Geschichte
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Friedens-
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update:
15.06.2005


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Geschichte der Friedensbewegung

 Geschichte im Detail

Die Vision "Schwerter zu Pflugscharen" entstand schon 700 vor Christus und ist bis heute lebendig. Die DDR-Führung ließ Spruch und Symbol besc

"Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben ..."

Uwe Koch

Es war ein lauer Vorfrühlingstag im Jahre 1982, als ich aus der mittelthüringischen Kleinstadt, in der ich damals lebte, mit dem Auto zu einer Dorfgemeinde unterwegs war. Wenige Kilometer hinter dem Ortsausgang standen zwei Volkspolizisten und winkten mich mit der Kelle auf einen kleinen Parkplatz. Beide umkreisten mehrmals schweigend meinen orangefarbenen "Trabant". Also eine normale Verkehrskontrolle, versuchte ich aufatmend zu denken. Nach der dritten Runde um mein kleines Auto blieben sie vor mir stehen und musterten mich von Kopf bis Fuß.

"Abmachen", sagte der offenbar Ranghöhere. Diese Aufforderung konnte nur einem kleinen Stückchen Stoff gelten, kreis-rund, sieben Zentimeter Durchmesser. Es war mit derben Nadelstichen auf dem linken Ärmel meiner Jacke aufgenäht und zeigte in einem roten Kreis das Signet eines Schmiedes und die Worte "Schwerter zu Pflugscharen". Und noch einmal wurde ich schnarrend aufgefordert: "Abtrennen". Es war unmissverständlich und deutlich: einmal mehr versuchte die verunsicherte DDR-Staatsmacht, das ihr verhasste Symbol der unabhängigen Friedensbewegung zu beschlagnahmen.

Auf lange Diskussionen mit den grünbetuchten Genossen hatte ich keine Lust. Den Aufnäher abzutrennen, kam nicht in Frage - das war schließlich eine Bekenntnisangelegenheit. Also wurde ich durch die Obrigkeit belehrt, dass der Aufnäher verboten sei. "Stimmt erstens nicht", erwiderte ich, "und zweitens, wenn es so wäre, müssten Sie mich verhaften, denn ich habe in unseren kirchlichen Jugendkreisen Hunderte dieser Aufnäher verteilt". Polizeiliche Beratung, Getuschel, Funkkontakt. Die Obrigkeit zeigte sich erwartet uneinsichtig, aber den Pfarrer in Handschellen legen, das wollten sie dann doch nicht. Also verschwand nach weiteren zehn Minuten meine Jacke samt dem aufrührerischen Bibelwort im Polizeiauto und ich durfte hemdsärmelig weiterfahren zu meinem Konfirmandenunterricht.

Alte Worte, neuer Streit

"Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie erschrecken." (Micha 4, 3 + 4)

Wie kam es, dass dieses alte Wort aus einer jüdischen Prophetenschrift, reichlich 700 Jahre vor Christi Geburt geschrieben, solch aktuelle Verwirrung auslöste? Zur Zeit des Propheten Micha, dessen Text wir im Alten Testament unter der Rubrik "Die zehn kleineren Propheten` finden, herrschten im Vorderen Orient Nachkriegswirren. Das Reich Israel hatte um das Jahr 725 v. Chr. den Krieg gegen die Assyrer verloren. Die zentrale Provinz Samaria war weitgehend zerstört, feindliche Truppen standen im Land, die Oberschicht des Volkes, Priester und Lehrer, hatten die Assyrer deportiert. Der Prophet Micha hat in den etwa fünf-zehn Jahren seines Wirkens diese schrecklichen Ereignisse in allen Phasen miterlebt. Sein prophetisches Reden stand unter einer großen Spannung. Zum einen richtete er aus, dass das erlebte Unheil noch weitergehen werde: nicht nur Samaria, auch das Königreich Judäa würde vernichtet werden. Der Feind werde weiter marschieren bis nach Jerusalem, die heilige Stadt würde in Schutt und Asche gelegt, der Tempelschatz geraubt werden.

Dann aber, mitten in der grässlichen Düsternis seiner Prophezeiungen, schwenkt der Prophet um. Mit dem 4. Kapitel seiner Schrift beginnend beschreibt er wunderbare neue Visionen für sein geschundenes Volk. "Zu jenen Zeiten aber wird es geschehen..." und dann folgen die Worte von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden sollen und dem Volk, dass künftig nicht mehr lernen solle, Kriege zu führen. Und kurz darauf jene Verse, die zu Weihnachten, am Heiligabend, in unseren Kirchen gelesen werden. Die Worte über den, auf welchem die Verheißung liegt, diese Visionen zu vollenden: "Du Bethlehem Ephrata, die kleinste unter den Städten in Juda, aus dir wird der kommen, der in Israel Herr sei." (Micha 5,1)

Dass der Friede dort wachsen kann, wo Menschen sich zu dem bekennen, den die Bibel "Friedensfürst" nennt, konnten die DDR-Machthaber natürlich nicht erkennen und begreifen. Ihre vermeintliche Friedenspolitik war weder vom Glauben noch von Toleranz geprägt, sondern vom Politbüro deklariert nach dem simplen Motto: "Der Friede muss bewaffnet sein".

Deshalb geriet die unabhängige Friedensbewegung, die vor allem in kirchlichen Gruppen wurzelte, immer wieder in Konflikt mit den obrigkeitlichen Doktrinen der DDR-Führung. Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Respektierung der Gewissensentscheidung von Minderheiten, zum Beispiel von Wehrdienstverweigerern, gehörte nicht zum Repertoire der kommunistischen Partei- und Staatsführung. Die Machtfrage war aus ihrer Sicht geklärt: es gab nur Schwarz oder Weiß, "Richtigdenkende oder Falschdenkende", einfach anders Denkende waren nicht vorgesehen.

Vorrang für die Gewaltfreiheit

Haben sich die Ziele dieser Friedensbewegung nun durch das Ende der DDR, den Wegfall der Ost-West-Konfrontation erledigt?

Ich denke, die Kirchen müssen auch weiterhin festhalten an dem, was sie Ende der 80er Jahre gemeinsam ausgesprochen haben: die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit. Militärisches Eingreifen kann lediglich Waffenstillstände herbeiführen, aber es kann weder Konflikte lösen noch zur Versöhnung verfeindeter Volksgruppen beitragen.

Wer sollte in einer Welt säkularer Machtinteressen die Verheißung vom Friedensreich, in dem Schwerter zu Pflugscharen werden, "vorantreiben, wenn nicht die Religionsgemeinschaften. In diesem Bildwort des Propheten Micha ist die kirchliche Option für die Gewaltfreiheit unübersehbar verknüpft mit der von den Kirchen ebenfalls ausgesprochenen vorrangigen Option für die Armen. Aus den tödlichen Kriegswerkzeugen soll das Werkzeug werden, um die Äcker der Erde zu bestellen, damit der Skandal des weltweiten Hungerns ein Ende nimmt. Wir werden die Vision des Micha weiter brauchen und die Hoffnung darauf, dass es auf dem Weg des Friedens mit unserer kleinen Kraft alleine nicht getan ist.



Quelle: Koch, Uwe "Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben..." in zivil, Heft 1/1999, Bremen, S. 27. http://www.zivil.de



Uwe Koch ist Theologe und Religionssoziologe. Autor verschiedener Bücher über Wehrdienstverweigerung, Wehrersatzdienst und Friedensarbeit in der DDR. Heute tätig als Gemeindepfarrer und Notfallseelsorger.

E-Mail: bettina (Punkt) uwe (Punkt) koch (at) t-online (Punkt) de
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