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Oster-
marsch
2003


vom:
25.04.2003
Update: 29.04.2003


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Zur Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises (Ostermarsch 2003)

Hanna Jaskolski

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Ich habe in meinem Leben noch nie einen Preis bekommen. Ich bin sehr bewegt. An erster Stelle möchte ich mich herzlich bei den Düsseldorfer Friedensgruppen bedanken, die mir den Preis ver- liehen haben. Ich empfinde diese Preisverleihung als Bestätigung dafür, dass meine Friedensaktivitäten richtig waren und sind. Mein Dank geht auch an Menschen, die mir nahe stehen, an meine Familie, meinen Mann, meine Kinder. Sogar meine Enkel haben mich unbewusst inspiriert, da es mein größtes Anliegen ist, den Kindern auf dieser Erde das Leben in Frieden zu ermöglichen. Mein Dank geht an Freundinnen und Freunde, an so viele, die mich unterstützt und mir auf vielfältige Weise auf meinem speziellen Friedensweg geholfen haben. Keiner ist das, was er ist, ganz aus sich selber. Darum nehme ich den Preis auch stellvertretend für alle an, die für Frieden kämpfen - damit meine ich auch den Frieden mit unseren Mitgeschöpfen und unserer Umwelt, unserer Mutter Erde. Ich habe Zivilcourage von großen Vorbildern gelernt. Die großen Männer unserer Zeit und vergangener Zeiten brauche ich nicht zu nennen. Statt dessen möchte ich zwei große Frauengestalten nennen: Rosa Luxemburg und Sophie Scholl. Von ihnen habe ich Mut und Unbeirrbarkeit gelernt. Übrigens kommt mir wohl auch meine Veranlagung zugute. Ich soll bei aller Empfindsamkeit ein eigensinniges Kind gewesen sein. Man sieht, es kann daraus durchaus etwas Brauchbares werden. Der Antrieb für meine Friedensaktivitäten war nie das Schielen nach Belohnung, auch nicht nach sichtbaren Erfolgen. Obwohl die Aktionen oft anstrengend waren, habe ich sie immer als selbstverständlich empfunden, als etwas, was ganz einfach getan werden muss. Und ich hoffe für mich, dass es so bleibt, dieses immer wieder Heraustreten aus dem Privaten und Normalen. Das genau ist es, was jedem schwer fällt, was eben nicht selbstverständlich ist. Wir müssen uns dazu gegenseitig ermutigen. Was die Zukunft betrifft: Ich verspreche gern, mich nicht auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen.

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Oster-
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2003
Es gibt weiterhin viel zu tun. Wir sollten die Bewegung nutzen, die durch den Protest gegen den Irakkrieg in die Welt gekommen ist; eng verknüpft ist sie mit dem Protest gegen die neoliberale Globalisierung. Ich bin empört über die auch in Deutschland angestimmten Lobgesänge auf den erfolgreichen Krieg. Wir sollten uns von diesen nicht irritieren lassen. Sollen doch die Enzensberger aller Länder den Krieg als probates Mittel der Politik schönreden! Das gab es auch vor dem ersten und zweiten Weltkrieg, und wir wissen ja zu gut, wie schlecht diese Weltkriege der Menschheit bekommen sind, ausgenommen die Minderheit der Kriegsgewinnler, und die sitzen merkwürdigerweise vor allem in den USA. Mit dem Irakkrieg haben wir den Auftakt zum vierten Weltkrieg erlebt. Nach Washingtoner Zählung ist der Kalte Krieg der dritte Weltkrieg gewesen und das Jahrzehnt nach seinem Ende die Inkubationszeit des vierten. Ich glaube, dass die vielen Millionen, die in der ganzen Welt gegen den Irakkrieg protestiert haben, ein Gespür dafür hatten, dass es um mehr geht als nur den Feldzug gegen den Irak. Und wenn diese Millionen wach bleiben und sich nicht von den Meinungsmachern einlullen lassen, werden sie auch weiter auf die Straße gehen, wieder und wieder, und sie werden den willigen Regierenden die Parole unserer amerikanischen Friedensfreunde entgegenschleudern: "War without End? Not in our Name!" - "Krieg ohne Ende? Nicht in unserem Namen!"

Hören wir genau hin: "Nicht in unserem Namen!" Das heißt doch: Nicht im Namen des Volkes! Millionen von Menschen haben den vermeintlichen Herren der Welt die Gefolgschaft aufgekündigt, haben ihnen das Recht verweigert, für sie zu sprechen und zu handeln. Wir erleben weltweit einen demokratischen Aufstand, der vor allem von jungen Leuten getragen wird, von der Bewegung der Globalisierungskritiker, von Attac und anderen Gruppierungen zusammen mit der Friedensbewegung. Naomi Klein nimmt für diese Bewegung die Globalisierung demokratischer Selbstbestimmung in Anspruch - gegen Konzerne, Regierungen und die Institutionen der kapitalistischen Globalisierung, deren Vertreter ständig die Begriffe Freiheit und Demokratie im Munde führen. Der Kampf für eine bessere Welt benötigt Menschen mit politischem Bewusstsein, Widerstandsgeist, Zivilcourage und Durchhaltevermögen gegen alle Widerstände und Diffamierungen.

Ich möchte noch kurz auf eines meiner friedenspolitischen Betätigungsfelder zu sprechen kommen, das in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt, aber neuerdings fast unbemerkt eine fatale Bedeutung gewinnt: die Lagerung, Bereitstellung und Weiterentwicklung von Atomwaffen. Gegen amerikanische Atomwaffen auf deutschem Boden habe ich mehrmals in Büchel bei Cochem an der Mosel und vor der amerikanischen Kommandozentrale EUCOM in Stuttgart-Vaihingen protestiert. Ich habe auch an Aktionen zivilen Ungehorsams teilgenommen und bin dafür bestraft worden, zuletzt mit einem Monat Gefängnis ohne Bewährung. Bei der Osterblockade des EUCOM im Jahr 2001 habe ich zusammen mit meinem Mann ein Transparent mitgeführt, das Ihr heute wiederum sehen könnt: AMERICA FOR THE AMERICANS - EUROPE FOR THE EUROPEANS - ERGO: US-ARMY GO HOME! Amerika den Amerikanern - Europa den Europäern - Ergo: US-Armee geh nach Hause! War die Aussage vor zwei Jahren noch umstritten, ist sie heute voll ins Recht gesetzt. Wir erinnern die Amerikaner an ihre Monroe-Doktrin von 1823, die die europäischen Kolonialmächte aufforderte, sich nicht in die Angelegenheiten der Amerikaner zu mischen. Sie hatten damals vollkommen recht. Heute nehmen wir Europäer dasselbe für uns in Anspruch: Europa den Europäern! Die außen- und militärpolitische Konsequenz heißt: US-Army go home! Und wir bitten die US-Armee sehr dringlich darum, auch ihre Atomwaffen mitzunehmen. Ich schließe nicht davor die Augen, dass auch Briten und Franzosen Atomwaffen besitzen, und fordere sie auf, sie möglichst bald zu verschrotten. Europa - eine atomwaffenfreie Zone, das ist mein erster Wunsch, eine atomwaffenfreie Welt mein zweiter.

Die Aussage des Transparents hat aber noch eine weitere Dimension. Die USA haben sich über das Völkerrecht, über die UNO und selbst über die NATO hinweggesetzt und ihren - wie sie sagen - "Befreiungskrieg" fürs irakische Volk und Öl auf eigene Faust geführt, bedauerlicherweise assistiert von einem europäischen Staat, der es vorzieht, amerikanischer Vasall zu sein. Die USA haben es getan mit Hilfe ihrer zahlreichen Militäreinrichtungen in Deutschland und ganz Europa. Und unsere Regierung hat dem auch noch zugestimmt. Sie haben uns einfach was vorgemacht. Nun ist es endgültig Zeit, klare Konsequenzen zu fordern und dafür weiter auf die Straße zu gehen. Es ist Zeit für eine neue Bewegung europäischer Selbstbestimmung, für ein Europa von unten, das solidarisch ist mit dem Protest der Lateinamerikaner, der Afrikaner und der asiatischen Völker gegen die Bevormundung durch die US-Regierung und die US-dominierten Institutionen der neoliberalen Globalisierung. Das Nein zum Krieg und die Kritik des Neoliberalismus müssen ergänzt werden durch das Ja zur demokratischen Reform Europas und zu einer europäisch inspirierten Kultur des Friedens.

Noch einmal vielen Dank! Ich wünsche, dass wir uns heute bei diesem Ostermarsch alle glücklich und gestärkt fühlen.

Hanna Jaskolski



E-Mail:   hjaskolski@t-online.de
Internet: http://home.t-online.de/home/hjaskolski/hanna.htm
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