugs der Atomwaffen durch ein unabhängiges, internationales Experten-Team ? Wären die Atombomben wirklich - und für alle Zeiten - aus Ramstein entfernt, so ist dies wohl nicht zuletzt dem unermüdlichen und jahrelangen Einsatz hunderter friedensbewegter Menschen zu verdanken, die nicht nachgelassen haben, immer wieder den Abzug der Atomwaffen zu fordern.

Es wäre allerdings notwendig - neben einer unabhängigen Überprüfung des Abzugs - auch eine Garantie zu erhalten, dass diese Waffen niemals mehr zurückkehren können ! Wir dürfen nicht aufgeben in unserem Bemühen um eine atomwaffenfreie Welt. Wir dürfen nicht aufgeben, nur weil die Atombomben jetzt vielleicht nicht mehr in unseren eigenen Gärten stehen.

In Europa haben allein die USA aktuell noch mindestens 350 Atombomben stationiert: in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Italien und der Türkei. Die nationalen Atomwaffen-Arsenale Frankreichs und Großbritanniens sind dabei noch gar nicht mitgerechnet.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass die deutsche Bundesregierung weiterhin in der Bundeswehr speziell trainierte und ausgestattete Jagdbomber-Geschwader unterhält, um sich eine "nukleare Teilhabe" zu sichern.

Genau 50 Jahre ist es her, dass 18 mutige deutsche Atomwissenschaftler in der Göttinger Erklärung forderten, die BRD solle "ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichten"; jedenfalls "wäre keiner der Unterzeichneten bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Form zu beteiligen"(9).

Mit dieser Erklärung waren die nicht sonderlich geheim gehaltenen Pläne der Adenauer-Regierung für ein nationales Atomwaffenprogramm Westdeutschlands schlagartig vom Tisch (10). Die Strategie der "nuklearen Teilhabe" wurde daraufhin als Ersatz für eigene Atomwaffen entwickelt.

In einem Punkt waren die Unterzeichner der Göttinger Erklärung aber nicht ganz exakt: in der Frage der Trennung von militärischer und ziviler Atomforschung. Wie der Wirtschaftshistoriker Joachim Radkau nachgewiesen hat, war 1957 rein technisch an eine Trennung von militärischer und ziviler Nutzung der Atomenergie überhaupt noch gar nicht zu denken. Denn der Grundstoff für Atombomben war - und ist - ein "Abfallprodukt" der Atomenergiegewinnung (11).

Eine atomwaffenfreie Welt ist also ohne einen generellen Ausstieg aus der Atomenergie überhaupt gar nicht möglich !

Deutsche Regierungen und Industrie haben sich auch nie geniert, deutsche Atomtechnologie (mit dem Know-how zum Bombenbau ...) an gute Kunden in aller Welt zu verkaufen: an Brasilien, Pakistan und - nicht zuletzt an den Iran unter Schah Reza Pahlevi. Was in der aktuellen Diskussion über die neue Atommacht Iran meist verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass es ein deutscher Großkonzern war, der in den Siebziger Jahren begann, das erste Atomkraftwerk im Iran zu bauen (12).

(Ganz deutlich muß hier das Recht des Iran auf eine zivile Nutzung der Atomenergie betont werden; - auch wenn uns als Atomenergie-Kritikern das vielleicht nicht schmeckt).

Womit wir wieder in Ramstein wären: sollte es jemals zu einem Krieg zwischen den USA und dem Iran kommen, so wäre der Militärstützpunkt Ramstein der Dreh- und Angelpunkt der USamerikanischen Logistik.

Fassen wir zusammen. Unsere Forderungen müssen lauten:



Verschrottung aller Atomwaffen weltweit !



Abzug aller Atombomben aus Deutschland !



Die Bundesregierung muß auf die Politik der "nuklearen Teilhabe" verzichten !



Der Ausstieg aus der Atomenergie muß konsequent fortgeführt werden !



Die Bundesregierung darf keinem anderen Staat gestatten, militärische Einrichtungen, die sich in Deutschland befinden, zum Zwecke der Kriegsführung zu benutzen !



Frieden für den Nahen Osten: Schluß mit dem US-Abenteuer im Irak ! Kein Krieg gegen den Iran !






attac Regionalgruppe Baden-Baden

Die Regionalgruppe Baden-Baden des globalisierungskritischen Netzwerks attac wurde am 8. Mai 2002 offiziell gegründet. Die Gruppe ging direkt aus der bereits seit Jahren aktiven Baden-Badener Friedensinitiative hervor.

Wir haben Kundgebungen und Mahnwachen gegen den Bosnien-Krieg und den Irakkrieg organisiert. Im Frühjahr 2003 konnten 5.000 Unterschriften gegen den Krieg im Irak gesammelt werden. Wir beschäftigen uns seither immer wieder mit den Themen "Krieg" und "Frieden" - unter unterschiedlichsten Aspekten. Medienbeobachtung und -Analyse ist dabei ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Die Analyse von Kriegsberichterstattung (Fotografie und Presse), Spielfilmen und Dokumentarfilmen führte u.a. zu einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit der örtlichen Volkshochschule.



Quellen / Anmerkungen:

(1) Weißbuch der Bundeswehr 2007, nach: Süddeutsche Zeitung, 13.07.2007

(2) Peter Blechschmidt: Tornados als Reserve - Bundeswehr bleibt "nuklearfähig".

Süddeutsche Zeitung, 13.07.2007

(3) Otfried Nassauer: US-Atomwaffen in Deutschland und Europa. BITS, Stand: August 2005.
http://www.bits.de/public/stichwort/atomwaffen-d-eu.htm; Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Atomwaffen in Deutschland. Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, 20.01.2006, Dok 16/424. http://www.nukestrat.com/us/afn/Germany_questions012006.pdf

(4) Die ersten Atombomben. TAZ, 06.08.2005

(5) Z.B. Gerd Greune / Klaus Mannhardt (Hrsg.): Hiroshima und Nagasaki. Bilder, Texte, Dokumente. Köln (Pahl-Rugenstein) 1982

(6) Die ersten Atombomben. TAZ, 06.08.2005

(7) INF:
http://www.armscontrol.de/dokumente/Vertraege/Beschreibungen/n
uklear.htm
; Otfried Nassauer: US-Atomwaffen in Deutschland und Europa. BITS, Stand: August 2005. http://www.bits.de/public/stichwort/atomwaffen-d-eu.htm;

(8) Otfried Nassauer: Ramstein ohne Atomwaffen. BITS 12.07.2007,
http://www.bits.de/public/articles/sueddeutsche120707.htm. Matthias Gebauer, John Goetz: USA haben Nuklear-Arsenal in Ramstein geräumt. Spiegel Online, 09.07.2007. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,493451,00.htm
l


(9) Das Göttinger Manifest der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957.
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/JahreDesAufbausInOstUndW
est_erklaerungGoettingerErklaerung/index.html


(10) Matthias Küntzel: Bonn und die Bombe - deutsche Atomwaffenpolitik von Adenauer bis Brandt. Frankfurt/M. - New York (Campus Verlag) 1992

(11) Joachim Radkau: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945-1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse. Reinbek (Rowohlt) 1983

(12) Kernkraftwerk Buschehr.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Buschehr





Istar Buscher ist aktiv bei der attac Regionalgruppe Baden-Baden

E-Mail: istar (Punkt) buscher (at) gmx (Punkt) de

Website: www.attac.de
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