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05.08.2011


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Hiroshimatag 2011

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Redebeitrag für die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Atombombenabwurfes auf Hiroshima am 6. August 2011 in Köln

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde einer Welt ohne Atomwaffen,

Agnieszka Malczak (in Köln)



- Sperrfrist: 6. August 2011, Redebeginn: 17 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



66 Jahre nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki gilt es wie jedes Jahr an diesem 6. August innezuhalten und zu gedenken. Denn die schrecklichen Folgen, die zahlreichen Opfer und ihre schlimmen Schicksale - auch noch Jahre nach der Katastrophe -, die grenzlose Verwüstung, die die abgeworfenen amerikanischen Atombomben hinterlassen haben, sie dürfen nie, nie in Vergessenheit geraten. Die militärische Nutzung der Atomkraft hat sich für immer brutal in die Geschichte Japans eingebrannt.

66 Jahre nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki hat ein weiteres tragisches Ereignis seine furchtbaren Spuren in der Geschichte Japans hinterlassen. Mit der Atomkatastrophe in Fukushima hat Japan nicht nur die grausamen Folgen der Atomwaffen im eigenen Land erleiden müssen, sondern auch mit den katastrophalen Folgen eines nuklearen Gaus zu kämpfen.

Japan wird uns für immer in Erinnerung rufen, welches Ausmaß an Verwüstung und Schmerz von der militärischen und zivilen Nutzung der Atomenergie ausgehen. Die Nutzung der Atomkraft ist niemals sicher oder gut. Sie ist immer gefährlich!

Fukushima hat allen vor Augen geführt, dass sich die Atomkraft nicht in eine sichere, saubere und gute zivile Nutzung zur Energiegewinnung und in ihren bösen militärischen Einsatz teilen lässt.

Diese Trennung war aber ohnehin künstlich und verlogen. Denn es gibt einen höchst problematischen Zusammenhang zwischen atomarer Aufrüstung und der zunehmenden Ausbreitung der zivilen Nutzung von Atomenergie. Davor darf und kann man nicht Augen verschließen!

Durch die zivile Nutzung erwerben immer mehr Staaten die Fähigkeit zum Aufbau militärischer Nuklearprogramme.

Wie gefährlich der fließende Übergang zwischen ziviler und militärischer Nutzung von Atomenergie ist, zeigen nicht zuletzt die Beispiele Iran und Nordkorea, die zu Recht Anlass zu großer Sorge geben.

Große Sorge habe ich aber auch, wenn ich an die vielen Tonnen Nuklearmaterial denke, die sich auf dieser Welt befinden und teilweise mehr schlecht als recht gesichert sind. Man mag sich nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn dieses Nuklearmaterial in die Hände von Kriminellen oder Terroristen geraten würde.

Die zivile Nutzung der Atomkraft ist daher in doppelter Hinsicht hoch-gefährlich: zum einen, weil menschliches und technisches Versagen selbst in High-Tech-Staaten wie zum Beispiel Japan nie ausgeschlossen werden können. Zum anderen birgt die Möglichkeit des Missbrauchs für militärische und terroristische Zwecke unberechenbare sicherheitspolitischen Risiken.

Wenn ich mir aber die weltweite Entwicklung anschaue, ist die Verbreitung der zivilen Nukleartechnologie trotz all dieser Risiken leider auf dem Vormarsch.

Noch immer unterliegen viele Entwicklungsländer und aufstrebende Staaten dem Irrglauben, Atomenergie sei das Wundermittel für eine sichere Energieversorgung. Oder eine Lösung für den Klimawandel.

Und daran sind die Kernwaffenstaaten mit schuldig.

Warum das? - könnte man fragen.

Zweifelsohne war das Inkrafttretens des Nichtverbreitungsvertrages, der auch Atomwaffensperrvertrag genannt wird, im Jahr 1970 eine große Errungenschaft. Aber er wird den Bedrohungen im 21.Jahrhundert nicht gerecht!

Sein Kern bestand sinngemäß ursprünglich in der Zusage aller Staaten, die keine Atomwaffen besaßen, sich auch in Zukunft keine solchen anzueignen. Dafür versprachen die damaligen 5 Atommächte abzurüsten.

Aber im Vertrag ist auch das Recht auf zivile Nutzung von Atomenergie enthalten und ebenso das Versprechen, die Mitgliedsstaaten bei der Erschließung dieser höchstriskanten Energiequelle zu unterstützen.

Dieses Versprechen war ein großer Fehler. In den letzten Jahrzehnten haben die Atommächte statt ihren Abrüstungsverpflichtungen nachzukommen, allen Nichtkernwaffenstaaten die zivile Nutzung schmackhaft gemacht.

Diese Entwicklung verdreht doch die Entstehungsgeschichte des Nichtverbreitungsregimes und hat fatale Konsequenzen.

Denn sie erhöht massiv das Risiko, dass Nuklearmaterial oder Atomwaffen in die falschen Hände geraten oder sich ein GAU wie in Tschernobyl und Fukushima aufgrund unzureichender Sicherheitsstandards und des bestehenden Restrisikos wiederholt.

Die simple Wahrheit lautet:

So lange Atomenergie zivil genutzt wird, ist die internationale Sicherheit gefährdet.

Wirkliche Fortschritte werden wir nur schaffen, wenn wir atomare Abrüstung und den Atomausstieg zusammendenken. Die Nutzung der Atomkraft ist mit unverantwortlichen ökologischen und sicherheitspolitischen Risiken verbunden.

Und so könnte einer der wichtigsten Beiträge Deutschlands zu einer atomwaffenfreien Welt sein, zu beweisen, dass eine Energieversorgung ohne Atomkraft möglich ist. Aber vor allem auch aktiv andere Staaten darin zu unterstützen auf erneuerbare Energien zu setzen.

Sowohl die Bewegung gegen Atomwaffen als auch die Bewegung gegen die AKWs haben in Deutschland eine lange Geschichte. Viele Menschen, die sich seit Jahren gegen AKWs, gegen Atomwaffen oder gegen beides engagiert hatten, blicken auf bewegte Jahrzehnte zurück. Sie haben viele Rückschläge und Enttäuschungen erlebt, aber sie haben nicht hingeschmissen. Sie haben einen langen Atem behalten, die Hoffnung nicht aufgegeben. Stellvertretend möchte ich mich dafür, gerade als Vertreterin der jungen Generation, heute bei allen, die heute hier sind, bedanken.

Und bei all den Rückschlägen und auch wenn man sieht, wie weit man noch von den Zielen entfernt ist, darf man nicht übersehen: die Bewegung hat viel erreicht.

Ohne die jahrzehntelange Anti-AKW-Bewegung gäbe es den Atomausstieg in Deutschland nicht, das ist ein Riesenerfolg - auch wenn ich mir einen schnelleren Ausstieg wünschen würde.

(Aber auch kein Grund die Hände in den Schoss zu legen. Es geht weiter: ob Gorleben, ob bei der Energiewende, bei der der Ausstieg aus der Atomenergie kein neuer Einstieg in die Kohlekraft sein darf oder eben der Einsatz für einen internationalen Atomausstieg.)

Auch die Bewegung gegen Atomwaffen hat viel erreicht. Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass ein amerikanischer Präsident die Vision einer atomwaffenfreien Welt vertritt? Oder eine schwarz-gelbe Bundesregierung den Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland in ihren Koalitionsvertrag schreibt?

Trotzdem, gerade bei dem Kampf gegen Atomwaffen dürfen wir uns jetzt nicht zurücklehnen und einlullen lassen von schönen Ankündigungen. Mit Nachdruck müssen wir jetzt Taten einfordern. Es reicht nicht, dass wir uns damit durchgesetzt haben, dass eine Welt ohne Atomwaffen keine dumme Spinnerei mehr ist. Dass wir die Ansicht, dass eine vermeintliche Abschreckung durch Atomwaffen mehr Sicherheit garantiert, als hoch gefährlichen Selbstbetrug entlarvt haben. Endlich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Welt mit Atomwaffen den Frieden und die Sicherheit aller gefährdet (ob Nicht-Kernwaffenstaaten oder Kernwaffenstaaten).

Der START-Vertrag ist sicherlich - auch bei aller berechtigten Kritik daran - ein erster Schritt. Und es ist gut, dass sich alle Fraktionen im Bundestag zum ersten Mal für das Ziel einer atomwaffenfreie Welt ausgesprochen haben und den Abzug der amerikanischen Atomwaffen gemeinsam gefordert haben.

Aber das reicht nicht aus. Das reicht bei weitem nicht aus, das reicht noch lange nicht aus!

Ich frage mich:

Wenn der Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Büchel im Koalitionsvertrag steht, wenn alle Fraktionen das im Bundestag gefordert haben: Warum tut diese schwarz-gelbe Bundesregierung dann nichts? Warum setzt sie sich nicht offensiv in der NATO dafür ein? Warum bilden wir immer noch deutsche Soldaten darin aus, mit Tornados Atomwaffen abzuwerfen, in deren Reichweite nur mit uns befreundete und verbündete Staaten sind?

Wie kann Außenminister Westerwelle glaubhaft versichern, dass ihm Abrüstung so wichtig sei und sich auf dem internationalen Parkett für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen, wenn in dem Land, das er repräsentiert, selbst immer noch Atomwaffen lagern?

Die müssen endlich und endgültig und so schnell wie möglich aus Büchel weg!

Da die USA ein Modernisierungsprogramm angekündigt haben, das eben auch die Nuklearwaffen in Büchel betreffen wird, ist das Zeitfenster klein. Denn wenn die erst einmal modernisiert sind, dann bleiben die auch hier.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung sollte nicht nur große Reden schwingen und etwas versprechen, von dem sie dann am Ende sagt: "Wir haben uns versprochen". Sie muss den Worten Taten folgen lassen!



Liebe Freundinnen und Freunde

einer Welt frei von Atomwaffen, liebe Freundinnen und Freunde einer Welt, in der mehr Sicherheit herrscht,

wir sind noch nicht am Ziel. Den langen Atem müssen wir uns erhalten. Wir müssen weiter Druck machen.

Es gibt noch so viele Baustellen. In meiner Rede konnte ich nur einige wenige nennen.

Aber lasst uns weiter streiten:

Für einen echten Atomausstieg in Deutschland und den Abschied von der zivilen Nutzung der Atomenergie weltweit.

Für eine Nuklearwaffenkonvention und die weltweite Ächtung auch der nuklearen Massenvernichtungswaffen

und endlich, endlich

Für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland!

Denn eine Welt ohne Atomwaffen - sie ist nicht nur möglich, sie ist so dringend notwendig!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!



Agnieszka Malczak ist Mitgleid des Deutschen Bundestages für die Fraktion B90/Die Grünen. Vita siehe hier

E-Mail: agnes (Punkt) malczak (at) bundestag (Punkt) de

Website: www.malczak.de
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