Geschichte
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update:
05.10.2011


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Geschichte der Friedensbewegung

 Legendär: 10.10.1981 Hofgarten

Redebeitrag, 10.10.1981, Bonn, Hofgarten

Wer Pershing sagt, muß keineswegs SS-20 sagen

Gert Bastian

Wir sind heute zusammengekommen, um den Machthabern in West und Ost, die ihre Macht mißbrauchen und immer mehr Waffen anhäufen, anstatt die Probleme der Menschheit gewaltlos zu lösen, den Gehorsam aufzukündigen und unüberhörbar entgegenzurufen, daß wir nicht länger gewillt sind, unsere Zukunft ihren verderblichen Parolen von Abschreckung und militärischem Gleichgewicht anzuvertrauen.

Dabei wenden wir uns in erster Linie an die eigene Regierung, mit deren Politik wir nicht einverstanden sind. Doch fallen wir ihr nicht heimtückisch in den Rücken, wie die ewigen Scharfmacher behaupten, die sich nicht entblöden, auf faschistisches Vokabular zurückzugreifen, um demokratisch handelnde Deutsche zu verleumden. Aber wir fallen unserer Regierung entschlossen in den Arm, solange sie ihn nach neuen Nuklearwaffen ausstreckt, worauf ihre Politik hinausläuft, wie immer die Absichten auch sein mögen. Wir halten nämlich nichts davon, Rüstungsverzicht nur von anderen zu fordern, selbst aber die nukleare Aufrüstung zu beschließen.

Und wir lassen uns nicht länger weismachen, daß es eine »Vorrüstung« im Osten gebe, die zur »Nachrüstung« im Westen zwingen würde, denn die Tatsachen widerlegen dieses Märchen, wenn man sie in ihrer Gesamtheit bewertet und nicht nur die zur eigenen Absicht passenden Ausschnitte herausgreift.

Darum bedanken wir uns für das Geschwätz jener Niggemeiers und Co., die uns Einseitigkeit vorwerfen, weil wir vor der eigenen Tür zu kehren beginnen, während sie selbst bedenkenlos zu allem nicken, was in Bonn und Washington für klug gehalten wird, und kein Wort über die Einseitigkeit derer verlieren, die dort mit fadenscheinigen Argumenten und nur halb wahren Dokumentationen zwar die Rüstung des Ostens überzeichnen, aber die im Geldwert höheren Rüstungsaufwendungen des Westens unterschlagen.

Wer Pershing sagt, muß eben keineswegs auch SS-20 sagen, denn zwischen diesen gleichermaßen abzulehnenden Rüstungsschritten gibt es keinen ursächlichen Zusammenhang. Doch wer SS-20 sagt, der muß auch Polaris und Poseidon sagen, wenn er ehrlich bleiben will, weil dies die vergleichbaren Nuklearpotentiale sind, mit welchen Tricks auch immer man das zu verschleiern sucht. Natürlich wenden wir uns auch gegen diese Nuklearwaffen in Ost und West, in deren Schatten wir nicht länger leben wollen, weil wir nicht glauben, daß der angedrohte Völkermord den Frieden erhalten kann.

Darum fordern wir mit Nachdruck, daß sämtliche schon jetzt bei uns lagernden sowie Europa vom Atlantik bis zum Ural bedrohenden Nuklearwaffen beseitigt werden. Und wir begrüßen es, wenn Verhandlungen mit diesem Ziel jetzt endlich in Gang zu kommen scheinen, was freilich mehr dem Widerstand der Europäer gegen neue Nuklearwaffen, als der Weisheit ihrer Regierungen zuzuschreiben ist.

Aber wir lehnen es kategorisch ab, für den Beginn solcher Verhandlungen mit ungewissem Ausgang den viel zu hohen Preis eines deutschen Einverständnisses zur nuklearen Aufrüstung Westeuropas und vor allem unseres Landes zu bezahlen. Wer uns das als guten Handel andrehen will, kann nicht mit unserer Zustimmung rechnen, sondern stößt auf unseren kompromißlosen Widerstand!

Wir sehen in ihm keinen vertrauenswürdigen Sachwalter unserer Interessen, sondern den Totengräber unserer Vorstellungen vom friedlichen Zusammenleben der Völker. Deshalb werden wir ihm den Spaten aus der Hand nehmen, um endlich den Graben zuzuschütten, der die Welt und unser Land teilt, und den jene nur immer noch tiefer machen, die mit ihrem Mißtrauen, ihrer Verblendung und ihrem Antikommunismus, den schon Thomas Mann die Grundtorheit unserer Epoche genannt hat, auch unser Leben vergiften.

Die Friedenssicherung durch Aufrüstung hat ebenso ausgedient wie jede auf militärisches Denken fixierte Politik! Abrüstung statt Abschreckung lautet deshalb unsere Devise. Für sie demonstrieren wir heute. Um sie schließen wir uns gegen jeden Versuch, unsere Bewegung zu spalten, nur umso fester zusammen! Und mit ihr überwinden wir den Wahnwitz derer, die unsere Welt zu Tode rüsten, wenn wir sie nicht daran hindern, wozu wir deshalb mehr denn je entschlossen sind!



Quelle: Buch "Bonn 10.10.1981", Friedensdemonstration für Frieden und Entspannung in Europa, Reden, Fotos .., Lamuv-Verlag 1981

(Mit freundlicher Genehmigung des Verlages)



Alle Audiofils zum Thema:
siehe hier



E-Mail: friekoop (at) bonn (Punkt) comlink (Punkt) org

Website: www.friedenskooperative.de
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