Geschichte
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Friedens-
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06.10.2006


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Geschichte der Friedensbewegung

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Bonner Hofgarten, 10.10.1981

Volkmar Deile

"Wir fordern die Regierungen der Mitgliedsländer der NATO auf, ihre Zustimmung zum Beschluss über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen zurückzuziehen. Damit soll der Weg für die Verringerung der Atomwaffen in West- und Osteuropa geöffnet werden mit dem Ziel, einen wechselseitigen umfassenden Abrüstungsprozess in Gang zu setzen.
Wir treten ein für ein atomwaffenfreies Europa...."


Das war die zentrale Forderung des Aufrufs, den viele hundert Organisationen aus dem In- und Ausland unterschrieben haben. 300 000 Menschen kamen auf die Bonner Hofgartenwiese, um dafür zu demonstrieren. Die Redner und Rednerinnen der fast fünfstündigen Kundgebung waren aus Frankreich, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Australien, Italien, Österreich, den USA und aus der Bundesrepublik Deutschland angereist.

Der 10. Oktober 1981 war zwischen dem Interkirchlichen Friedensrat der Niederlande, der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden als erste große Aktion einer Kette europaweiter Demonstrationen verabredet worden. In den folgenden vier Wochen fanden weitere Demonstrationen in Rom und Madrid, in Paris, Brüssel, London und Oslo, Kopenhagen und Amsterdam statt. Alle mit dem Ziel einer großen internationalen Anstrengung, über das Nein zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen den Weg zu einem atomwaffenfreien Europa zu öffnen.

Das Erlebnis der durchweg gewaltfreien Bonner Demonstration war überwältigend.
Heinrich Böll sprach begeistert von der "Hollanditis, dieser wunderbaren Krankheit", Heinrich Albertz fragte "Wann hat es jemals in Deutschland so etwas gegeben? Die jungen Menschen wollen keine fremden Länder mehr besetzen - höchstens mal ein rechtswidrig leerstehendes Haus...". Erhard Eppler definierte die Friedensbewegung als Zusammenschluss "der Mutigen, nicht der Ängstlichen, der Diskutierenden, nicht der Schreienden, der Selbstkritischen, nicht der Arroganten, der einfallsreich Agierenden, nicht der stumpf Parierenden, der Friedlichen, nicht der Gewalttätigen, der Fröhlichen, nicht der Fanatischen, der Liebenden, nicht der Hassenden". Petra Kelly forderte, dass wir als "gewaltfreie `Ungehorsame` mit unserer ganzen Person für den Gesetzesbruch aus Gewissensgründen einstehen" und Coretta Scott King stellte unser Bemühen in die Tradition des Kampfes ihres ermordeten Ehemannes.

Gelacht haben wir auch: Ich erinnere mich gerne an die aus Angst vor Gewalt mit Brettern vernagelten Schaufenster der Bonner Einkaufszone. Auf eines hatte ein Demonstrant gemalt: "Jetzt bin ich extra aus Moskau gekommen, um hier einzukaufen".

Der 10. Oktober 1981 war der Auftakt zu weiteren großen Demonstrationen 1982 und 1983, an denen sich noch viel mehr Menschen beteiligten. An der Basis entstand das Netzwerk, das bis heute nicht ganz gerissen ist.

Die Politik nahm den Impuls der Friedensbewegung nicht auf. Der Deutsche Bundestag stimmte Ende 1983 mehrheitlich der Stationierung von Pershing II und Cruise Missile zu. Die Kirchen blieben ihrer Schaukelformel vom Friedensdienst mit und ohne Waffen im Wesentlichen treu - trotz anderer Akzentuierungen in den Kirchen in der DDR.

Auch deswegen ging die Proliferation atomarer und anderer Massenvernichtungswaffen weiter - besonders nach dem Ende der bipolaren Welt, der wir Aktiven auch in der Formulierung unserer Alternativen vielfältig verhaftet waren. So weit, dass die anhaltende Verbreitung nuklearer, biologischer und chemischer Waffen (WMD) heute vielen als veritable Kriegsbegündung gilt.

Die Bonner Demonstration endete 1981 mit dem Aufruf zu "Mut, Kraft, Phantasie und langem Atem". Die Zeit dieser Sekundärtugenden ist nicht vorbei. Und an der Primärtugend sollten wir weiter arbeiten. Abrüstung ist zwar wichtig, aber nur ein Teil des notwendigen Friedens.



Volkmar Deile war damals als Geschäftsführer der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste einer der Organisatoren.

E-Mail: vdeile (at) t-online (Punkt) de
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