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Oster-
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2004


vom:
12.04.2004
Update: 13.04.2004


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Rede bei Abschlußkundgebung des Oberberger Ostermarsch 2004 in Waldbröl, 12. April

Liebe Freundinnen und Freunde,

Gerhard Jenders (Waldbröl)

Wieder einmal haben wir uns in Waldbröl versammelt, wie im vorigen Jahr stehen wir nicht vor einem waffenstarrenden Raketenstützpunkt, sondern vor einem fast zivil anmutenden Haus. Zivil, weil es als Hotel geplant war, fast zivil, weil es nicht irgendein Hotel werden sollte, sondern ein Vorzeigeprojekt der Nazis im Rahmen ihrer Pläne für Groß-Waldbröl war. Davon zeugen noch der monumentale Baustil und die kitschigen Mosaike im Innern. Seit dreißig Jahren nutzt die Bundeswehr das Haus. Was macht sie hier?

Hier sitzt das "Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr" - es bezeichnet sich gern als "Denkschmiede". Der Begriff ist nicht falsch gewählt: Hier wird gedacht, und hier wird geschmiedet - allerdings werden keine Pflugscharen geschmiedet, sondern Schwerter!

Die Schwerter aus Waldbröl sind militärische Konzeptionen, die sich zum Beispiel mit der Computer-Vernetzung der Infanteristen befassen.

Die Schwerter aus Waldbröl sind Vorbereitungen zur Beschaffung neuer Waffensysteme und Absprachen mit der Rüstungsindustrie. Die schmieden hier Pläne, die das Geld zu kosten, was dann zum Beispiel für die Jugendarbeit in Waldbröl fehlt!

Die Schwerter aus Waldbröl sind aber vor allem Konzepte zum Umbau der Bundeswehr von der reinen Landesverteidigung zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee:

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war den Kriegern ihr Feindbild abhanden gekommen. Doch hier in diesem Haus wurde eine neues gebastelt. Die Leute veröffentlichen nicht allzu viel, aber eine PowerPointPräsentation des Zentrums war im Internet zu finden. Es handelt sich um einen Vortrag, der bei einer Tagung in Kanada gehalten wurde. Auf Folie 20 sehen wir das neue Feindbild: Da steht ein junger Afrikaner in Zivilkleidung mit einem Maschinengewehr, einen langen Patronengurt und eine bunte Mickey-Mouse-Tasche umgehängt. Er soll für "bewaffnete Gruppen" stehen; bewaffnete Gruppen in kriegerischen Auseinandersetzungen irgendwo in der Welt, in die die Bundeswehr dann eingreifen soll. Damit die entsprechenden Schlagworte (hier zum Beispiel "Kampf um Ressourcen") noch Platz auf der Folie haben, wurde das Bild des "Feindes" passend verzerrt. (Wer möchte, kann sich die Präsentation nachher mal auf einem Laptop ansehen.) Wie das Bild des Afrikaners ist in der Präsentation das gesamte Bild der Wirklichkeit verzerrt dargestellt - am Ende sehen wir als Schlussfolgerung unter "Neue Aufgaben" eine deutsche Panzerkolonne auf dem Vormarsch.

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In den neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundeswehr liest sich das dann so: "Ungelöste politische, ethnische, religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Konflikte wirken sich im Verbund mit dem internationalen Terrorismus, mit der international operierenden Organisierten Kriminalität und den zunehmenden Migrationsbewegungen unmittelbar auf die deutsche und europäische Sicherheit aus. Ihnen kann nur durch ein umfassendes Sicherheitskonzept und mit einem System globaler kollektiver Sicherheit begegnet werden."

Da ist es wieder, das Konglomerat aus Analyse und Demagogie, da werden Flüchtlinge in einem Atemzug mit Terroristen und der Mafia genannt - und als Lösung werden nur Gewalt oder Androhung von Gewalt (denn etwas anders ist mit dem "umfassenden Sicherheitskonzept" nicht gemeint) angeboten.

Konfliktlösung mit Gewalt wird seit Jahrhunderten ausprobiert, in der letzten Zeit besonders erfolglos durch die USA im Irak und durch die Scharon-Regierung in Israel - inzwischen müsste allen klar geworden sein, dass das nicht funktioniert. Doch ist Gewaltanwendung immer noch ein gutes Geschäft für die Waffenindustrie, vielleicht ist das der Grund, warum die Vernunft immer noch nicht zum Durchbruch gekommen ist.

Und jetzt werden hier in Waldbröl Konzepte entwickelt, wie deutsche Soldaten "innovativ" an allen Ecken der Welt Gewalt als Konfliktlösung einsetzen - wann lernen die Politiker endlich, dass man bei den Ursachen ansetzen muss: man muss sich schon die Mühe machen, nach einem fairen Ausgleich und wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu suchen, statt immer nur auf die Maximierung des eigenen Profits zu schielen. Die jetzige Weltwirtschaftordnung ist in hohem Maße ungerecht, sie kann auf die Dauer auch mit Gewalt nicht aufrecht erhalten werden. Leider haben die Ewiggestrigen im Lande das noch immer nicht begriffen, im Gegenteil: sie versuchen, Lohndumping auch bei uns durchzusetzen. Das ist nicht die Gerechtigkeit, die wir meinen!

Wenn der Afrikaner, der als neues Feindbild herhalten musste, einen Studienplatz hätte - oder vielleicht ein Stück Land zu bearbeiten mit der Aussicht auf faire Preise für seine Erzeugnisse - das wäre ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit, würde vielleicht die Spirale von Unterdrückung und Gewalt ein weing zurückdrehen, würde uns einen kleinen Schritt zurück bringen vom Abgrund des Hasses.

Zugegeben, dieser Weg ist mühselig und auch nicht umsonst zu haben, aber wenn ich jahrelang ohne Erfolg bei Krankheiten den Schmied konsultiert habe, sollte ich vielleicht doch mal statt dessen zu einem Arzt gehen!

Natürlich können die "Denkschmiede" hier drinnen auf solche Ideen nicht kommen, dafür sind sie nicht ausgebildet. Sie haben gelernt, dass der Hammer das einzig mögliche Werkzeug ist und diagnostizieren folgerichtig alle Probleme als "Nägel". Das geht dann auch so weit, dass für sie "die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen" und die Bundeswehr auch im Innern eingesetzt werden soll - so wird es in der Präsentation gefordert. Die Gesetze sollen passend ausgelegt oder eben angepasst werden, zu diesem Zweck unterhalten die hier einen eigenen "Querschnittsbereich Recht / Politik", der entsprechende Vorlagen erarbeitet.

Eines aber wissen auch die Soldaten hier im "Zentrum für Analysen und Studien": Die abenteuerlichsten Pläne sind nichts wert ohne Menschen, die bereit sind, dabei mitzumachen. Da sieht es - zum Glück oder vielleicht logischerweise - für das Militär zur Zeit schlecht aus: Der Leiter des ZAS, Oberst Ralph Thiele, schreibt in einem Artikel unter der Überschrift "Der Kampf um gebildete beziehungsweise bildungsfähige Menschen: "Der junge Wehrpflichtige bringt die Ressource Wissen nur in Ausnahmefällen in die Streitkräfte hinein." Klar - wer die Welt versteht, lässt sich nicht auf militärische Abenteuer ein.

Doch das wollen die Leute dort drinnen nicht auf sich beruhen lassen. Deshalb sind die Medien ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Das, was wir beim Irak-Krieg mit den "eingebetteten" Journalisten erlebt haben, soll auch hierzulande Praxis werden: Sie möchten, dass die Medien mit ihnen ins Bett steigen, um ihre Ideologie aus dem Imperialismus des 19. Jahrhunderts als Modernisierung zu verkaufen. Als Ziel haben sie formuliert, " in die Köpfe der Menschen zu kommen und ihre Herzen zu gewinnen". Also, was mich anbetrifft: Ich habe wir fest vorgenommen, meinen Kopf weiter zum selbstständigen Denken zu verwenden - und: mein Herz schlägt immer noch links und passt in keine Heldenbrust!



E-Mail:   gfj.jenders@t-online.de
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