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Oster-
marsch
2004


vom:
10.04.2004


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Ostermärsche und -aktionen 2004:

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Rede beim Ostermarsch 2004 Baden-Württemnberg in Karlsruhe, 10.04.04

Liebe Freundinnen und Freunde,

Otto Vogel (Karlsruhe)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

- Sperrfrist: 10.04.04, 13 Uhr!

zunächst zu uns selber. Ist es nicht so, dass wir vor einem Jahr ein paar Leute mehr waren?! Und wir waren aufgeregter und zorniger, so scheint es mir.

"Aber wenn Dein Zorn ein kurzer ist", sagt die Mutter Courage zu einem jungen Soldaten, der sich aufregt über eine Ungerechtigkeit. "Wenn Dein Zorn ein kurzer ist" - dann hör lieber gleich auf, rät die Marketenderin.

Unser Protest ist schmaler geworden in diesem Jahr. Aber so viel älter sind wir doch binnen Jahresfrist nicht geworden. Sind wir trotzdem abgeklärter geworden und ruhiger? Oder haben wir uns gar insgeheim daran gewöhnt: Gewöhnt an die täglichen und wöchentlichen Nachrichten: dort etliche Iraker und dazu noch ein paar Amerikaner oder andere Besatzer.

Kann man sich denn daran gewöhnen?

Nein! Daran kann ich mich nicht gewöhnen.

Nein! Daran will ich mich nie gewöhnen!

Aber dann müssen wir es lauter schreien und nachhaltiger rufen und bedrängender klar machen im Blick auf den Irak, auf Afghanistan und auf so etliche andere Weltgegenden. Und wir müssen deutlich machen: JA! Es wird noch gestorben! Und das Elend kennt schier keine Grenzen!

Es wird noch gestorben! Vor der bestimmten Zeit. Zu einer Zeit, zu der es Gott ganz und gar nicht gefallen hat. Und das Elend in der Welt kennt schier keine Grenzen! Bei Frau und Mann, bei alt und jung. Und die Milliarden zerrinnen Tag für Tag im Zweistromsand, was ihre Wirksamkeit angeht, für Gerechtigkeit und Frieden beizutragen. Was ihren wirtschaftlichen Nutzen angeht zerrinnen sie freilich nicht, sondern fließen reichlich in die Konzerntaschen von Haliburton z. B.; Sie wissen schon, dem Konzern, dem Vizepräsident Cheyney so nahe steht. So macht sich zu Beginn des 3. Jahrtausends politische Ökonomie reinsten Wassers breit. Ein bisschen dreist vielleicht und schon fast unverhüllt.

Wir, liebe Freundinnen und Freunde, haben in diesem noch so neuen Jahrhundert eine wichtige Lektion gelernt oder müssen sie ganz schnell lernen:

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Unser Zorn muss ganz schön lang werden. Länger als die drei Monate vor einem aufziehenden Krieg.

Gewiss, es ist so:

Die Arroganz der Macht und die Frechheit der Lügen der amerikanischen Regierung wird nur noch übertroffen von ihrer Ahnungslosigkeit über das angeeignete Land und von ihrer banalen Unfähigkeit, ihm zu einem wirklichen Frieden in Gerechtigkeit zu verhelfen.

Das ist so! Gott sei`s geklagt.

Unsere Lektion muss deshalb aber heißen: Auch wenn wir es tausendfach wiederholen und es rufen und schreiben und singen: Herr Bush wird nicht in sich gehen und danach sagen: Ja, Ihr habt ja so recht!

Unsere Lektion muss deshalb heißen: Der Weg zum Frieden ist noch länger als wir befürchtet haben. Und er muss auf allen möglichen Seitenstrecken gesucht und verfolgt werden.

Wir dürfen dabei schimpfen im vertrauten Kreis. Das dürfen wir aber dann nicht mit wirksamem Friedensengagement verwechseln.

Wir werden Mühe haben, alle Details dabei vor die Augen zu bekommen und sie dort zu behalten. Dazu wird gehören, was hier und heute im Blick auf die europäische Verfassungsdiskussion gesagt wurde.

Krieg darf kein Mittel der Politik sein! Nicht in der Vorbereitung! Nicht in der Ausführung!

Aber unsere Wachheit, liebe Freundinnen und Freunde, wird noch viel umfänglicher gefragt sein. Damit wir uns nicht nur mit wohlfeilen Reden in den Ohren hängen, sondern hinsehen, wo geschlachtet wird, wo der Hunger wütet und wo das Unrecht rast.

Wir werden wach bleiben müssen, damit wir die Schreie der Unterdrückten hören und das Seufzen der Kreatur, die ungebremst geschändet wird.

Und unser Zorn wird gefragt sein, unser Zorn über die Giftgastechnikindustrie und über die Raketenpräzisionslenkkunst.

Und unsere Fantasie wird gefragt sein, wie die Menschen in den Rüstungsindustrien auf anderem Weg zu Brot und Arbeit kommen.

Und wir brauchen eine geduldige Mühe, die Zusammenhänge unseren Parlamentariern zu erklären, es ihnen stets und immer wieder ins Gedächtnis zu bringen und sie an ihre Verantwortung zu mahnen - unter Drohung des Mandatsverlustes.

Und wir müssen besser werden, es den Menschen zu erklären und sie zum Mittun zu gewinnen.

Es ist zwar richtig: nicht erst der Erfolg gibt unserem Protest sein Recht. Aber ohne Erfolg wird sich unser Protest in die Geschichte verkrümeln und das Unrecht ungeschoren lassen.

Liebe Freundinnen und Freunde, die Frage ist: Was werde ich heute -, was werde ich morgen für den Frieden tun, so ganz konkret? Und was wird heute und morgen meine Gemeinde/ meine Organisation/ meine Gruppe tun, damit die Zeit des Friedens kommt? Des Frieden in Gerechtigkeit?

Müssen wir nicht dazu das Netz untereinander fester knüpfen und miteinander effizienter werden

 beim Eintreten für die endliche Beendigung der Vergeudung natürlicher Ressourcen


und der einen Welt-Arbeit

 und beim politischen Wirken für supranationalen Einrichtungen wie dem Weltgerichtshof oder einer Weltpolizei,

 und bei der Forderung für die UN-Kontrolle allen Waffenhandels.

 Und beim Widerstand gegen jegliche Remilitarisierung Europas.

Solches und ähnliches mehr, muss unseren Regierungen in Erinnerung gerufen werden, wieder und wieder. Und unseren Zeitgenossen auch. Und es bedarf der fantasievollen Aktionen in Stadt und Kirche, in Region und Gemeinde, in Organisation und engagierten Zirkeln kurz: überall in diesem unseren Lande, damit sich Erfolg einstellen kann.

Alle solche Aktionen und Projekte sind mühsame Kleinarbeit, und der Aufwand ist groß. Und dabei ist mitunter Gruppenfrust zu ertragen und Gremienzeit zu erbringen.

Der friedliche Kampf gegen Gewalt und Krieg, und für Frieden und Gerechtigkeit wird aber

ohne diese Anstrengung nicht zu führen sein.

Lassen Sie mich als Pfarrer hier sagen: Christinnen und Christen wissen darum, um diesen Kampf. Sie werden in der heutigen Nacht, der Osternacht, wieder den Durchgang feiern, den Durchgang vom Tod zum Leben. Weil das so ist deshalb wissen sie auch: Frieden kommt nicht wie die Morgenröte nach still durchschlafener Nacht.

In alter Zeit haben sie sich die folgende österlichen Mahnung zugerufen - und damit will ich schließen:

"Wach auf du Schläfer!" - so heißt es im Epheser-Brief. "Wach auf du Schläfer! Steh auf vom Tod! Und Christus, deine Sonne, geht für dich auf." [Eph. 514b]

Dona nobis pacem, Domine.


Otto Vogel ist Dekan der Ev. Kirche in Karlsruhe

E-Mail:   otto.vogel@gmx.de
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