Netzwerk Friedenskooperative



Oster-
marsch
2004


vom:
07.04.2004


 vorheriger

 nächster
 Artikel

Ostermärsche und -aktionen 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch 2004 in Düsseldorf, 10. April

Globalisierung führt zu Krieg

Maria Mies (Düsseldorf)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

- Sperrfrist: Redebeginn -

Die meisten Menschen glauben immer noch, dass Handel eine friedliche Angelegenheit sei und dass Kriege diesen "friedlichen Handel" behindern. Wenn wir uns aber die ältere und jüngere Geschichte des globalen, kapitalistischen Freihandels ansehen, stellen wir fest, dass Kriege bis heute diesen Handel vorbereiten, begleiten und ihm folgen. Nach den Worten eines holländischen Kolonisators aus dem 17. Jahrhundert: kann "Handel nicht ohne Krieg, noch Krieg ohne Handel geführt werden."

Versprechungen

Diese Erkenntnis erleben wir heute im Zeitalter der konzerngesteuerten, neoliberalen Globalisierung ganz konkret. Nach dem Ende der Blockkonfrontation um 1989 folgt ein Krieg auf den anderen. Gleichzeitig wurden auch weltweit die sogenannten neoliberalen Wirtschaftsreformen durchgesetzt, zuerst von Weltbank und IWF, später durch die WTO. Sie waren begleitet von grossartigen Versprechungen wie:

Der freie Welthandel schafft Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand für alle, Freiheit, Demokratie und schliesslich Frieden im gobalen Dorf. Voraussetzung sei allerdings, das sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalte. Der freie Weltmarkt und die universale Konkurrenz werde diesen paradiesischen Zustand, "wie durch eine unsichtbare Hand" schaffen. So Adam Smith, ein Vater der Freihandelslehre. Der ehemalige CDU-Wirtschaftsminister Rexrodt sagte: "Wirtschaftspolitik wird in der Wirtschaft gemacht."

Diese neue Wirtschaftspolitik basiert auf den grundlegenden Prinzipien:

Globalisierung, d.h. Öffnung aller Grenzen für den freien Handel, Deregulierung bzw. Liberalisierung aller Gesetze und Regeln, die diesem Handel im Weg stehen, Privatisierung allen öffentlichen Eigentums wie der Telekommunikation, der Energie-, Verkehrs-Wasser-Bildungs-Krankenversorgungssysteme und vieler anderer öffentlicher Betriebe. Das Leitmotiv dieser Privatisierungen ist die Suche nach dem privaten Profit und die universale Konkurrenz. Arbeits-, Umwelt-und andere soziale Regelungen werden diesen Zielen untergeordnet.

 zum Anfang


Oster-
marsch
2004
Die Realität

Doch was ist aus den grossartigen Versprechungen geworden?

Weltweit haben Arbeitslosigkeit, Armut und Analphabetentum zugenommen. Wer kein Geld hat, kann sich weder die privaten Schulen noch das private Krankenhaus leisten. In vielen Ländern des Südens, wie z.B. in Indien sind ganze Flüsse wie der Ganges an transnationale Wasserkonzerne wie Suez oder Vivendi verkauft worden. Wenn Bauern dann noch Wasser aus diesen Flüssen nehmen, gilt das als Diebstahl. Nur wer Geld hat, bekommt Wasser. Coca Cola hat das Grundwasser in Kerala angezapft, um Trinkwasser in Flaschen zu füllen, die weltweit, eventuell auch hier verkauft werden. Die Folge, sämtliche Brunnen in der Umgebung der Fabrik sind ausgetrocknet. Im Kongo will die Regierung mit Hilfe der Weltbank den Tropenwald abholzen. In Indien hat es in den letzten Jahren eine ganze Epidemie von Selbstmorden unter Bauern gegeben, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. Agrarmultis und Banken hatten sie überredet, für gentechnisch manipuliertes Saatgut Kredite aufzunehmen. Die Ernten waren ein Flop und sie blieben auf ihren Schulden sitzen.

Die Kluft zwischen den Globalisierungsgewinnern und der Masse der Globalisierungsverlierer ist heute grösser denn je und wächst weiter. Das geben selbst die UNO und die Weltbank zu. Das gilt auch für die Kluft zwischen den reichen und den armen Ländern. Die Zahl der Menschen, die heute von einem Dollar/Tag leben müssen, hat in den letzten Jahren zugenommen. Da die Regierungen der meisten armen Länder Mitglied der WTO geworden sind, haben sie eine eigenständige Wirtschaftspolitik zum Wohle ihrer Bevölkerung aufgegeben. Auch sie haben den Versprechungen der Globalisierer geglaubt.

Jetzt stellen viele fest, dass die reichen Länder sie wie Neokolonien ausplündern und dass sie nichts dagegen machen können. Der Finanzcrash in Südostasien (1997/98) hat Millionen von Menschen arbeitslos gemacht und in den Ruin getrieben. Er war verursacht durch die Öffnung der Kapitalmärkte für alle möglichen Spekulationen. Profitiert haben davon westliche Konzerne und Banken. Der kanadische Ökonom Chossudowsky nennt dies einen Krieg, in dem kein Blut floss. Doch diese neoliberale Politik fühert auch zu blutigen Kriegen.

Die Weltbank hat selbst zugegeben, dass die neue Politik der Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung zu sozialen Konflikten führen werde. Aber schliesslich sei dies zum Wohle aller. Wir können jedoch feststellen, dass es hier tatsächlich um soziale Kriege geht. Ihre Folgen sind in vielen Ländern Kriege und gar Genozide. Diese Kriege werden dann durch uralte ethnische oder religiöse Unterschiede erklärt, nicht aber als Folge der Globalisierungspolitik.

Der soziale Krieg ist jedoch auch in die reichsten Länder zurückgekehrt, in die USA, nach England und nach Deutschland und die EU insgesamt. Auch hier geht die Schere zwischen Globalisierungsgewinnern und -verlierern immer weiter auf. Auch hier wachsen oder stagnieren die Arbeitslosenzahlen, es gibt mehr Obdachlose und Bettler als vorher, viele Menschen müssen 2-3 Jobs haben, um überleben zu können. Um die neoliberalen "Reformen" in Deutschland, wenn auch verspätet durchzusetzen, beraubt die Regierung die Rentner, die Alten, die Kranken und die Jugend und nennt dies alles notwendig, um den "Sozialstaat umzubauen und so zu retten". Die Politiker betonen, dass andere Länder wie etwa England diese Reformen schon in den neunziger Jahren durchgeführt hätten. Hätten sich die deutschen Politiker z.B in England umgesehen, hätten sie auch gewusst, was die Resultate dieser Politik waren und sind, nämlich die tatsächliche Abschaffung des Sozialstaates.

Was wir heute erleben, ist auch in unseren Ländern schon ein regelrechter sozialer Krieg. Prinzipien wie Solidarität, Mitverantwortung, soziale Gerechtigkeit, Vorsorge für die Zukunft, Schutz der Umwelt werden alle auf dem Altar des ungebremsten Profits und der Konkurrenz geopfert. Es zählt nur der platte Egoismus und die betriebswirtschaftliche Logik. Das gilt selbst für karitative Einrichtungen. Nicht nur alle Parteien sondern auch die meisten Medien betrachten diese kapitalistische Politik als alternativlos.

Das neue Kriegssystem

Als genau so alternativlos haben sie akzeptiert, dass Kriege und Militarismus nun wieder "normal" geworden sind. Kanzler Schröder hat es sogar als Fortschritt bezeichnet, dass die "Tabuisierung des Militärischen" bei uns durchbrochen wurde. Zwar war er aus wahltaktischen Gründen gegen den Irakkrieg, aber er und seine Regierung gehören zu den heftigsten Betreibern einer europäischen Militarisierung, wie sie die geplante EU-Verfassung vorsieht

Die grün-rote Bundesregierung hat jedenfalls dem Nato-Angriffskrieg im Kosovo zugestimmt und Truppen entsandt. Sie macht mit bei dem Anti-Terror-Krieg der US-Regierung in Afghanistan. "Am Hindukusch werden deutsche Interessen verteidigt" so Verteidigungsminister Struck. Im Irak hat sie sich zurückgehalten, hofft aber dennoch, dass sie bei der Verteilung der Kriegs-Beute und der Investitionen beim Wiederaufbau beteiligt sein werde.

Von Frieden im "globalen Dorf" kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil. Offensichtlich kommt die ökonomische Globalisierung eben nicht ohne Krieg aus. Thomas Friedmann von der New York Times hat dies unmissverständlich formuliert. Macdonalds könne seine Hamburger weltweit auf dem Fastfood- Markt nur verkaufen, weil McDonell (ein Rüstungskonzern) die dazu gehörigen Kampfjets liefert, die vom Pentagon, wenn notwendig, eingesetzt werden. Die "unsichtbare Hand" des globalen Marktes kommt eben nicht ohne die "gepanzerte Faust" des Krieges aus. Nach dem 11.9. 2001 sind die Rüstungsausgaben in den USA aber auch bei uns sprunghaft gestiegen. Man kann wieder hören, Rüstung schaffe Arbeitsplätze und kurbele die Wirtschaft an. Der Grund für diese neue/alte militär-ökonomische Logik: Die wichtigsten strategischen Resourcen für die neoliberalen, globalisierten Ökonomien sind Öl, Erdgas, Rohstoffe aus der ganzen Welt, aber auch ungehinderte Verkehrswege für den Transport von billigen T-Shirts aus China, Schuhen aus Vietnam, Lebensmittel aus der ganzen Welt, Autos aus Japan, Computer aus Korea usw.

Globalisierung führt nicht nur zum Krieg sondern braucht auch Krieg.

Dieser "freie Handel" ist heute durch den Terrorismsus bedroht.

Darum gilt auch der Terrorismus als der neue grosse Feind. Alle neuen Kriegsstrategien haben sich auf diesen Feind eingeschossen. Er passt zu den neuen "Kriegen ohne Grenzen".

Er kann überall auftauchen und liefert die Rechtfertigung für alle möglichen neuen Angriffskriege, vor allem gegen Länder, die sich gegen die konzerngesteuerte Globalisierung sträuben, wie z.B. der Irak. Thomas P.M. Barnett schreibt über die neue Weltkarte des Pentagon:

"Je weniger ein Land an der Globalisierung teilhat, desto eher wird es eine militärische Intervention der Vereinigten Staaten heraufbeschwören" (zit. in Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/2003)

Diese Länder werden durch Krieg für den globalen "Freihandel" "geöffnet".

Dass dabei das Völkerrecht mit Füssen getreten wird und dass das eigene Volk und die Welt nach Strich und Faden belogen werden muss, war von Anfang an klar. Inzwischen gibt es die US-Regierung selbst zu. Doch das ist auch Teil neuen globalen Kriegsystems. Zuerst wird zugeschlagen. Rechtfertigen kann man sich später. So glauben die Kriegsherren.

Krieg nach Innen

Dieser Krieg nach aussen hat sofort den Krieg nach innen zur Folge. Dazu gehört der soziale Kahlschlag ebenso wie die Aushöhlung der Demokratie durch immer weitere Sicherheitsgesetze, die Schaffung eines Klimas der universalen Verdächtigung, der Panik, der Fremdenfeindlichkeit und die Zerstörung dessen, was wir unter einer zivilisierten Gesellschaft verstehen. Angeblich wollten die Amerikaner diese Werte durch ihre Kriege am Golf einführen. Das Resultat kennen wir. Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi sagte: "Kein Volk kann durch militärische Interventionen von aussen zur Demokratie gebracht werden. Die muss das Volk schon selbst erkämpfen"

Die Friedensdemonstrationen in den USA und in der ganzen Welt, der Erfolg der Anti-Globalisierungsbewegung in Cancun (Mexiko), die die WTO lahm legte, die hunderttausend, die im Januar beim Weltsozialforum in Mumbay (Indien), aus der ganzen Welt zusammengekommen waren, der Protest von Millionen von Menschen am letzten Samstag in Europa zeigen, dass die Menschen die Propagandalügen nicht mehr glauben, dass Kriege notwendig und die neoliberale, kapitalistische Globalisierung alternativlos sei.

Sie wollen eine andere Wirtschaft, eine andere Gesellschaft und eine andere Politik. Die Menschen glauben ihren Regierungen nicht mehr. Sie glauben nicht mehr an das Mantra, dass der globale Freihandel Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand für alle, Gleichheit und Frieden bringen werde. Sie glauben vor allem nicht, dass der unverschämte Reichtum, der von einigen Globalisierungsgewinnern, wie z.B. Herrn Ackermann, an der Spitze der Gesellschaftspyramide angehäuft wird, schliesslich nach unten "durchsickern" und schliesslich allen zugute kommen werde. Sie verstehen jetzt, dass das Bild, mit dem Butterwegge diese kapitalistische Gesellschaft beschreibt, nämlich der Paternoster die Situation richtiger beschreibt: DIE EINEN STEIGEN AUF, WEIL ANDERE NACH UNTEN SINKEN.

Einige häufen obszöne Reichtümer an, weil die ganze Natur geplündert und zerstört wird

Das gilt nicht nur in einzelnen Ländern sondern auch weltweit.

Die Menschen beginnen zu verstehen, dass die neuen Kriege ein Resultat dieser globalisierten Wirtschaft sind.

Die neuen sozialen Bewegungen sind

 gegen die profitgesteuerte Globalisierung,

 gegen Kriege und die Militarisierung Europas

 gegen den Sozialraub

 gegen den Abbau der Demokratie

 gegen den Krieg gegen die Natur und eine verlogene Politik.

 Sie sind für eine solidarische, gerechte, umweltbewusste Welt, die in Frieden mit der Natur und anderen Völkern lebt.

 Wir sind die Mehrheit! Wir sind das Volk! Wir sind der Souverän! Nicht die Konzerne! Nicht das Kapital!


Maria Mies ist emeritierte Professorin für Soziologie und u.a. seit Sommer 1997 aktiv in der Anti-MAI und Anti-Globalisierungsbewegung.
Internet: http://www.attac.de/feministattac/mm_wto.php
 zum Anfang

 vorheriger

 nächster
  
Artikel

       
Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema
Ostermärsche
Ostermärsche
OM 2003 - Rede U.Stroheker, Mannheim, 19.04.03
OM 2003 - Rede J.Huffschmid, Oldenburg, 19.04.03
OM 2003, Rede T.Gocht, Mainz, Frankfurt,19./21.04.03
OM 2004: Aufruf Ruhr
OM 2004 - Aufruf München

Bereich

 Netzwerk