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Oster-
marsch
2004


vom:
10.04.2004


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Ostermärsche und -aktionen 2004:

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Rede beim Ostermarsch in Oldenburg, 10.04.2004, Abschlusskundgebung am Brunneneck

Liebe Freundinnen und Freunde,

Hans-Henning Adler (Oldenburg)

Die Nachrichten, die wir täglich aus dem Irak bekommen, überschlagen sich. Es ist ein Schauspiel des Grauens: F16-Kampfjets der USA bombardieren eine Moschee. Ärzte zählen bei dem Angriff auf Falludscha allein 70 Tote und 200 Verletzte. Der Widerstand gegen die Besetzung des Landes flammt überall auf und überall leidet die Zivilbevölkerung unter den Kampfhandlungen. Das bestätigt, was Vertreter der Friedensbewegung vor gut einem Jahr, als dieser Krieg begann, gesagt hatten: Dieser Angriffskrieg der USA und Englands wird keine Probleme lösen, er wird nur neue schaffen.

Der Krieg des amerikanischen Präsidenten Bush und seines willigen europäischen Mittäters Tony Blair war von Anfang an auf Lügen aufgebaut: Die angeblichen Massenvernichtungswaffen hatten schon damals die UNO-Inspekteure nicht gefunden. Aber ihnen wurde ja nicht geglaubt. Als die USA sich dann erfolgreich durchgebombt hatten, war die Weltöffentlichkeit gespannt, ob die Besatzungsarmeen nicht doch versteckte Massenvernichtungswaffen finden würden. Heute wissen wir, dass der von jahrelanger Wirtschaftsblockade gezeichnete Irak gar nicht in der Lage war, derartige Waffensysteme zu errichten. Wir wissen es aber auch aus berufenem Munde, nämlich von hochrangigen US-Politikern selbst. Der von der US-Regierung eingesetzte Waffeninspekteur David Kay hat jetzt resigniert das Handtuch geworfen und wörtlich erklärt: "Wir haben alle falsch gelegen". Der stellvertretende "Verteidigungsminister" (man müsste eigentlich Kriegsminister sagen ) Paul Wolfowitz hat ganz offen zugegeben, dass seine Regierung damals gelogen hatte. Er sagte: Der Kriegsgrund der angeblichen ABC-Waffen "ließ sich am besten vermarkten."

Man muss sich das mal in Erinnerung rufen: Für diesen Krieg wollte die CDU-Vorsitzende Merkel Bundeswehrsoldaten bereit stellen. Wir wollen hoffen, dass die derzeitige Regierung in Berlin im Falle einer Eskalation der Kampfhandlungen standhaft bleibt und nicht auf die Idee kommt, da auch noch einzugreifen. Die Signale, die wir von der Bundesregierung in den letzten Monaten bekommen haben, stimmen uns allerdings sorgenvoll: Minister Struck hat gesagt: "Mögliches Einsatzgebiet der Bundeswehr ist die ganze Welt." Auf dem NATO-Gipfel im Juni in Istanbul wollen die USA einen Beschluss dieses Militärbündnisses herbeiführen, wonach die NATO einen Teil der Besetzung Iraks übernehmen soll und Außenminister Josef Fischer hatte schon auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 6. Februar angekündigt, man werde sich "einem Konsens nicht verweigern". Wir trauen einer Bundesregierung nicht über den Weg, die das gute außenpolitische Verhältnis ausgerechnet zu dieser Busch-Regierung zu einem Wert an sich erklärt, statt unmissverständlich Völkerrechtsbruch durch Angriffskriege beim Namen zu nennen, statt Menschenrechtsverletzungen wie das Einsperren von Kriegsgefangenen in Käfigen bei mörderischer Hitze in Guantanamo eindeutig zu verurteilen und statt Kriegsverbrechen durch Bombardierung von zivilen Zielen und die Verwendung von Nuklear-Munition öffentlich anzuprangern.

Wir wissen natürlich auch, dass die Bundesregierung sich vorhalten lassen muss, dass sie beim Bombenkrieg gegen Jugoslawien ohne Zustimmung des Weltsicherheitsrates selbst die Verletzung des Völkerrechtes in Kauf genommen hatte. Das vergessen wir nicht und wir sehen auch heute " dass 5 Jahre nach diesem Krieg keine wirkliche Befriedung eingesetzt hat. Wurden früher Kosovo-Albaner unterdrückt, werden bis heute Serben und Roma vertrieben und ihre Häuser unter den Augen der Besatzungsmacht angezündet. Der letzte Vorfall diese Art ist erst wenige Wochen her.

Wenn wir uns gegen eine Kriegseinsatz im Irak und anderswo wenden, dann klagen wir eigentlich nur das ein, was selbstverständlich sein sollte. Nach dem Grundgesetz ist Deutschland ein Angriffkrieg verboten. Vor und nach der "Wende" gab es kaum einen Politiker, der nicht den Satz gesagt hatte: "von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen". Das will heute kein führender Politiker mehr hören. Und nach der Charta der Vereinten Nationen gilt ein allgemeines Gewaltverbot in internationalen Beziehungen. Davon gibt es nur zwei Ausnahmen: Ein Land, das angegriffen wird, darf sich nach Art. 51 verteidigen und friedensichernde Maßnahmen sind nach Kapitel VII zulässig, wenn die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates einstimmig so beschlossen haben. Im Fall des Irak-Krieges lag keine dieser Voraussetzungen vor. Die USA hat das internationale Recht nicht interessiert. Sie haben das Recht des Stärken durchgesetzt. Wir sagen hier vom Ostermarsch aus :Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Auch in internationalen Beziehungen muss gelten: Wir brauchen nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts!

Nun wird vielleicht jemand fragen, was die Friedensbewegung denn jetzt vorschlägt: Was passiert ist, kann ja nicht rückgängig gemacht werden und keiner will ja sicherlich Saddam Hussein wieder an der Macht sehen: Die Antwort ist ganz einfach und sie entspricht auch dem, was in diesen Tagen der französische Präsident gesagt hat: Die USA und ihre Alliierten müssen so schnell wie möglich das Land verlassen, dem Irak seine Souveränität zurückgeben und demokratische Wahlen unter UN-Kontrolle ermöglichen. Das fordern auch alle irakischen Parteien, auch die Parteien, die sich an der von den USA eingesetzten Übergangsregierung beteiligen. Dies bedeutet aber auch, dass die imperialistische Macht die Hand vom Ölhahn wegziehen muss. Wir wissen alle, dass dies der wahre Kriegsgrund war. Eine friedliche Entwicklung, ein Aufbau des von mehreren Kriegen geschundenen Landes ist aber nur möglich, wenn der Irak selbst über seinen Ölreichtum verfügen kann und all denjenigen auf die Finger gehauen wird, die ihre gierigen Hände danach ausstrecken.

Deshalb demonstrieren wir für eine Welt ohne Kriege, für eine Welt mit einer gerechten Wirtschaftordnung ohne das Recht einzelner Länder, Naturschätze anderer einfach anzueignen, für eine Welt, in der nicht internationale Konzerne mit ihren Profitinteressen, sondern die Völker und ihr Recht auf Selbstbestimmung und Wahl ihres eignen Entwicklungsweges bestimmend sind.

Das gilt nicht nur für den Irak, sondern auch für Palästina. Auch dort gilt: wer wie der israelische Ministerpräsident Sharon dem Gaza-Streifen das Recht auf einen eigenen Flughafen, ja sogar das Recht auf einen Mittelmeerhafen, streitig machen will, wer die Nahrungsmitteltransporte des UN-Hilfswekes UNRWA im Gaza-Streifen behindert, wie jetzt wieder bekannt wurde, wer palästinensisch bewohnte Gebiete mit aggressiver Siedlungspolitik verunsichert und die fruchtbaren Böden allein der israelischen Besatzungsmacht vorbehalten will, wird nur Ursachen für neuen Krieg setzen.

Eine friedliche Entwicklung der Welt kann nur eine demokratische Entwicklung sein. Eine friedliche Welt, die wir anstreben, muss aber auch auf sozialem Ausgleich, das heißt auf Angleichung der Lebenschancen und Lebenslagen der Menschen angelegt sein. Solange man jedoch die Marktgesetze in einer globalisierten Wirtschaft ungehindert wirken lässt, wird es immer wieder Verteilungskämpfe und Kriege um die Reichtümer geben. Unser Kampf um eine Friedensordnung in dieser Welt ist deshalb untrennbar mit unserem Kampf um eine gerechte Weltwirtschaftordnung verbunden.



E-Mail:   adler-ol@t-online.de


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