Hiroshima-
Tag 2011

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06.08.2011


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Hiroshimatag 2011

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Redebeitrag für die Hiroshima-Mahnwache am 6. August 2011 in Bremen

Liebe Freundinnen und Freunde,

Bernhard Stoevesandt (in Bremen)



- Es gilt das gesprochene Wort! -



Wie viele Jahre stehen wir hier wieder auf dem Marktplatz zum Hiroshima-Tag. Doch dieses Jahr scheint einiges anders zu sein: Durch die Zerstörung der Atomkraftwerke (AKWs) in Fukushima, hat sich vieles verändert. Das Unglück ist für die betroffenen Menschen und die Umwelt eine Katastrophe. Wieder einmal wurden große Mengen an radioaktiven Substanzen freigesetzt. Wieder hat es Japan getroffen. 66 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki haben sich die Mengen des freigesetzten radioaktiven Cäsiums-137 zwar auf ein viertel reduziert, doch mit jedem freisetzen von Radioaktivität kommt wieder mehr Strahlung hinzu, denen die Menschen und am Ende wir ausgesetzt sind. Das mag erst einmal nicht viel sein und gilt dann irgendwann als ?Hintergrundstrahlung?, wenn wir die Menschheit aber so weiter machen, dann wird dies aber von Unfall zu Unfall mehr.

Unsere Bundesregierung hat jetzt beschlossen innerhalb von 11 Jahren der Atomenergie-Gewinnung den Rücken zu kehren. Doch reicht das? Schließlich ist der Zeitraum lang und Beschlüsse lassen sich revidieren. Wie ernst es unserer Regierung mit der Abkehr aus dem atomaren Zeitalter wirklich ist, kann vielmehr an anderer Stelle beobachtet werden: Im westfälischen Gronau. Dort wird die Urananreichungsanlage zur Zeit so weit ausgebaut, dass über 30 AKWs langfristig damit versorgt werden können. Uran und seine Stoffe sind ein gern gesehenes Handelsgut. Und der Handel mit den Stoffen aus Uran floriert: Über die Bremer Häfen wurden in den Jahren 2005 bis 2009 fast monatlich atomare Brennstoffe transportiert?

Brennelemente aus der Brennelemente Fabrik in Lingen, Rohuran, Uranoxid oder auch Uranhexafluorid für die oder von der Anreicherung in Gronau [0]. Bei jedem Schritt der Verarbeitung des Urans entstehen dabei Abfälle. In Gronau ist dies vor allem das sogenannte ?abgereicherte Uran?, welches ein sehr schweres, radioaktives und giftiges Element ist. Für ein Kilogramm angereichertes Uran, wie es in Reaktoren eingesetzt wird, fallen 5,5 Kilogramm abgereichertes Uran an, für das es erst einmal keine Verwendung zu geben scheint. So bleiben in der Urananreicherung tonnenweise Uranmüll übrig.

Doch auch dieser Schein trügt: Denn es gibt eine Verwendung für das Uran ? eine militärische. Denn die Dichte (also das große Gewicht auf kleinem Raum) des Urans macht es sehr attraktiv für Waffen. Ursprünglich vor allem als Panzer brechende Waffen gedacht, wurden im Irak und Afghanistan in den letzten Jahren mehrere Tonnen an Uran als Munition verschossen [1].

Die Folgen der Uranmunition sind kaum absehbar. War nach dem Golfkrieg 1991 Uranmunition noch ein größeres Thema, weil über 100.000 US-SoldatInnen auf verschiedenste Art erkrankten, so ist dies heute kaum noch ein Thema. Dabei liegt das Uran nunmehr tonnenweise in den Ländern herum. Ein Teil verbrennt und bildet einen Mikrometer feinen Staub aus Uranoxid wodurch die Uranpartikel sehr leicht in den Körper aufgenommen werden können. Ein Teil der Munition bleibt einfach liegen, kann von Kindern gefunden werden und scheint im ersten Moment auch harmlos ? es gibt keine Zünder daran, nichts was explodieren könnte.

Wie gefährlich dieses Zeug am Ende ist, darüber gibt es wenige Studien. Auffällig ist, dass es in den Regionen, wo Uranmunition zum Einsatz kam, es zu typischen Folgen kommt, die vor allem bei radioaktiven oder sehr toxischen Stoffen beobachtet werden: Schwächung des Immunsystems, verschiedenes Organversagen (Leber/Niere) und vor allem Krebs. Im Irak vielen vor allem Fälle auf, bei denen die Menschen gleich zwei oder drei verschiedene Krebsarten auf einmal bekamen. Die Ursache dafür lässt sich oft schwer ermitteln, weil meistens nicht nur das Uran zum Einsatz kam, sondern mit ihm verschiedene Explosivstoffe, weitere Metalle etc.. Krieg hinterlässt eine Spur von sehr ungesundem Müll. Uran ist aber ein besonders gefährlicher. Dort wo Uranmunition eingesetzt wurde sind die Folgen Jahr später gut zu erkennen. Wohl aus dem Grund behauptet die US-Army inzwischen auch keine Uranmunition mehr in Afghanistan einzusetzen ? was aber von anderer Seite bestritten wird. Relativ klar scheint zu sein, dass in den Jahren 2001 und 2002 am Hindukusch Uranwaffen verwendet wurden. Es vollzieht sich in den Ländern eine schleichende Verseuchung. Das gilt es zu verhindern.

Selbst die Bundeswehr steht im verdacht mit Uranmunition experimentiert zu haben. In den 80er Jahren ? behaupten z.B. einige Menschen auf Sardinien habe auch die Bundeswehr auf Sardinien versuche mit Uranmunition gemacht [2]: Die Folge waren wie vorher schon verschiedenste Erkrankungen bis zu einer erhöhten Sterberate wegen Krebs bei den AnwohnerInnen. Erstmals ermittelt nun eine Staatsanwaltschaft in den Fällen. Auch in den USA wurden ähnliche Fälle in Gebieten in der Nähe von Bombenabwurfsplätzen bzw. Schießplätzen auf denen mit Uranmunition geübt wurde berichtet.

Für die Atomindustrie ist Uranmunition praktisch ? es gibt kaum einen einfacheren Weg der Entsorgung. Wie sonst kann radioaktiver, giftiger Müll einfach so in einem fernen Land abgeladen werden? 27.300 Tonnen abgreichertes Uran aus Gronau lagern derweilen in rostenden Behältern in Angarsk in Russland vor sich hin [3]. Angeblich wollte Russland das Uran noch weiter an- bzw. abreichern. Was mit dem abgereicherten Uran später passiert, ist eine offene Frage. Im Gegensatz zur Bundeswehr nutzt die russische Armee regulär Uranmunition. Atomkraft und all die Nebenprodukte, die dabei abfallen machen krank und töten. Das geht bei Uranabbau los und endet nicht beim Atomkraftwerk.

Wer dies wirklich beenden will, muss dafür sorgen das das Uran in der Erde bleibt. Ein Ausstieg, bei dem gleichzeitig die Urananreicherung ausgebaut wird, damit all die AKWs in den Nachbarländern weiter beliefert werden, ist kein Ausstieg. Es sollte uns egal sein, wo ein Kraftwerk explodiert, genauso wie es uns egal sein sollte wo ein Mensch an den Folgen der Technologie stirbt. Jeder Mensch zählt. Deshalb sollten wir die Bewegungen gegen die Atomkraft, gegen die Lagerung des Mülls, gegen Uranmunition und Uranabbau überall auf der Welt unterstützen. Die militärische Nutzung der nuklearen Technologie war nie und ist auch heute nicht getrennt von der zivilen. Es ist Zeit, dass wir sie beenden ? hier und überall auf der Welt.



Anmerkungen



[0]Antwort des Bremer Senats auf eine große Anfrage der Fraktion ?Die Linke? in der Bremer Bürgerschaft: Atomtransporte durch das Land Bremen, vom 19.10.2010, gefunden 8. 2011 unter http://www.linksfraktion-bremen.de/fileadmin/user_upload/Texte
_aktuell/BremischeBuergerschaft/Senatsantworten/Senatsantwort_Atomtransporte_2010.pdf




[1]M. W. Herold: Uranium Wars: The Pentagon Steps Up its Use of Radioactive Munitions, Departments of Economics and Women`s Studies Whittemore School of Business & Economics University of New Hampshire, 2002 gefunden 8. 2011 unter http://cursor.org/stories/uranium.htm



[2]M.-C. Bianco & A. Waibel: Das vergiftete Paradies, in taz 23.7.2011, gefunden 8. 2011 unter http://www.taz.de/Deutsche-Ruestungsschmiede-im-Visier/!74928/




[3]B. Claasen: Post für Röttgen, in taz vom 1.8.2011, gefunden 8.2011 unter http://www.taz.de/Atommuell-in-Russland-/!75496/




Bernhard Stoevesandt ist Diplom Physiker und aktiv in der Anti-AKW-Bewegzng. Vita siehe hier

E-Mail: bernhard (Punkt) stoevesandt (at) uni-oldenburg (Punkt) de
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