65 Jahre Hiroshima

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07.08.2010


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65 Jahre Hiroshima

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Redebeitrag für die Hiroshimagedenkveranstaltung am 6. August in Erfurt

Sehr geehrte Anwesende,

Elfriede Begrich



- Es gilt das gesprochene Wort! -




liebe Teilhabende des Gedenkens dessen, was heute vor 65 Jahren in Hiroschima und am kommenden Montag in Nagasaki geschah.

Sehr geehrte Anwesende hier auf einem Platz in der Mitte von Erfurt, ein Platz voller Leben, mit uns, die wir den Blick ohne Angst in den Himmel heben können und auf sicherem Grund stehen.

Mit dem hier stehenden Martin Luther, ist zu sagen: Es ist nichts als Gnade und Erbarmen, das uns hier beieinander im Frieden zusammenstehen lässt.

Die Rede vom "Geschehen" Hiroschima ist unangebracht, falsch, kein Geschehen ereignete sich, es war das bewusste und aktive Tun von Menschen zur Vernichtung von Menschen gewesen. Es soll hier nicht von Schuld, sondern allein von diesem unermesslichen Leid und der seit Hiroschima möglichen Unmöglichkeit geredet werden.

Der Name Hiroschima bezeichnet keine Stadt, sondern den Zustand einer Welt, in der auch wir wohnen. Und die, die heute noch leben als Überlebende, geben keine Warnung, sie sind selbst die Warnung.

"Wo aber ist Hiroschima?" fragte einst Günther Anders. Wo aber ist Hiroschima, der Inbegriff der Vernichtung, wo aber ist das Nichts in dieser wiederaufgebauten, glänzenden an Los Angeles erinnernden Stadt? Es steht eine Brücke über dem Nichts nach amerikanischer Architektur in Hiroschima und in Nagasaki ein Obelisk, der auch an ein Kaisertreffen erinnern könnte. Es sind Erinnerungs-und Gedenkstelen, Friedensstelen, wie sie auch in Deutschland an manchen Orten anzutreffen sind. Wo aber ist Hiroschima? Das, das wir vor Augen haben müssen, das Nichts, in das wir starren durch das Hotel New Hiroschima hindurch. Unsere Bauten verbauen uns die Erinnerung. Das Vergessen der grauenhaftesten aller menschlichen Unmöglichkeiten, die möglich wurde, ist der Beginn der Wiederholung des Undenkbaren und die Verharmlosung ist die kleine, aber mordsgefährliche Schwester des Vergessens. .

In dieser Zeit leben wir. In der Zeit der Verharmlosung. Die USA lagern ihre aktiven Atomwaffen derzeit in fünf Ländern in Europa. Das sind die Länder, die sich an der nuklearen Teilhabe der NATO beteiligen: Belgien, Deutschland, die Niederlande Italien und die Türkei. Bis zu 392 Atomwaffen können an sechs Nuklearwaffenlagerstätten eingelagert werden. Aber was für ein "Trost": es dürften höchstens 24o noch sein. Neben den vorhandenen sechs Lagerstätten könnten weitere sechs reaktiviert werden für 464 weitere Waffen, aber keine Sorge: Das ist äußerst unwahrscheinlich.

In Deutschland können heute noch bis zu 44 nukleare Bomben in Büchel "dem Standort des Jagdbombengeschwaders 33 der Bundeswehr gelagert werden. Aber seid beruhigt: Vorhanden sind dort vermutlich nur 10 - 2o Waffen.

Was für ein menschenverachtender Hohn, auch im Wissen darum, daß eine der Bomben mehr als die 13-fache Zerstörung der Hiroschimabombe haben wird. Darum ist eine Bombe eine Bombe zuviel, Darum können wir niemals zulassen, daß dieser Tod in der Mutter- Erde lagert, die uns anvertraut ist zum Leben. Wir sind heute in einer weltweiten Gemeinschaft verbunden, die nicht vergessen und nicht verharmlosen will und kann. Wachzuhalten gilt es, daß Atomwaffen, in wessen Präsidentenhand auch immer und unter wessen Erdboden auch verborgen, niemals zum Einsatz kommen dürfen, kein Grund und keine Situation der Welt kann diese "Waffe" genannte Ungeheuer rechtfertigen.

Little Boy - hieß die Bombe, die insgesamt 270.ooo Menschen und zwei Städte in Sekundenschnelle verbrannte. Der Pilot hatte das Flugzeug, das die Bombe trug, nach dem Namen seiner Mutter getauft; Enola Gay. Ein Feldgeistlicher sprach zum Start das Gebet:

"Allmächtiger Vater, der Du die Gebete jener erhörst, die Dich lieben, wir bitten Dich, denen beizustehen, die sich in die Höhen Deines Himmels wagen und den Kampf bis zu unseren Feinden vortragen. [...] Wir bitten Dich, daß das Ende dieses Krieges nun bald kommt und daß wir wieder einmal Frieden auf Erden haben. Mögen die Männer, die in dieser Nacht den Flug unternehmen, sicher in Deiner Hut sein, und mögen sie unversehrt zu uns zurückkehren. Wir werden im Vertrauen auf Dich weiter unseren Weg gehen; denn wir wissen, daß wir jetzt und für alle Ewigkeit unter Deinem Schutz stehen. Amen.`"

Dieses Gebet ist um die Welt und in die Geschichte eingegangen. Nein, nicht die Waffe ist gesegnet worden, aber die, die mit ihr das Leben auslöschen werden. .

Es ist an der Zeit, daß wir auch als Kirche dahin kommen, daß Waffenträger für ihren Beruf eben nicht gesegnet werden, nicht für den unseligen Krieg in Afghanistan und nirgendwo. Militärpfarrer haben einen einzigen Auftrag: Die Soldaten zur Umkehr von der Kaserne in ihr Haus zu ermutigen, daß sie ihre Stiefel in Sandelen tauschen und in jeder Kaserne eine Schmiede steht, in der Soldaten ihre Schwerter zu Pflugscharen, ihre Gewehre zu Gartenzäunen schmieden.

Ein weiteres Gebot scheint mir geboten, das da heißt: Du sollst GOTT nicht ins Handwerk pfuschen, denn ER ist ein GOTT des Friedens, der uns gebot: Du sollst nicht töten. Nicht deine Mitmenschen und nicht deine Mitschöpfung. Sehen wir IHN nicht weinen über dieses Hiroschima des Meeres im Golf von Mexiko? Sehen wir IHN nicht weinen über unsere Unvernunft, Atomkraft statt geschenkter Schöpfungskraft aus Sonne und Wind zu gewinnen? Ich habe nur diese eine Erde, macht sie mir nicht kaputt! So fleht ER und wer hören kann, der höre.

77% der Deutschen sind gegen eine Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke, das gibt Hoffnung.

So gewaltig der Mensch nämlich sein mag - eines kann er nicht: Sein eigenes Können kann er nicht widerrufen. Und so großartig die Fähigkeit seines Lernens sein mag, eines kann er nicht lernen. nämlich dasjenige, das er kann, zu verlernen. Die Atomwaffe, die er hat, kann er abschaffen, aber die Kenntnis seiner Herstellung kann er nicht mehr loswerden. Damit müssen wir leben; das bedeutet die Rede von Carl-Friedrich v. Weiszäcker : "Mit der Bombe leben". Wir müssen mit diesem mörderischen Wissen und Können leben, aber wir können es auch, es ist uns gegeben, mit den Werten und der Würde, die das Menschlichen in uns ausmachen, mit der Liebe zum Leben und zur Zukunft Maßstäbe zu setzen, die größer sind als das Können und Wissen. Darum brauchen wir eine Verwandlung der Moral, die uns ins Herz schreibt: Wir müssen und wir können dafür sorgen, daß die Tragödie von Hiroschima nicht das Ende, sondern der Anfang einer neuen Welt wird.



Elfriede Begrich, seit 2000 Regionalbischöfin zu Erfurt, Pröpstin des Propstsprengels Erfurt - Nordhausen der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (KKM) Vita siehe hier

E-Mail: Elfriede (Punkt) Begrich (at) propstei-ef-ndh (Punkt) de

Website: www.propstei-ef-ndh.de
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