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2003


vom:
20.04.2003


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Redebeitrag des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) auf dem Augsburger Ostermarsch am 19. April 2003

Gerhard Rampp

Liebe friedenswillige Mitmenschen,

wir treffen uns hier nicht wegen eines bestimmten Krieges, denn militärische Gewalt hat immer und überall furchtbare Folgen, und über dem aktuellen Geschehen vergessen wir allzu leicht, daß es in der Welt mehrere unbeachtete Kriege gibt, so zum Beispiel im Kongo oder im Sudan, die in den letzten Jahren rund drei Millionen Menschen das Leben gekostet haben.

Trotzdem hat uns der Irak-Krieg besonders getroffen, denn hier hat zum ersten Mal seit langem ein Staat, der sich zu den Gründervätern der zivilisierten, demokratischen, abendländischen Gesellschaft zählt, einen offenen Angriffskrieg gegen einen anderen Staat begonnen. Was die Weltöffentlichkeit besonders bestürzt, ist die Serie von ungenierten verbalen und inhaltlichen Lügen, die uns dabei aufgetischt wurde. Verbale Lügen sind zum Beispiel Begriffe wie "Drohkulisse" statt Kriegsvorbereitungen, "präventiver Erstschlag" statt Angriffskrieg und zuletzt sogar die geradezu groteske Wortschöpfung "humanitärer Krieg". Nicht einmal eine Person mit dem IQ des Herrn Bush kann glauben, daß eine solche Behauptung von mündigen Menschen abgenommen wird. Die inhaltlichen Desinformationen sind bekannt: Man kann Saddam Hussein viele Verbrechen gegen seine Landsleute vorwerfen, aber die Bedrohung der USA, die Zusammenarbeit mit Al Qaida und der Besitz von Massenvernichtungswaffen gehören nicht dazu. Selbstverständlich sind auch wir gegen den Besitz oder gar den Gebrauch von ABC-Waffen durch irgendeinen Staat - aber da machen dann auch die USA keine Ausnahme.

Dieser Krieg ist ein Lehrbeispiel für die Perversität jedes Kriegs, denn mag er auch militärisch entschieden sein, so ist er psychologisch und humanitär aus mehreren Gründen noch lange nicht beendet. Zum einen wurde er von religiösen Fundamentalisten als Krieg des Guten gegen das Böse geführt, wobei die Supermacht, die sich als "Gods own country" definiert, auch gleich festlegt, wer gut und wer böse ist. Wenn Bush sich dabei an das biblische "Harmaggedon" anlehnt, also die Entscheidungsschlacht der Gerechten gegen die Sünder kurz vor dem Jüngsten Gericht, dann ist zu befürchten, daß er nach diesem Krieg nicht aufhören wird, denn es warten ja noch viele Böse, zunächst mal Syrien. Daher rührt auch die beratungsresistente Selbstgerechtigkeit, mit der die US-Regierung bisher ihre Linie gegen die UNO durchzieht. Solcher ideologisch motivierter Größenwahn hat uns zwei Weltkriege beschert; wir wollen keinen dritten.

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Erfreulicherweise haben sogar der Papst und die evangelische Kirche hier erstmals jene eindeutig ablehnende Stellung gegen den Krieg bezogen, die weltliche Humanisten schon seit langem hatten. Das läßt hoffen, daß sich die Kirchenführungen von ihrer bisherigen Theorie des "gerechten Kriegs" nun auch grundsätzlich verabschieden. Denn kein Krieg ist gerecht, jeder ist unmenschlich in seinen Folgen. Der Unterschied zu den meisten US-Kirchen liegt darin, daß die europäischen Kirchen zumindest hier vom Geist der Aufklärung beeinflußt sind und daß sie außerdem die zum Teil recht grausamen Episoden der Bibel, insbesondere im Alten Testament, mehrheitlich nicht wörtlich nehmen oder gar als Rechtfertigung für Brutalität auffassen (wie dies viele Fundamentalisten in den USA tun), sondern nur die friedfertigen Passagen der Bibel als Maßstab für ihr Handeln heranziehen.

Im Ergebnis haben weltliche Humanisten, wie sie auch vom Bund für Geistesfreiheit repräsentiert werden, und die Mehrheit der europäischen Christen selten so deutlich übereingestimmt wie hier. Die Trennungslinie verläuft zwischen denen, die einem ethischen, an den Menschenrechten ausgerichteten Denken und Handeln Vorrang einräumen - egal ob religiös oder weltlich orientiert -, und jenen opportunistischen Taktikern, die auch in Deutschland die Mehrheit in den etablierten Parteien bilden - und leider nicht nur in den rechten, sondern auch in den Regierungsparteien.

Aber der Krieg im Irak ist auch aus anderen Gründen noch lange nicht beendet. Es wird Jahre dauern, bis die zerstörte Infrastruktur wieder hergestellt sein wird. Und es wird Jahrzehnte dauern, bis die traumatischen Erfahrungen der Überlebenden aufgearbeitet sein werden. Damit meine ich nicht nur die leidgeprüfte irakische Zivilbevölkerung, sondern auch die jungen US-Soldaten, die aus dem Krieg nicht mehr so ahnungslos herauskommen, wie sie hineingegangen sind. Und sie werden seelisch verändert sein, denn der Anblick von Tod und Leid läßt niemanden unberührt. Die USA haben im letzten Golfkrieg im Kampf weniger Soldaten verloren als nachher durch Selbsttötung infolge der psychischen Spätfolgen. Jede zweite Ehe oder Beziehung ging in den sechs Monaten nach dem Krieg in die Brüche, und nicht wenige wurden drogensüchtig oder endeten als psychisches Wrack. Aufgrund eigener Erfahrungen warnte der US-Veteranenverband eindringlich vor dem Krieg - vergeblich. Warum müssen immer wieder unerfahrene junge Menschen diese leidvollen Erfahrungen machen statt aus den Fehlern ihrer Vorgänger zu lernen ?

Vielleicht liegt hier sogar der Kollateralnutzen dieses Kriegs: Seit 30 Jahren erlebte ich Schüler nicht mehr so engagiert und politisch bewußt wie jetzt. Darauf gilt es aufzubauen, um die Fehler der Vergangenheit nicht mehr ganz so oft zu wiederholen wie bisher.



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