Hiroshima-
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06.08.2009


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Hiroshima- u. Nagasakitag 2009

 Reden/Berichte/Kundgebungsbeiträge

Ansprachen am 6.8.2009 auf der Domplatte in Köln und in Büchel am 9.8.2009

Liebe Freundinnen und Freunde,

Bernd Hahnfeld (in Köln und Büchel)



- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn 16 Uhr -

- Es gilt das gesrpochene Wort -



Wir trauern um die Opfer der beiden Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki vor 64 Jahren. Ihre Leiden und ihre Qualen sind eine Mahnung an alle Lebenden: Schafft diese Massenvernichtungswaffen endlich ab.

Die Toten und Verletzten von Hiroshima und Nagasaki sind der Preis einer menschenverachtenden und durch nichts zu rechtfertigenden Machtpolitik, die leider auch heute noch Anhänger hat. Damals wie heute zielt diese Politik - losgelöst von dem Gedanken des Schutzes und der Verteidigung und jenseits aller Ethik und Moral - darauf ab, mit der Drohung der Massenvernichtung gewaltsam Angst und Schrecken zu verbreiten und so Zeichen ihrer Überlegenheit zu setzen.

Im August 1945 lag Japan militärisch am Boden. Die Kapitulation war absehbar. Militärisch geboten war der Einsatz der - ursprünglich für den Kampf gegen Deutschland entwickelten - Atombomben nicht. Die Politiker der USA haben der Welt mit dem Abwurf der Bomben ihre globale Überlegenheit eindrucksvoll und skrupellos vorgeführt. Das war kalkulierter Massenmord, und es schmerzt noch heute, dass die Verantwortlichen deswegen nicht vor Gericht gestellt worden sind.

Die Politik ging einen anderen Weg. Wie ein Schimmelpilz verbreitete sich der Gedanke der atomaren Rüstung in der so genannten zivilisierten Welt. In den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts bedrohten sich die beiden Militärblöcke schließlich mit 70.000 atomaren Sprengköpfen - die meisten viel stärker als die Bomben von Hiroshima und Nagasaki. Wir wissen heute, dass es angesichts der zahlreichen Fehlalarme nur dem Zufall und dem Glück, und nicht der Besonnenheit der Politiker und Militärs zu verdanken ist, dass es nicht zum nuklearen Inferno gekommen ist.

Von den 100 Standorten in der BRD mit seinerzeit 7.000 Atomsprengköpfen existiert heute nur noch der Fliegerhorst Büchel mit 10 - 20 atomaren Fliegerbomben des Typs B 61. Bundeswehrpiloten mit Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr sind in Bereitschaft, um im NATO-Einsatzfall die Atombomben zu den Zielorten zu fliegen und abzuwerfen. Die auf dem deutschen Fliegerhorst gelagerten Waffen werden von etwa 135 US-Soldaten bewacht. Die Codes zum Scharfmachen der Waffen bleiben bis zum Einsatzbefehl des US-Präsidenten in den Händen der US-Militärs. Die Geheimhaltung der Lagerung und des Verfahrens der Waffenübergabe lassen jedoch Fragen offen, welchen unmittelbaren Zugriff die Bundeswehr tatsächlich auf die Waffen hat.

Wir fragen uns auch: Stehen die Stationierung und die nukleare Teilhabe mit Recht und Gesetz im Einklang? Welche Pflichten hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang?

Ich zitiere aus dem Grundgesetz: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde." Das ist der Amtseid, den Angela Merkel als Kanzlerin und Frank-Walter Steinmeier wie alle anderen Bundesminister feierlich abgelegt haben - oder soll ich sagen: ablegen mussten, um ihre Ämter zu bekommen?

1.

Das Grundgesetz und die Bundesgesetze wahren und verteidigen - dazu gehören nach Artikel 25 GG auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Nach den gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts dürfen Waffen nicht eingesetzt werden,

- die nicht zwischen kämpfender Truppe und Zivilbevölkerung unterscheiden,

- die unnötige Grausamkeiten und Leiden verursachen und

- die unbeteiligte und neutrale Staaten in Mitleidenschaft ziehen.

Das hat der Weltgerichtshof in Den Haag (IGH) in dem Rechtsgutachten vom 8. Juli 1996 völkerrechtlich verbindlich festgestellt. Das Gutachten hat der IGH auf Verlangen der UN-Generalversammlung erstattet.

Der IGH hat den Schluss gezogen, dass (ich zitiere) "...die Bedrohung durch oder die Anwendung von Atomwaffen grundsätzlich im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlichen Regeln des internationalen Rechts und insbesondere den Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts stehen würde." Denn der IGH musste feststellen, dass die existierenden Atomwaffen die völkerrechtlichen Bedingungen nicht erfüllen können. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Staat, der in dem Verfahren für die Rechtmäßigkeit eines Atombombeneinsatzes eingetreten ist, dem Gericht Bedingungen darlegen konnte, unter denen ein Einsatz rechtmäßig sein könnte.

Offengelassen hat der IGH lediglich den Fall der "extremen Notwehrsituation, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiel stehen würde". Der IGH hat aber nicht erklärt, dass die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts in diesem Fall einer extremen Notwehrsituation keine Geltung mehr haben.

Entscheidend ist, dass die in Büchel stationierten Atombomben niemals im Einklang mit dem Völkerrecht eingesetzt werden können. Die Existenz dieser Waffen in Deutschland und die nukleare Teilhabe verstoßen gegen Gesetze, für deren Einhaltung sich Angela Merkel und ihr Kabinett durch Eid verpflichtet haben.

2.

Das Grundgesetz und die Bundesgesetze wahren und verteidigen - dazu zählen weiterhin die völkerrechtlichen Verträge, insbesondere der 1970 in Kraft getretene Nichtverbreitungsvertrag (NPT) und der 2+4-Vertrag aus dem Jahre 1990.

In beiden Verträgen hat sich Deutschland verpflichtet, Verfügungsgewalt über Atomwaffen weder unmittelbar noch mittelbar anzunehmen oder auszuüben. Diese Verpflichtung gilt auch, wenn die NATO den Einsatz der Atomwaffen befehlen sollte. Deutsche Soldaten, die mit deutschen Flugzeugen Atombomben zu ihren Zielorten fliegen und dort abwerfen, haben als deutsche Hoheitsträger die Verfügungsgewalt über Atombomben und verstoßen notwendig gegen die genannten Völkerrechts-Verträge.

Das sieht offensichtlich auch der Bundesminister für Verteidigung Franz Josef Jung so, denn sein Ministerium hat in der im Juni 2008 neu herausgegebenen Taschenkarte für Soldaten der Bundeswehr darauf hingewiesen, dass der Einsatz atomarer Waffen verboten ist. Die bis zu diesem Zeitpunkt gegebene Einschränkung, dass die völkerrechtlichen Regeln nur soweit beachtet werden sollten, "soweit praktisch möglich", ist entfallen.

Im Widerspruch dazu hat die Bundesregierung in der Bundestagsdebatte noch Anfang 2009 die nukleare Teilhabe als integrativen und unverzichtbaren Bestandteil des NATO-Bündnisses bezeichnet. Der Bundestag hat daraufhin am 24. April 2009 mit der Regierungsmehrheit Anträge der Oppositionsparteien auf Beendigung der nuklearen Teilhabe und Abzug der in Deutschland stationierten Atomwaffen zurückgewiesen.

Der zuständige Minister und die Bundesregierung verletzen mit dieser widersprüchlichen Aussage ihre dienstherrliche Fürsorgepflicht gegenüber den im Konflikt stehenden Soldaten. Diese müssen im Einsatzfall wählen zwischen der - völkerrechtsgemäßen, aber für sie riskanten - Befehlsverweigerung oder dem Einsatz, der ein Völkerrechtsverbrechen wäre.

Ich fasse zusammen: Die nukleare Teilhabe verstößt gegen verbindliche völkerrechtliche Verträge und damit gegen Bundesrecht. Mit ihrer Aufrechterhaltung brechen die Kanzlerin und ihr Kabinett ihren Amtseid.

3.

Das Grundgesetz und die Bundesgesetze wahren und verteidigen - dazu gehört auch die seit 1970 geltende Verpflichtung aus Artikel VI des NPT. Der IGH hat 1996 in dem genannten Gutachten die Staaten eindringlich ermahnt, ihren Verpflichtungen aus dem NPT nachzukommen, unverzüglich mit Verhandlungen über die vollständige atomare Abrüstung zu beginnen und diese erfolgreich abzuschließen.

Die von der NATO aufrechterhaltene und auch für die Zukunft nicht in Frage gestellte Nuklearstrategie einschließlich der Option des atomaren Erstschlags verstoßen gegen diese Verpflichtung zur totalen atomaren Abrüstung. Die Bundesregierung ist gemäß Artikel 20 Absatz 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und verpflichtet, auf die Beseitigung völkerrechtswidriger Zustände in Deutschland hinzuwirken. Das hat sie bislang nicht getan. Vielmehr hat die Bundesregierung wiederholt die Nuklearwaffenstrategie der NATO verteidigt, zuletzt im April dieses Jahres.

Damit verstoßen die Mitglieder die Bundesregierung gegen ihren Amtseid.

4.

Machen sich die Kanzlerin und Bundesminister strafbar?

Sehr wahrscheinlich, wenn es zum NATO-Einsatz, zum Abwurf und zur nuklearen Explosion der in Büchel stationierten Atomwaffen kommt. In diesem Fall hätten alle, die den Befehl gegeben, ihn weitergeleitet oder Hilfe geleistet haben - auch durch Bereitstellung der Mittel - Tatbestände von Völkerrechts-Verbrechen erfüllt.

Denn der völkerrechtswidrige Atomwaffeneinsatz der NATO wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Artikel 7 und ein Kriegsverbrechen nach Artikel 8 des Römischen Status des Internationalen Strafgerichthofs (nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Gerichtshof). Der Einsatz der B 61-Fiegerbomben erfüllt zahlreiche Straftatbestände des genannten Statuts, er verstößt zudem gegen õ 11 des deutschen Gesetzes zur Ausführung des Völkerstrafgesetzbuchs und gegen den Mord-Tatbestand und weitere Bestimmungen des deutschen StGB.

Strafbar ist jeder, der das Verbrechen selbst, gemeinschaftlich oder durch andere begeht, wer es anordnet, dazu auffordert oder dazu anstiftet und wer Hilfe bei der Begehung leistet. Lesen Sie nach im Statut des IStGH.

Auf allgemeine Notwehrregeln können sich die Täter nicht berufen. Denn der IGH hat nur für extreme Notwehrsituationen, in der das reine Überleben eines Staates auf dem Spiel steht, die Möglichkeit eines völkerrechtsgemäßen Atomwaffeneinsatzes offen gelassen. Damit hat der IGH aber nicht erklärt, dass er in solchen Fällen den Atomwaffeneinsatz für gerechtfertigt hält.

Auch Entschuldigungsgründe dürften den Angeklagten kaum zuzubilligen sein.

5.

Wir fordern von der Bundesregierung das, wozu sie ohnehin verpflichtet ist:

- die Beendigung der nuklearen Teilhabe,

- die Aufforderung zum sofortigen Abzug der stationierten Atomwaffen

- die Kündigung der Mitwirkung an der atomaren Einsatzplanung der NATO und

- Initiativen zum Abschluss einer alle Staaten erfassenden Atomwaffen-Konvention mit dem Ziel der stufenweisen Abrüstung aller Atomwaffen unter strenger internationaler Kontrolle. Hier kann auf den ausführlichen Entwurf einer Atomwaffen-Konvention zurückgegriffen werden, den IALANA, IPPNW und andere NGOs den Vereinten Nationen vorgelegt haben, und der vom UN-Generalsekretär den Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme übersandt worden ist.



Bernd Hahnfeld ist Mitglied der IALANA.

E-Mail: bernd (Punkt) hahnfeld (at) t-online (Punkt) de

Website: www.ialana.de
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