Netzwerk Friedenskooperative



Oster-
marsch
2004


vom:
10.04.2004


 vorheriger

 nächster
 Artikel

Ostermärsche und -aktionen 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede auf dem Ostermarsch Rheinland 2004, Düsseldorf - Burgplatz 10. April 2004

"Für ein soziales und friedliches Europa" - Die Armen und die Militarisierung

Wolfgang Sieffert (Düsseldorf)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

"Jedes Gewehr, das produziert wird,
jedes Kriegsschiff, das vom Stapel läuft,
jede Rakete, die abgefeuert wird,
ist in letzter Konsequenz ein Diebstahl:
an denen, die hungern und nicht gespeist werden,
an denen, die frieren und nicht gekleidet werden können."
US-Präsident Dwight D. Eisenhower, 16.4.1953

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich komme mir fast wie ein Depp vor, wenn ich hier vor Euch und Ihnen daran erinnere

 dass nicht erst Krieg, sondern schon militärisches Rüsten tötet,

 dass fast eine Milliarde Menschen hungert - also langsam stirbt,

 täglich 20.000 Kinder Hungers sterben und im gleichen Zeitraum allein die USA eine Milliarde Dollar für Militär vergeudet,


dass die Armen ärmer und die Reichen reicher gemacht werden.

Und nicht nur wir hier wissen das, nein, auch die allermeisten, die jetzt nicht hier sein können oder wollen. Aber aus diesem Wissen werden nur die allermindesten Konsequenzen gezogen, die nötig sind, um Reichtum und Macht dauerhaft zu sichern.

Die Ausgaben für militärische Massenmordtechnologie kommen angesichts wachsenden Elends massenhaftem Mord gleich. Unrechtsverhältnisse, in denen sich einige bereichern, werden mit Waffen abgesichert.

Mehrfach bedrohen Rüstung und Interventionsdoktrinen die Menschen: neben Kriegen und Verarmung ist ein schleichender Verlust des Wertes jedes menschlichen Lebens die Folge. Das greift dann prima ineinander, wenn nicht die Reichen, sondern Arme und Normalverdienende die Lasten des Gemeinwesens bezahlen sollen. Die jährlich steigenden Wirtschaftserträge werden aus dem Blick gehalten und eine perverse Lüge greift in immer mehr Köpfen immer mehr Platz: dass die Armen selbst schuld seien. Arbeitslose, MigrantInnen, Kranke, Behinderte und Alte seien schuld am rasanten Sozialabbau, den wir erleben. Ihnen wird alle Last aufgebürdet, das große Geld bleibt von der verfassungsgemäßen Sozialverpflichtung befreit.

In höchstem Maße ärgerlich ist es da, dass der Verfassungsentwurf für die EU das Design für ein militarisiertes Europa erstellt mit Aufrüstungsverpflichtung, Entmachtung der Parlamente in Sicherheitsfragen, Erweiterung globaler Interventionsmöglichkeiten. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Solana, redet einer Doktrin das Wort, die der Präventivkriegdoktrin Bushs in nichts nachsteht und unserer Verfassung schlicht widerspricht. Der EU-Verfassungsentwurf enthält konsequenter Weise keinerlei Verpflichtungen zu ziviler Konfliktlösung, Kriegsprävention durch Gerechtigkeit oder ökologischem Lebensschutz. Ebenso zerplatzt mit ihm die Vision eines sozialen Europas, wenn die Menschen der EU nicht aufstehen. Zu Arbeitnehmerrechten und sozialer Absicherung hält der Entwurf nicht mehr als schöne Worte bereit.

Der ehemalige Chef von Ford-Deutschland, Daniel Goeudevert, sieht die Gefahr, dass in der Marktwirtschaft die Versachlichung des Warentausches auf andere Lebensbereiche übergreife, wo das Kalkül von Gewinn und Verlust nichts zu suchen habe. Ich sehe nicht die Gefahr, sondern dass das so ist, wenn Menschen mit sozialen Problemen als Kostenfaktoren und Tote in Kriegen als Kollateralschäden im weltweiten Terrorkampf gesehen und bezeichnet werden. Christlich benannt ist das Götzendienst, ein Kult, der den Götzen Kapital anbetet. Diesem Götzen werden Menschen geopfert.

Wir dürfen nie übersehen, dass es auf der ganzen Erde Opfer einer Globalisierung der Gier gibt: das sind zum Beispiel jene, die täglich für den Preis einer Kaugummipackung unsere Kleider und Computerchips herstellen. Die Arbeitenden und Armen sind überall von der brutalen Weltwirtschaft betroffen und müssen global zusammenstehen. Die Deutschen Bischöfe haben in ihrem Hirtenwort "Gerechter Frieden" im Jahr 2000 den Zusammenhang zur Militärpolitik der reichen Blöcke angesprochen: "Es wäre fatal, wenn die Länder des Nordens ihre vordringliche Aufgabe darin sähen, sich vor den Armen, die in besonderer Weise der Erfahrung von Not, Gewalt und Unfreiheit ausgesetzt sind, zu schützen statt ihnen beizustehen" (S. 80). Weiter heißt es: "Die Solidarität mit den Armen ist Teil unseres kirchlichen Engagements. ... Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Stärkung der Armen ruft ihrerseits in vielen Fällen gesellschaftliche Konflikte hervor. Denn wenn bestehende Machtverhältnisse in Frage gestellt werden, trifft dies regelmäßig auf den Widerstand der bislang Mächtigen und Privilegierten." (S.97). Das gilt hier wie international.

Auch angesichts von Medien, die nicht die Drahtzieher der neoliberalen Profitreligion, sondern ihre Opfer kritisieren, scheinen mir Friedensbewegung wie ChristInnen manchmal ratlos erstarrt zu stehen. Es gilt für uns, aus Apathie und Duldung aufzuwachen und aufzustehen und viele dabei mitzunehmen, wenn wir uns auf christliche und soziale Werte besinnen, wenn wir die Augen öffnen und handeln. Gegen die Terrorbereitschaft unserer Welt hilft nur eine Dialogkultur der Gerechtigkeit, wie sie Papst Johannes Paul II. und die Ökumene der ganzen Christenheit mit Nachdruck fordern: der Terror von oben gegen die Armen muss beendet werden, Frieden und Freiheit dürfen nicht länger als Parolen zur Sicherung von Reichtum missbraucht werden. Europa braucht eine Verfassung, die wie unser Grundgesetz schon die geringste Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe stellt. Die oberste Leitlinie eines glaubwürdigen Europas wäre soziale Gerechtigkeit. Wenn wir Frieden wollen, gibt es dazu keine Alternative.

Quellenangaben:

 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Gerechter Friede, Bonn 2000.

 Sören Widmann: Der EU-Verfassungsentwurf, in: Ohne Rüstung leben - Informationen 2/2004.

 Albert Fuchs: Friedensmacht Europa? Forget it or fight for it! Zur EU-Militarisierung nach dem Verfassungsentwurf vom Juni/Juli 2003, http://www.lebenshaus-alb.de/mt/archives/002203.html.

 Clemens Ronnefeldt (2004): Krieg ist keine Lösung - Alternativen sind möglich, http://www.versoehnungsbund.de
Wolfgang Sieffert OP, ist Gefängnisseelsorger und gehört dem kath. Dominikanerorden an, der sich weltweit für Dialog und Gerechtigkeit einsetzt.

E-Mail:   paterwolfgang@gmx.de


 vorheriger

 nächster
  
Artikel

       
Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema
Ostermärsche
Ostermärsche
OM 2003 - Rede J.Huffschmid, Oldenburg, 19.04.03
OM 2003, Rede T.Gocht, Mainz, Frankfurt,19./21.04.03
OM 2004: Aufruf Ruhr
OM 2004 - Aufruf München
OM 2004 - Aufruf Ulm -

Bereich

 Netzwerk