Geschichte
der
Friedens-
bewegung

update:
24.10.2001


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Geschichte der Friedensbewegung

 Geschichte im Detail

Der revolutionäre Antimilitarismus

Die Geschichte der Friedensbewegung ist nicht vollständig ohne eine Würdigung des revolutionären Antimilitarismus. Er hatte seine Blütezeit zwischen der Jahrhundertwende und (außerhalb Deutschlands) bis zum zweiten Weltkrieg. Viele seiner Ideen sind heute zumindest im radikalen gewaltfreien Flügel der Friedensbewegung Allgemeingut geworden. Getragen wurde er damals von Flügeln der marxistischen und vor allem der anarchistischen (Arbeiter-)Bewegung. Im Gegensatz zur "bürgerlichen" Friedensbewegung, die ihre Hoffnung auf internationale Friedensverträge setzte, verfolgten die AntimilitaristInnen (unter ihnen übrigens bemerkenswert viele Frauen, u.a. Helene Stöcker, Henriette Roland Holst und Clara Wichmann) die Losung "Keinen Mann und keinen Cent für den Militarismus".

Ihre Strategie war die Verweigerung des Militärdienstes und aller anderen kriegsfördernden Arbeiten (einschließlich der Rüstungsproduktion), wie sie vor allem in England schon im ersten Weltkrieg in beachtlichem Umfang praktiziert worden war. Gewalt lehnten sie grundsätzlich ab, auch wenn sie dem Erzielen der revolutionären Ziele (die Befreiung der Arbeiterklasse) dienen sollte. Bart de Ligt, einer ihrer herausragenden Vertreter, formulierte Anfang der dreißiger Jahre auch das erste Konzept der Sozialen Verteidigung, der gewaltfreien Verteidigung gegen Krieg und Militär.

Die revolutionären AntimilitaristInnen organisierten sich in verschiedenen Gruppen und veranstalteten mehrfach internationale Kongresse. Sie können hier nicht alle aufgezählt werden. Stattdessen soll beispielhaft die WRI (War Resisters` International) herausgehoben werden, die ihren Ursprung in dieser Bewegung hat. Die "Internationale der Kriegsdienstgegner" wurde 1921 gegründet. Auf ihrer Gründungsversammlung in Bilthoven in den Niederlanden wurde folgende Erklärung verfaßt, die wir hier in der veränderten Fassung von 1925 dokumentieren:

Erklärung der War Resisters International

"Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Wir sind daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen.

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!

Denn er ist ein Verbrechen gegen das Leben und mißbraucht den Menschen als Mittel für politische und wirtschaftliche Zwecke.

Wir sind daher entschlossen, getrieben von starker Liebe zur Menschheit, keine Art von Krieg, weder Angriffs- noch Verteidigungskrieg, zu unterstützen. Dies ist wichtig, weil fast jeder Krieg von den Regierungen als Verteidigungskrieg hingestellt und im Bewußtsein der Völker als Verteidigungskrieg geführt wird.

Wir unterscheiden drei Arten von Krieg:



a)Krieg zur Verteidigung des Staates, zu dem wir durch Geburt oder Wahl gehören. Den Waffendienst für diesen Zweck zu verweigern, ist schwierig, weil der Staat alle seine Machtmittel gebrauchen wird, um uns zu zwingen. Ferner, weil man die angeborene Liebe zu unserer Heimat so lange zu der nationalistischen Täuschung mißbraucht hat, als seien Staat und Heimat dasselbe.



b)Krieg zur Verteidigung der bestehenden Gesellschaftsordnung mit ihren Sicherungen und Vorrechten für die Besitzenden. Daß wir keine Waffen für diese Zwecke ergreifen werden, versteht sich von selbst.



c)Krieg zur Verteidigung und Befreiung des bedrückten Proletariats. Die Weigerung, für diesen Zweck die Waffen zu ergreifen, ist schwer:



1. Weil der bolschewistische Staat und noch mehr das empörte Proletariat in Zeiten der Revolution in jedem einen Verräter sehen wird, der sich weigert, es mit Waffengewalt zu unterstützen.



2. Weil unsere angeborene Liebe für die Leidenden uns in Versuchung führen könnte, Gewalt zu gebrauchen, um ihnen zu helfen oder sie zu unterstützen.


Wir sind indessen überzeugt, daß Gewalt niemals die Ordnung aufrechterhalten, nicht wirklich unsere Heimat schützen, das Proletariat nicht befreien kann.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß durch jeden Krieg eine erschreckende Verwilderung und Verrohung, die Vernichtung aller Freiheit, eintritt und daß das Proletariat nur scheinbar dadurch gewinnt, in Wahrheit aber seine Leiden vermehrt. Es ist daher unmöglich, irgendeinen zu unterstützen, weder durch direkten Dienst im Heere, in der Flotte, in der Luft noch durch bewußtes Herstellen von Munition und Kriegsmaterial, noch durch Zeichnung von Kriegsanleihen, noch durch Hergabe unserer Arbeit, um andere für die Kriegsdienst freizumachen.

Wir sind uns klar, daß wir als konsequente Pazifisten nicht das Recht haben, eine bloß negative Stellung einzunehmen, sondern bemüht sein müssen, die tieferen Ursachen des Krieges zu erkennen und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen.

Als Ursachen des Krieges sehen wir nicht nur Selbstsucht und Habsucht an, die sich in jedem Menschenherzen finden, sondern auch alle Faktoren, welche die Menschen als Massen zu gegenseitigem Haß und Massenmord führen.

Wir sehen in folgenden Antrieben die für unsere Zeit wichtigsten:



1.Die Unterschiede der Rassen, die zu Neid und Haß künstlich gesteigert werden.



2.Die Unterschiede der Glaubensbekenntnisse, die durch Unduldsamkeit zu gegenseitiger Mißachtung künstlich aufgestachelt werden.



3.Die Gegensätze der Klassen, der Besitzenden und der Nichtbesitzenden, die fast unmvermeidlich hintreiben zu Völker- und Bürgerkrieg, solange das gegenwärtige Produktionssystem besteht, das auf Profitwirtschaft anstatt Bedarfswirtschaft beruht.



4.Die Gegensätze der Nationen, in denen wir zum großen Teil eine Folge des jetzigen Produktionssystems sehen, das zum Weltkrieg und wirtschaftlichen Chaos geführt hat.



Wir sind überzeugt, daß diese Gegensätze durch eine den Bedürfnisse der einzelnen Nationen angepaßte Regelung der Weltwirtschaft ausgeglichen werden können.



5.endlich sehen wir auch eine wesentliche Ursache des Krieges in der falschen Auffassung über das Wesen des Staates. Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.


Die Anerkennung der Heiligkeit des menschlichen Lebens, der menschlichen Persönlichkeit, muß das Grundgesetz der menschlichen Gesellschaft werden.

Andererseits darf auch der einzelne Staat nicht mehr als souveränes Einzelwesen betrachtet werden! Denn jede Nation ist ein Teil der großen Familie der Menschheit.

Wir müssen daher mit aller Kraft für die Beseitigung von Klassen und trennenden Gesetzen wirken und für die Schaffung einer weltumfassenden Brüderlichkeit, begründet auf gegenseitiger Hilfe."

Quelle: graswurzelrevolution, Sonderheft: Sozialgeschichte des Antimilitarismus, Nr. 117/118. Zu bestellen bei: gwr, Kirchstr. 14, 29462 Wustrow



E-Mail: friekoop (at) bonn (Punkt) comlink (Punkt) org
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