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Oster-
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2004


vom:
09.04.2004


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Ansprache zum Beginn des Ostermarsches - Chemnitz 09.04.2004

Liebe Friedensfreundinnen und Freunde,

Pfarrer Hans-Jochen Vogel (Chemnitz)

- Es gilt das gespeochen Wort! -

dies ist heute der 15. Ostermarsch in Chemnitz. Mal waren wir wenige, mal war es ein eindrücklicher Zug, der sich Ober die Straßen um Chemnitz oder durch die Stadt bewegte. Wir haben durchgehalten und ein Zeichen zu setzen versucht. Auch wenn im Lande alles ruhig zu sein schien, wir haben daran erinnert, daß solche Ruhe trügerisch ist, solange weiter gerüstet und für den Krieg geübt wird, weiter Waffen gehandelt und Konflikte geschürt werden, weiter anderswo Elend, Unrecht und Unterdrückung herrschen.

Dieses Jahr kommt niemand auf den Gedanken, es sei alles in bester Ordnung. Die Proteste vom vergangenen Sonnabend gegen den als notwendige Reform verkauften Abbau des Sozialstaats, gegen den Marsch in die Massenarmut, waren überdeutliche Zeichen. Wenn ihr leben wollt, dann verkauft euch als Ramschware zu Billigpreisen und laßt mit euch alles machen, was eure Käufer verlangen. Nur die Reichen müssen reicher werden. Nur die Bankpräsidenten und Konzernmanager müssen noch einmal und noch einmal kräftig zulangen, bevor es zu spät ist.

Dieses Unrecht ist Krieg. Krieg mitten in unserer Gesellschaft. Er äußert sich dann auch in der Rücksichtslosigkeit und Brutalisierung, der Gereiztheit und Aggressivität unter den Menschen.

Vor zehn Jahren begann einer der ungeheuerlichsten Völkermorde der Geschichte in Ruanda. Man hört jetzt viel darüber. Aber wenig über die Ursachen und Hintergründe. Wie war das nur möglich? So viel anders als wir sind die Ruander gar nicht. Allerdings lebte das Land großenteils vom Kaffeeexport. Unter dem Druck der USA wurden die Preise für Kaffee massiv gedrückt. Das Land geriet in wachsende Schulden. Der IWF zwang ihm seine berüchtigten Strukturanpassungsmaßnahmen auf: Privatisierungen, Entlassungen aus dem Öffentlichen Dienst, Streichung von Subventionen und Unterstützungen für die Kaffeebauern, Öffnung der Grenzen für billige Importe. So wurden das Land ins Elend und die Gesellschaft in die Katastrophe gestürzt. Frankreich unterstützte die Armee, die dann zum Massenmord auszog. Die USA bauten ihren Mann Paul Kagame auf, der mit seinen Truppen aus Uganda einrückte. Nein, das war kein unverständliches Gemetzel zwischen "wilden Negern", sondern ein Beispiel für das, was überall da passieren kann und passiert, wenn der Kapitalismus und seine großen Raubtiere freie Hand haben in der Welt.

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Jugoslawien liegt uns näher. Da hat ja der Westen Frieden geschaffen. Wie dieser Frieden im Ernstfall aussieht, haben die Pogrome im Kosovo gerade gezeigt. Ein militärisches Protektorat, in dem die Wirtschaft am Boden liegt und es den Leuten schlecht geht - das ist der Frieden, den die NATO hinkriegt.

Haiti - der Putsch der USA gegen den gewählten Präsidenten. Wohl auch als Probelauf für Venezuela und Kolumbien gedacht.

Palästina: Wann immer von palästinensischer Seite. Signale in Richtung Waffenstillstand oder Verhandlungswille kommen, darf man mit einem israelischen Mordanschlag rechnen, der palästinensische Selbstmordattentäter auf den Plan ruft und damit der israelischen Führung wieder die Rechtfertigung zu neuer Gewalt liefert. Manche Leute denken, daß doch niemand an weiterer Gewalt interessiert sein könnte und alle im Grunde den Frieden wollen. Wenn dies stimmen würde, sähe der Nahe Osten anders aus. Und, wie der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor, der Freien Presse sagte, Israel tut nur, was die USA wollen.

Schließlich der Irak. Was zu erwarten war, tritt ein: "Befreiung" des irakischen Volkes durch die Fremdherrschaft führt zur massenhaften Erhebung und blutigen Niederknüppelung. So wollen sie "Herz und Verstand" der Iraker erobern. Warum haben sie Saddam Hussein nicht verjagt und sich dann bei den Irakern dafür entschuldigt, daß sie ihn so lange gehätschelt und gefördert haben und haben sich anschließend wieder aus dem Staub gemacht. Ich weiß: so läuft es nicht in dieser Welt. Aber es hätte eine Logik1 anders als Ihre Waffenmärchen.

Ein alter Pfarrer aus Dortmund hat vor 2 Jahren einen Brief an Johannes Rau geschrieben. Darin heißt es:

Im Wahlkampf 1948 zwischen Harry Truman und Thomas Dewey, der sich wie eine Karnevalsveranstaltung vollzog, wurde ich von Freunden mit dem amtierenden Außenminister Dean Acheson bekannt, der mich im Frühjahr 1949 für eine Woche nach Washington einlud.

Dort habe ich tiefe Einblicke in die Geschehnisse von Senat und Repräsentantenhaus bekommen. Die Grundtendenz war; Kreuzzug gegen die Sowjetunion und alle sozialistisch oder gar kommunistisch orientierten Staaten, Ausweitung der militärischen Vorherrschaft, Kontrolle über die UNO, Verhinderung eines internationalen Gerichtshofs für Kriegsverbrecher, Ausbau eines weltweiten US-Geheimdienstes und vor allem raffiniert eingeleitete und entwickelte Konfliktherde als Grundlage für Stellvertreterkriege und Voraussetzung für das Funktionieren des Kapitalismus. Mir wurde bekannt, daß der nächste Krieg in Korea geplant sei. (Arnold Haumann)

Soziale Zerstörung im Inneren und weltweit, die Gewalt des Kapitals, wie wir sie selbst erfahren und die militärische Aggression anderswo gehören zusammen. Und wenn wir gegen Rüstung und Krieg auf die Straße gehen, dann können wir nicht einfach sagen: Spart das Geld bei der Rüstung und steckt es ~n den Sozialstaat! Das Geld ist leider in der Rüstung bisher immer noch gut angelegt gewesen. Denn auch die deutschen Waffen helfen mit, eine Weltordnung zu erhalten, von der wir mit profitiert haben. Ist es nicht gut, wenn der Kaffee billig ist und die Klamotten, die in Indonesien in Quasi-Sklavenarbeit genäht werden? Es ist bisher im Norden und Westen immer noch gelungen, eine Mehrheit der Menschen mit dem System zu versöhnen, weil man sich billig anderswo bedienen kann, um sie zufrieden und ruhig zu stellen. Kann sein, das funktioniert langsam nicht mehr.

Unser Ostermarsch findet traditionell am Karfreitag statt. Das ist der Tag, an dem vermutlich in den frühen dreißiger Jahren des ersten Jahrhundert u.Z. vom damaligen Imperium ein jüdischer Profet und Lehrer namens Jeschua/Jesus grausam, wie man es mit Staatsfeinden aus unterworfenen Nationen machte, hingerichtet wurde. Etwas Bemerkenswertes an den Berichten, die seine Anhänger von seinen letzten Tagen und Stunden überliefert haben, ist dies: sie schildern keine heldenhafte Elite von Mitkämpfern, die sich tapfer um den Führer schart. Einer liefert ihn ans Messer, sein "bester Mann" hat Angst als sein Freund erkannt zu werden

(...) [Übertragungsfehler des Faxes]

heldenhafte Elite von Mitkämpfern, die sich tapfer um den Führer schart. Einer liefert ihn ans Messer, sein "bester Mann" hat Angst als sein Freund erkannt zu werden und streitet alles ab. Der Rest ergreift die Flucht. Ein paar Frauen zeigen noch die größte Courage. Welche politische oder religiöse Bewegung zeichnet ein solch klägliches Bild von Ihren Anfangen!

Es ist leicht, anzuprangern und zu protestieren, wenn das ein demokratisches Recht ist, das sogar die Polizei schützt.

Und es ist ein Gebot der menschlichen Würde, daß man wenigstens das tut. Es ist schlicht menschenunwürdig, wütend, sauer oder vergnügt in der Ecke zu sitzen und zu behaupten, man könne doch nichts machen. Und wenn sich schon nicht gleich etwas ändert, man sollte doch wenigstens so viel Achtung vor sich selbst haben, zu sagen, was zu sagen ist, zu tun, was zu tun ist.

Und natürlich gehört dann dazu auch etwas von der Bescheidenheit der ersten Christen: Wer sind wir, die wir die Welt ändern wollen hin zu mehr Gerechtigkeit und Frieden?

Passen wir denn dann in eine solche Welt? Sind wir bereit, den Preis der Veränderung auch selbst zu zahlen? Daß die Verhältnisse ändern und sich selbst ändern Hand in Hand gehen muß, darauf hat dann ein anderer der großen Profeten der Menschheit hingewiesen, 1900 Jahre später.

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