Hiroshima-
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09.08.2009


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Hiroshima- u. Nagasakitag 2009

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Rede zum Hiroshimatag am 6.8.09 auf dem Friedensplatz in Oberhausen

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Helmut Müller (in Oberhausen)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Atomwaffenfrei - Eine realistische Vision!

So steht es auf dem Flyer zur heutigen Veranstaltung.

Für die Friedensbewegung gilt das schon lange. Global Zero, eine Kampagne für die Abschaffung aller Atomwaffen rechnet vor, dass eine stufenweise Reduzierung bis null über einen Zeitraum von 20 - 25 Jahren möglich ist.

Hat dieser Plan mit dem neuen US-Präsident Barack Obama einen einflussreichen Fürsprecher gewonnen?

Im April 2009 verkündete Obama vor mehreren zehntausend Menschen in Prag, die Vereinigten Staaten seien dem Ziel verpflichtet, "Frieden und Sicherheit in einer Welt ohne Atomwaffen anzustreben." Heftiger Beifall auf dem Platz, in den Medien. Auch in der Friedensbewegung und selbst von konservativen Parteien wie der FDP wurde diese Ankündigung begierig aufgegriffen. Dass Obama gleich einschränkte, dass er nicht davon ausgehen könne, dies persönlich noch zu erleben, wurde kaum wahrgenommen. In seiner Rede forderte er, dass Atomwaffen in Kürze reduziert und Tests gestoppt werden müssten. Trotz Beendigung des kalten Krieges sei die nukleare Bedrohung paradoxerweise gewachsen. "Die Gefahr eines Atomkrieges hat sich verringert, das Risiko eines atomaren Angriffs ist gestiegen." - Heute verfügten mehr Staaten über Atomwaffen als je zuvor. Die Verbreitung von Atomwaffen dürfe nicht als unvermeidlich hingenommen werden. Gleichwohl könnten die USA ihre Atomwaffen nicht aufgeben, solange es noch eine nukleare Bedrohung in der Welt gebe - räumte der neue US- Präsident ein. Auch an den Planungen für ein Raketenschild in Osteuropa wollen die USA weiter festhalten - jedenfalls solange wie das iranische Atomprogramm eine "reale Bedrohung" darstelle.

Sieht so ein glaubwürdiges Abrüstungsprogramm aus?

Ich habe da erheblich Zweifel.

Ist Obamas Vision wirklich so neu? Ein Blick schon in die jüngste Geschichte der USA hilft da weiter. Henry Kissinger hat schon am 16. Februar in der Newsweek darauf hingewiesen, dass das "Ziel einer Welt ohne Atomwaffen" von jedem US-Präsidenten seit Dwight D. Eisenhower (1953-1961) proklamiert wurde. Mich hat überrascht, noch einmal nachzulesen, dass der in der Friedensbewegung häufig zu Recht so scharf kritisierte Ronald Reagan sich nicht nur wie seine Vorgänger und Nachfolger für die Vernichtung aller Atomwaffen aussprach, sondern diese sogar als "total irrational, total inhuman" für nichts gut als zum Töten, möglicherweise zerstörerisch für das Leben auf der Erde und Zivilisation" verurteilte. Diese Erinnerung sollte uns wachsam hinhören lassen, wem Obamas Vision wirklich nützt und wo sie sich von den Ankündigungen seiner Vorgänger substanziell unterscheidet.

Eins ist sicher neu - und für den heutigen Gedenktag von Bedeutung: Er knüpfte seine "Vision" einer Welt ohne Atomwaffen an die Ereignisse in Hiroshima und Nagasaki.

Die USA hätten als einzige Macht, die jemals Atomwaffen eingesetzt hat, eine besondere Verantwortung - "die moralische Verpflichtung zum Handeln" - wie Obama unter Bezug auf die Atomwaffenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 kurz vor Ende des 2. Weltkrieges formulierte.

Ich finde gut, dass der US-Präsident diesen Zusammenhang herstellt. Die Erinnerung an das Grauen von Hiroshima und Nagasaki scheinen zunehmend zu verblassen. Und allen voran die USA haben trotz aller eben erinnerten Absichtserklärungen entscheidend zur Enttabuisierung der Atomwaffen beigetragen.

Doch frage ich:

Warum verbindet der Präsident seine Erinnerung nicht mit einem öffentlichen historischen Schuldeingeständnis?

Warum nutzt Obama nicht die Chance, sich von diesem beispiellosen und selbst unter militärischen Gesichtspunkten unnötigen und auf alle Fälle vermeidbaren Kriegseinsatz zu distanzieren?

Warum hören wir nichts von einem Angebot einer wenigstens symbolischen Entschädigungszahlung an diejenigen, die noch heute an den Folgen der Atombombenabwürfe leiden?

Die offizielle Zahl der Todesopfer aus der letzten Statistik der Stadt Hiroshima beträgt 273.212. Die Zahl der in Nagasaki registrierten Todesopfer erhöhte sich auf 137.339. Und die Opferzahlen steigen weiter. Bis heute sterben jährlich Tausende an Leukämie oder verschiedenen Formen von Krebs - ein Ende ist nicht absehbar.

Warum reicht Obama ihnen und ihren Familien nicht die Hand? Auch er weiß: Überlebende der Katastrophe waren lange Jahre stigmatisiert.

Bis heute kämpfen die Überlebenden "die "Hibakusha", um ihre Rechte, um finanzielle Entschädigungen und medizinische Betreuung. Zum Teil mit Erfolg - doch in wie weit auch die nächste Generation der "Hibakusha" als Strahlenopfer anerkannt wird, ist noch ungewiss. Die japanische Regierung wehrt sich dagegen - und die Statements der vom Staat engagierten Forscher klingen wie die der Atomlobby in der BRD: "Wir haben bis heute keine wissenschaftlichen Beweise für Auswirkungen der Atombombe auf die 2. Generation gefunden" - so der Leiter der Abteilung für Genforschung beim Strahlenforschungsinstitut in Hiroshima, das bis heute von der japanischen und der US-Regierung gemeinsam finanziert wird.

Dieser unwürdigen und die Opfer des Atombombenabwurfes verhöhnende Argumentation muss entschieden widersprochen werden -

Was hätte hier ein konkretes Wort des Präsidenten und die Bereitstellung der entsprechenden Mittel bewirken können .

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Die Referentin für Abrüstung und Atomwaffen bei der deutschen Sektion der "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs - Ärzte in sozialer Verantwortung" Xanthe Hall hat in einem Interview eindringlich drauf hingewiesen, dass Obamas Vision zum reinen Lippenbekenntnis wird, wenn die USA nicht zum Abschluss einer Nuklearwaffenkonvention - also eines für alle bindenden Vertrages über das Verbot und die Abschaffung von Atomwaffen - bereit sei. Es bedarf einer völkerrechtlich verbindlichen Atomwaffenkonvention, wie sie der Bürgermeister von Hiroshima für das Jahr 2010 gefordert hat.

Und Xanthe Hall weist darauf hin:

Die Abschaffung aller Atomwaffen ist politisch nur durchsetzbar, wenn sie gleichzeitig mit einer umfassenden Abrüstung im konventionellen Bereich verbunden ist. "Es wird keine Abschaffung von Atomwaffen geben, solange die USA ihre Dominanz im konventionellen Bereich nicht aufgeben. Auch über die NATO müsste in diesem Zusammenhang gesprochen werden und über die Frage, ob nicht an ihre Stelle eine neue weltweite Sicherheitsstruktur treten muss, die mit alten Feindbildern bricht und statt dessen auf Gemeinsamkeiten setzt."

In der Tat: Zwischen der Vision einer atomwaffenfreien Welt und dem gültigen NATO-Konzept besteht ein unauflösbarer Widerspruch. Weiterhin setzt NATO auf die Möglichkeit des atomaren Erstschlages. Die alte Abschreckungsstrategie wird mit Unterstützung unserer Regierung fortgeführt: "Die nuklearen NATO-Streitkräfte werden weiterhin eine wesentliche Rolle spielen, so heißt es in dem noch gültigen Strategiepapier, "indem sie dafür sorgen, dass ein Angreifer im Ungewissen darüber bleibt, wie die Bündnispartner auf einen militärischen Angriff reagieren würden. Sie machen deutlich, dass ein Angriff jeglicher Art keine vernünftige Option ist."

Es ist unsere Aufgabe, auf diesen und weitere Widersprüche hinzuweisen und diese zum politischen Thema zu machen und zumindest vor der eigenen Haustür für ein atomwaffenfreies Deutschland zu sorgen.

Noch immer lagern auf dem deutschen Fliegerhorst Büchel in Rheinland Pfalz 20 amerikanische Atombomben. Deren Transport und Einsatz liegen im Fall einer NATO-Mission in den Händen deutscher Piloten. Das wird "nukleare Teilhabe" genannt.

Auch wenn ein entsprechender Antrag zum Abzug dieser Atomwaffen im Bundestag in diesem Jahr an den Stimmen der großen Koalition scheiterte, muss das Thema von uns weiter auf der politischen und gesellschaftlichen Tagesordnung gehalten werden.

Leider hat Obama auch dazu nichts gesagt.

Aber lasst uns weiterhin entschieden für ein atomwaffenfreies Deutschland eintreten:

Wir fordern den sofortigen Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland!

Wir fordern, dass der Bundestag den Verzicht auf die sog. nukleare Teilhabe beschließt.

Wir fordern eine weltweite Abrüstung auch im konventionellen Bereich - allen voran bei den NATO-Staaten!

Dann kann eine Welt ohne Atomwaffen Wirklichkeit werden und Frieden einkehren - aber nur dann!

Vielen Dank für Ihre und Eure Geduld und Aufmerksamkeit!(!!)



Helmut Müller ist Pfarrer der Ev. Markuskirchengemeinde Oberhausen.

E-Mail: h (Punkt) mueller (at) markuskirche-ob (Punkt) de

Website: wwww.markuskirche-ob.de
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